Kategorie Innovation & Technologie - 1. Oktober 2020

Umweltmonitoring: ESA arbeitet an digitalem Zwilling der Erde

ESA-Konferenz widmet sich diese Woche dem Thema „Digital Twin Earth“ – auch um Zukunftsszenarien zum Erreichen der Klimaziele durchzuspielen

Nein, dieses Mal geht es nicht um die Suche nach einem Erdenzwilling, auf dem außerirdisches Leben möglich sein könnte. Vielmehr plant die ESA auf Basis von Erdbeobachtungsdaten europäischer Satelliten ein digitales Abbild unseres Heimatplaneten, einen digitalen Zwilling entstehen zu lassen. Über die Umsetzung der Digital Twin Earth-Idee der ESA tauschen sich in dieser Woche Experten im Rahmen einer Konferenz aus. Zusammen mit dem Europäischen Kernforschungszentrum CERN will der aus Österreich stammende Leiter des ESA-Erdbeobachtungsprogramms, Josef Aschbacher, künftig auch verstärkt Quantentechnologien zum Monitoring der Erde nutzen.

© ESA

Die Erdbeobachtungskonferenz Phi-Week der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die noch bis 2. Oktober läuft, findet heuer coronabedingt online statt. Auch wenn die Coronakrise aktuell omnipräsent ist, sollte sie Fragen der Nachhaltigkeit nicht verdrängen, sagte ESA-Chef Jan Wörner zu Beginn der Konferenz. Aus diesem Grund setze man zukünftig auf die Idee digitaler Abbilder der Erde. Die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung würden eine derartige Simulation mittlerweile ermöglichen. Wenn solche Systeme gut gemacht sind, würden Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt profitieren, sagte Wörner. Sie könnten beispielsweise eine bessere Einschätzung der Umweltprobleme auf der „echten“ Erde ermöglichen.

Simulation von Klimaszenarien

Das Rückgrat solcher Zwillinge würden vor allem Daten des umfassenden Satelliten-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus der EU und der ESA bilden. In diesem Rahmen werden mittlerweile ungeheure Datenmengen zur Atmosphäre, den Ozeanen, den Eisschilden, zur Umweltverschmutzung oder zu Treibhausgas-Emissionen gesammelt. In die Zwillinge sollen aber auch Informationen von Messstationen am Boden, in Kombination mit mathematischen Modellen – vom Klima bis zu sozioökonomischen System – einfließen. Mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) soll dann „all das genutzt werden, um Zukunftsszenarien durchzuspielen“, etwa im Zusammenhang mit steigenden Meeresspiegeln, großflächigem Verlust von Waldflächen, Extremwetter-Ereignissen oder zum Ausbau von erneuerbarer Energie und zum Erreichen der Klimaziele Europas.

Auch wenn Wissenschafter schon lange vor einer Pandemie durch einen neuartigen Virus gewarnt haben, sei nun klar, dass die Welt trotzdem nicht vorbereitet war. „Wir sollten daher von der Coronakrise lernen, um besser auf die Auswirkungen des Klimawandels vorbereitet zu sein“, so Aschbacher. Daher gehe es nun darum, im Rahmen der Digital Twin Earth-Idee „europäische Exzellenz zusammenzubringen, um diese verschiedenen digitalen Zwillinge aufzubauen“.


Anfang dieses Monats habe die ESA mit einem kleinen Satelliten namens Phi-sat-1 erstmals einen Erdbeobachter in den Orbit gebracht, der einen KI-Chip mit an Bord hat. Dieses System lernt seither an Bord des Satelliten, Wolken auf Bildern selbstständig zu erkennen. Solche Ansätze würden Kapazitäten am Boden sparen und „komplett neue Dimensionen in der Erdbeobachtung“ eröffnen.

Das soll auch der Einstieg der Europäischen Raumfahrtagentur in die Welt der Quantencomputer mit sich bringen, die künftig mit Hilfe quantenphysikalischer Phänomene bestimmte Berechnungen viel schneller lösen könnten. Die ESA werde sich der neuen Technologie in Zusammenarbeit mit Partnern annähern – allen voran dem CERN in Genf. „Ich glaube, dass Quantencomputing den nächsten großen Schritt darstellen wird“, wenn es um die rasche Analyse großer Datenmengen aus den Erdbeobachtungsprogrammen geht, erklärte Aschbacher.

apa/red

INFObox: Das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) ist zugleich auch Weltraumministerium und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben.