Kategorie Innovation & Technologie - 25. Februar 2016
E-Mobilität – An welchen Schrauben noch gedreht werden muss
Bessere Luft, weniger Lärm und niedrige Betriebskosten: Fahrzeuge mit Elektroantrieb gelten als die Zukunft. Warum E-Autos die innerstädtischen Verkehrsprobleme nicht lösen, private Lademöglichkeiten entscheidend sind und mit welchen Anreizen ein massiver Anschub möglich wäre, hat APA-Science bei Experten nachgefragt.
5.032 – so viele vollelektrische Autos (Battery Electric Vehicle) waren mit Stichtag 31.12.2015 laut Statistik Austria in Österreich zugelassen. Das entspricht einem Anteil am Gesamtmarkt von 0,1 Prozent. Und die Voraussetzungen für einen raschen Durchbruch sind aktuell nicht die besten. Negativ wirken sich unter anderem die stark gesunkenen Benzin- und Dieselpreise aus. Dadurch schrumpft der große Vorteil der E-Mobilität bei den Betriebskosten – also Treibstoff- versus Strompreis. „Aber auch die Anschaffungskosten der Fahrzeuge sind nach wie vor sehr hoch, großteils bedingt durch die Preise für die Batterien“, erklärte Paul Pfaffenbichler vom Institut für Verkehrswissenschaften der Technischen Universität (TU) Wien im Gespräch mit APA-Science.
Österreich liege derzeit bezüglich Marktakzeptanz und -Durchdringung „irgendwo im Mittelfeld“. In den vergangenen Jahren war aber bereits eine deutliche Aufwärtsbewegung feststellbar: Gab es 2009 in Österreich erst 223 zugelassene E-Fahrzeuge, erhöhte sich die Zahl von 2012 (1.389) bis 2015 stark auf 5.032. Bei den Neuzulassungen gab es im Vorjahr ein Plus von 31 Prozent auf 1.677 E-Fahrzeuge. Das entsprach immerhin bereits einem Anteil von 0,5 Prozent. Für einen deutlichen Schub müsste allerdings noch an vielen Schrauben gedreht werden.
Batterie und Reichweite
E-Autos haben derzeit zum Großteil eine Reichweite von 100 bis 150 Kilometern pro Ladevorgang. Der Tesla dürfte sogar auf 400 Kilometer kommen. Zudem zeigen verschieden Studien, dass rund 95 Prozent der gefahrenen Wege kürzer als 50 Kilometer sind. Trotzdem wird die Reichweite immer wieder gegen E-Autos ins Treffen geführt. „Natürlich spielt das Thema Reichweite eine Rolle. Mir kommt aber vor, dass das eher ein vorgeschobenes Argument ist“, so Pfaffenbichler. Denn auch bei kleineren Fahrzeugen liege die Reichweite deutlich über dem, was die meisten im Durchschnitt benötigen.
Außerdem gebe es deutliche Fortschritt in der Batterietechnologie: „Das kann man nutzen, um die Batterien zum gleichen Preis leistungsstärker zu machen – also die Reichweite zu erhöhen – oder die Batterien bei gleicher Ladekapazität billiger zu machen. Da wird sich in den kommenden fünf Jahren sicher einiges tun“, erklärte der Experte. Revolutionäre Preissprünge seien im Moment aber nicht absehbar.
Auch beim erhofften Durchbruch einer komplett neuen Speichertechnologie, bei der eine viel höhere Leistungsdichte möglich wäre, ist Pfaffenbichler skeptisch: „Das dauert, wenn es überhaupt etwas wird, noch länger.“ Erst kürzlich hat auch Daimler-Chef Dieter Zetsche erklärt, dass sich Akkus seiner Einschätzung nach vermutlich gegen Brennstoffzellen als Antrieb von Elektroautos durchsetzen werden. Bei den Brennstoffzellen sei das Problem der günstigen und flächendeckenden Versorgung mit Wasserstoff nach wie vor nicht gelöst. Batterielösungen hätten hingegen an Attraktivität gewonnen. So seien Autos mit 500 Kilometern Reichweite und einer Ladezeit von 20 Minuten möglich.
