Kategorie Innovation & Technologie - 31. Juli 2015
Fenster auf: Der Lärm bleibt aber draußen
Kann ich meine Wohnung lüften, ohne dass Straßenlärm ins Zimmer dringt? Wer sich bei geöffneten Fenstern im Wohnzimmer schon anschreien muss, weil man den Partner nicht mehr versteht, oder wer täglich um fünf Uhr früh von der ersten Straßenbahn geweckt wird, hätte gern eine Lösung. Ebenso jene, die sich durch laute Nachbarn gestört fühlen
„Rein akustisch wäre es vielleicht effektiv, aber aus energie- und umwelttechnischer Sicht völlig ineffizient, wenn man die ganze Fassade abdichten würde“, sagt Ardeshir Mahdavi, Ordinarius für Bauphysik und Bauökologie an der TU Wien. Dann könnte weder die Luft noch der Schall hereindringen. Doch diese Maßnahme führt dazu, dass dann ausschließlich mit mechanischer Lüftung und Klimatisierung gearbeitet wird.
Mahdavis Team am Institut für Architekturwissenschaften der TU Wien erforscht daher energieschonende Varianten, um ein natürliches Lüften zu gewährleisten und trotzdem den Lärm draußen zu halten.
Denn die auch in Österreich immer beliebteren Klimaanlagen sind energetisch und zum Teil gesundheitlich bedenklich. Ihren Stromverbrauch und die Kühlmittel in den Klimaanlagen könnte man einsparen, wenn es gelänge, den Weg des Schalls und der Luft zu trennen.
Moderne Kastenfenster
Die aktuellen Untersuchungen im Schalllabor der TU Wien werden vom Programm „Stadt der Zukunft“ des Technologieministeriums gefördert. Der Titel des Projekts ist sehr wienerisch: „Leise Wand – Leiwand“.
„Wir forschen an doppelschaligen Fassaden, wie sie bereits vielfach für thermische Zwecke im Einsatz sind“, so Mahdavi. Als einfachstes Beispiel eines doppelschaligen Fassadenelementes nennt er die traditionellen Kastenfenster. Mahdavis Büro im alten Hauptgebäude der TU Wien ist noch mit diesen Fenstern ausgestattet, die innere und äußere Flügel besitzen. „Einfach gesagt könnte man hier nur den oberen Teil außen öffnen, aber den unteren Teil innen: Dann muss der Schall um eine Ecke gehen und wird abgeschwächt.“
Die Forschungen folgen diesem Ansatz, aber mit moderneren Mitteln. Wie bei einem Puzzlespiel wurde ein modulares System erarbeitet, bei dem man die äußere Schale an bestimmten Stellen öffnen kann und die innere Schicht an dazu versetzten Stellen, sodass die Luft und der Schall längere Wege zurücklegen müssen. „Die Labormessungen zeigen eine bescheidene Verbesserung des Schallschutzes, bedingt durch die Reflexionen an den einzelnen Schalen“, sagt Mahdavi.
Eine weitere Verstärkung des Effekts ist durch schallschluckende Materialien zwischen den beiden Fassadenschalen möglich. „Akustische Absorber sind meist bekannt als Schaumstoffausführungen. Doch inzwischen gibt es sogar transparente Schallabsorptionsstoffe: Diese könnte man einsetzen, um Schall abzuschwächen, ohne den Lichteinfall zu behindern“, erklärt Mahdavi. Diese beiden „passiven“ Methoden kann man einfach kombinieren, um den Schallschutz zu verbessern.
Technologie schluckt Schall
„Die dritte – technisch anspruchsvolle – Maßnahme wäre eine aktive Lärmunterdrückung“, sagt Mahdavi. Die Technologie ist von „Anti-Lärm-Kopfhörern“ bekannt und heißt Noise Cancelling. Kleine Mikrofone nehmen den eintreffenden Schall auf und melden an kleine Lautsprecher, mit welcher Art von Schallwellen man den eintreffenden Schall neutralisieren kann. Die Gegenwelle trifft auf die Schallwelle und löscht sie damit gewissermaßen aus. Diese Technologie benötigt natürlich Elektronik und Strom, aber viel weniger als eine volle Kühlung und Lüftung eines Gebäudes.
Raumakustik und Labortests
„Wir untersuchen derzeit, was nötig wäre, um den Schallschutz-Effekt unserer Fassade mit einer solchen Noise-Cancelling-Technologie zu erhöhen“, sagt Mahdavi.
Das Projekt läuft noch bis März 2016 und wird – basierend auf Raumakustik-Berechnungen und Laborergebnissen – eine Liste an Möglichkeiten vorschlagen, wie doppelschalige Elemente in Zukunft Ruhe in einen gelüfteten Raum bringen können. (Von Veronika Schmidt, Die Presse)