Optimale Lade-Infrastruktur
Essenziell für die Durchsetzung von E-Autos am Markt ist auch die Lade-Infrastruktur. Zwar gibt es in Österreich ein paar tausend öffentliche und halböffentliche Ladestellen für ein-und zweispurige Kfz, Projekte in diversen „Modellregionen“ hätten aber gezeigt, „dass 80 Prozent der Ladevorgänge daheim oder am Arbeitsplatz stattfinden – das ist eine wichtige Erkenntnis für Energieversorger und deren Geschäftsmodelle“, so Theresia Vogel, Geschäftsführerin des Klima- und Energiefonds. Auf ähnliche Ergebnisse verweist auch Pfaffenbichler, der unter anderem im Projekt COMPETT die zukünftige Entwicklung der E-Pkw Flotte in Norwegen und Österreich vor dem Hintergrund verschiedener Szenarien unter die Lupe genommen hat.
„Ich glaube, dass sich kaum wer ein Elektroauto anschafft, wenn er nicht irgendwo privat – langsam über Nacht – laden kann“, so der Experte. Als Ergänzung könnte man sukzessive Schnellladepunkte strategisch über die Stadt verteilen, wo sich die Fahrzeuge in 20 bis 30 Minuten wieder auf 80 Prozent der Kapazität aufladen lassen. Das Thema Infrastruktur sei auch der Grund, warum E-Autos zumindest im Moment eher für den ländlichen Raum geeignet wären. „Was im städtischen Raum dagegen spricht, ist, dass die Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten in der privaten Garage deutlich eingeschränkt ist. Im Moment ist das sicher noch ein großes Hindernis.“
Hinzu komme, dass der Raum in der Stadt beschränkt sei: „Eines der Probleme, die man mit dem motorisierten Individualverkehr hat, ist die Flächenverfügbarkeit. Das löst man mit E-Autos nicht.“ Diese Ansicht vertritt auch der Verkehrsclub Österreich (VCÖ), der gerade die Publikation „Urbaner Verkehr der Zukunft“ herausgegeben hat: „Gerade in den Städten verbraucht auch ein E-Auto wertvollen Platz. Deshalb ist der Ausbau der öffentlichen E-Mobilität – Straßenbahn, S-Bahnen, Elektrifizierung der Busflotten – aus ökologischer und sozialer Sicht sinnvoller und es wird damit eine platzsparende Mobilität gefördert.“
Wechselwirkungen beachten
Nicht vergessen werden darf auch auf die Wechselwirkungen zwischen den verschiedenen Verkehrsmitteln. So könnte eine starke Förderung der individuellen E-Mobilität die Nutzung des öffentlichen Verkehrs verringern. „Die Stadt Wien ist da – zu Recht – sehr vorsichtig. Man muss sich das immer multimodal anschauen und nicht immer nur eine Kategorie herausnehmen“, so Pfaffenbichler. Am Land würden E-Autos mehr oder weniger eins zu eins Wege mit dem konventionellen Pkw ersetzen. In heimischen Städten sei die Anzahl der E-Autos noch zu gering, um hier Aussagen treffen zu können.
Auch beim Klima- und Energiefonds wird der Ansatz verfolgt, dass Elektromobilität mehr als bloße Substitution von konventionellen Fahrzeugen ist. „Es muss immer um das Gesamtsystem gehen. Multimodale, „seamless“-Lösungen, die auf individuelle Bedürfnisse Rücksicht nehmen und leistbar sind, werden die Perspektive für die Zukunft sein“, ist Vogel überzeugt.
Zuckerbrot und Peitsche
Wichtige Faktoren, der E-Mobilität zum Durchbruch verhelfen kann, sind diverse Anreize. Die Palette reicht dabei von vergünstigten Anschaffungskosten über steuerliche Vorteile bis zu Gratis-Parkplätzen. Das hat zumindest in Norwegen zum höchsten Pro-Kopf-Anteil an Elektro-Autos weltweit geführt. „Dort sind E-Pkw fast billiger als vergleichbare Benzin- oder Dieselgetriebene Modelle. Die sind quasi von allen Steuern befreit, während die konventionell angetriebenen sehr hoch besteuert sind“, so Pfaffenbichler.
Man müsse sich aber auch intensiv damit auseinandersetzen, wie man Förderungen wieder zurückfährt, wenn sie zu erfolgreich werden. „In Norwegen dürfen Elektroautos die Busspuren mitbenutzen, gratis in der Stadt parken und sind von der Maut ausgenommen. Da hat man beispielsweise nach Oslo rein den Effekt, dass dann die Busse im Stau stehen, weil sich viele Norweger, die im Umland von Oslo wohnen, E-Autos zum Pendeln gekauft haben“, verweist der Wissenschafter auf mögliche Nebeneffekte. Zudem habe es Diskussionen gegeben, ob man mit Steuerbefreiungen nicht ohnehin wohlhabendere Haushalte quasi subventioniert.
Umfangreiche Förderungen
In Österreich wird die Anschaffung von E-Fahrzeugen laut VCÖ unter anderem durch das Förderprogramm „klimaaktiv mobil“ je nach Fahrzeugklasse mit 250 bis 20.000 Euro Prämie pro Fahrzeug gefördert. Eine Kombination mit weiteren Förderungen der Bundesländer oder Gemeinden ist möglich. Auch bei der Steuerreform 2016 wurden Elektroautos berücksichtigt und deren Anschaffung und Betrieb vergünstigt. „De facto sind nun E-Autos billiger als solche mit Verbrennungsmotoren“, erklärte Vogel.
Die Steuerreform und auch die Förderstrategie des Klima- und Energiefonds – einerseits im Bereich F&E (Leuchttürme der Elektromobilität) und andererseits im Bereich Marktdurchdringung (Modellregionen Elektromobilität) würden 2016 einen großen Schub in diesem Bereich bringen. Als Hemmschuh sieht Vogel „die ökologisch und gesundheitlich sehr problematische noch immer geltende Niedrig-Besteuerung von Diesel – damit bleibt ein dieselbetriebenes Fahrzeug für viele Konsumenten preislich attraktiv“.
Wirkung zeigen würden laut VCÖ auch strenge CO2-Grenzwerte für Autohersteller auf EU-Ebene. „Wenn beschlossen wird, dass im Jahr 2025 die Pkw-Neuwagenflotte im Schnitt maximal 65 Gramm CO2 pro Kilometer emittieren darf, dann werden die Hersteller mehr E-Autos auf den Markt bringen. Mit steigendem Angebot sinken die Preise, womit die Fahrzeuge verstärkt gekauft werden“, so der Verkehrsclub Österreich.
Schub durch E-Carsharing
Zu einem Schub für E-Autos könnte es auch durch Carsharing-Angebote kommen. „Das ist ein zentrales Zukunftsthema, da es günstiger als mit konventionellen Fahrzeugen betreibbar ist“, meint Vogel. In Deutschland werden laut VCÖ aktuell etwa zehn Prozent der zugelassenen Elektro-Fahrzeuge in Carsharing-Flotten eingesetzt. Vorteile seien begrenzte Einsatzgebiete, vielfach nur kurze Strecken im Stadtverkehr, eine kalkulierbare Nachfrage nach Ladeinfrastruktur und das zentrale Flottenmanagement.
Sehr stark thematisiert wurde in den vergangenen Jahren, die Batteriekapazität der E-Autos als Spitzenlastspeicher zu verwenden. „Da dürfen wir uns kurzfristig noch nicht zu viel erwarten. Ob wir hier das theoretisch vorhandene Potenzial voll erschließen können, dazu braucht es noch einige praxisnahe Pilotprojekte und überzeugende Geschäftsmodelle“, so Vogel. Und auch Pfaffenbichler zeigt sich skeptisch: „Wenn ich ein E-Auto hätte, muss ich als Stromkunde dem Stromunternehmen dann ja auch erlauben, dass es meine Batterie wieder entlädt, wenn es eine Zwischenspeicherfunktion hat. Und ich bin mir nicht sicher, ob die Leute das wirklich wollen.“
Einsatz in der Logistik
Großes Potenzial gebe es aber beim Lieferverkehr. „Da ist zumindest ein gleich hohes Potenzial vorhanden wie beim Individualverkehr. Man könnte hier auch Anreizsysteme schaffen mit bevorzugten Ladezonen für Elektrofahrzeuge. Allerdings wird das in Wien im Moment nicht diskutiert“, sagte der TU-Experte.
Bei entsprechendem Engagement und Willen sowie der Ausnützung der aktuell verfügbaren Förderungen sei es betriebswirtschaftlich durchaus möglich und sinnvoll, Elektrofahrzeuge im Lieferverkehr zu verwenden. Das habe auch das Projekt Transform+ gezeigt, bei dem Elektro-Carsharing für Unternehmen im Mittelpunkt stand. „Allerdings ist man nach wie vor sehr eingeschränkt. Derzeit sind nur im Segment kleinerer Transporter, der sogenannten Caddyklasse, Lieferfahrzeuge mit E-Antrieb verfügbar, die vom Preis her akzeptabel und vernünftig sind.“
Eine europäische Studie zeigt laut VCÖ, dass in den Städten immerhin die Hälfte der CO2-Emissionen des Verkehrs auf den Gütertransport entfällt. Laut EU-Weißbuch Verkehr soll bis zum Jahr 2030 die innerstädtische Güterlogistik in den größeren Städten CO2-frei erfolgen. „Von diesem Ziel sind Österreichs Städte weit entfernt“, stellt VCÖ-Experte Markus Gansterer fest. Deutsche Städte würden zeigen, dass viele innerstädtische Transporte auch mit Cargo-Bikes, also Lastenfahrrädern, durchgeführt werden könnten.
E-Zweiräder im Aufwind
Im Oktober 2015 wurden auch im Rahmen des Projekts SeestadtFLOTTE in der Seestadt Aspern neben 25 E-Fahrrädern weltweit erstmals E-Lastenräder in ein Fahrrad-Verleihsystem integriert. E-Fahrräder stellen generell das meist verkaufte Elektro-Fahrzeug in Österreich, betont der VCÖ. Derzeit dürften in Österreich mehr als 200.000 E-Bikes im Einsatz sein – Tendenz steigend.
Etwas stiefmütterlich behandelt sieht Pfaffenbichler das Thema „Elektromoped“. Denn grundsätzlich seien Zweitaktmopeds eine der größten, signifikantesten Feinstaubquellen neben Diesel-Lkws. „Außerdem sind die Preise für E-Mopeds nicht sehr weit von Benzin-Mopeds entfernt. Da könnte man mit gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der Schadstoffemissionen einiges tun, damit dieser Markt in Richtung Elektrofahrzeuge dreht. Da sind auch die Reichweite und das Laden kein so großes Thema“, so der Experte. Innerstädtisch sei es beispielsweise möglich, die Batterie zum Laden mit in die Wohnung zu nehmen. „In Kürze starten wir ein vom Klima- und Energiefonds bewilligtes Projekt, wo es um die Einstellung Jugendlicher zum Thema Elektromoped bzw. Elektromotorrad geht“, kündigte Pfaffenbichler an.
Übrigens: Durch eine Umstellung des gesamten Pkw-Verkehrs auf elektrischen Antrieb würde der aktuelle Stromverbrauch in Österreich nur um rund sieben Prozent steigen.
Von Stefan Thaler / APA-Science
Service: Diese Meldung ist Teil eines umfangreichen Dossiers zum Thema urbane Mobilität. Das gesamte Dossier finden Sie auf APA-Science: http://science.apa.at/dossier/mobilitaet