Kategorie Innovation & Technologie - 14. April 2023
Suche nach Leben im Jupitersystem: Technik aus Österreich mit an Bord
Die Jupiter-Sonde „JUICE“ (Jupiter Icy Moons Explorer) erforscht den größten Planeten unseres Sonnensystems und seine Eismonde. Auch Wissenschaft und Technologie aus Österreich helfen an Bord der Raumsonde, weit entfernt von der Erde nach möglichen Voraussetzungen für Leben zu suchen.
JUICE ist am 14. April um 14:14 erfolgreich zum bisher am weitesten entfernten Ziel der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) gestartet. Sie hob vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana ab und wird acht Jahre lang auf der Reise zu ihrem Ziel sein, dem Jupitersystem. Dort sind mehr als 90 Monde bekannt, die vier größten sogenannten Galileischen Monde – Kallisto, Ganymed, Europa und Io – mit Durchmessern zwischen 5262 und 3122 Kilometern wurden bereits 1610 von Galileo Galilei entdeckt. Die Raumsonde wird die drei erstgenannten Monde genauer ins Visier nehmen, da unter ihrer äußeren Eisschicht Wasser und damit potenzieller Lebensraum vorhanden ist. JUICE wird diese faszinierenden Welten genauer erforschen, um unter anderem mehr über die Größe und Zusammensetzung der Ozeane zu erfahren.
Komplexe Flugbahn spart Treibstoff
Insgesamt wird JUICE acht Jahre unterwegs sein, bevor die Raumsonde im Juli 2031 das Jupitersystem erreicht, um dort dreieinhalb Jahre verschiedenste Messungen durchzuführen. Im Dezember 2034 verlässt JUICE die Jupiter-Umlaufbahn und schwenkt in eine stabile Umlaufbahn um Ganymed ein. Am Ende der Mission wird die Raumsonde auf der Oberfläche des Mondes zum kontrollierten Absturz gebracht.
JUICE muss mehrmals an Erde, Mond und Venus vorbeifliegen, um eine höhere Geschwindigkeit zu erreichen und die notwendigen Kursänderungen durchführen zu können. Mehr als die Hälfte des Startgewichts von 5,2 Tonnen ist Treibstoff, mit dem JUICE bis zum Ende der Mission auskommen muss. Die komplizierte Flugbahn mit mehreren Vorbeiflügen ist notwendig, um Treibstoff zu sparen. JUICE wird insgesamt 35 Vorbeiflüge an den drei Eismonden Kallisto, Ganymed, Europa absolvieren und ihnen dabei bis auf wenige hundert Kilometer nahekommen. Damit kann die Raumsonde sehr exakte Messungen von Magnetfeldern, Gravitationsfeldern und geladenen Teilchen in der Umgebung durchführen sowie die Oberfläche mit Kameras und Spektrometern in einem weiten Wellenlängenbereich untersuchen. Primäres Ziel ist jedoch Ganymed, der größte Mond des Gasriesen Jupiters und der einzige Mond im Sonnensystem, der sein eigenes Magnetfeld erzeugt.
Österreich an Bord von JUICE
JUICE hat zehn hochmoderne Instrumente an Bord – darunter die leistungsstärksten Nutzlasten, die jemals ins äußere Sonnensystem geflogen sind. Neun der Instrumente werden von europäischen Partnern geleitet und eines von der NASA. Österreich ist eines von 23 Ländern, das an JUICE beteiligt ist – mit Industrie, Technologie, Wissenschaft und Forschungsinfrastruktur.
Während der mehr als zehn Jahre im Weltraum wird die Jupitersonde von Thermalisolation „made in Austria“ vor Hitze und Kälte geschützt. Eine besondere Herausforderung ist der immense Temperaturbereich: Bevor die Sonde in das -230 °C kalte Jupitersystem gelangt, wird sie beim Vorbeiflug an der Venus einer Temperatur von +250 °C ausgesetzt. „Die Thermalisolation besteht aus mehreren Schichten hauchdünner Spezialkunststofffolien, die im Vakuum des Weltraums die Isolationswirkung einer meterdicken Ziegelmauer erzielen“, erläutert Kurt Kober, Geschäftsführer von Beyond Gravity Austria. Produziert wurde der Thermalschutz im Thermalproduktionswerk von Beyond Gravity in Berndorf, Niederösterreich. „Fast alle Satelliten der ESA werden durch Thermalisolation aus Berndorf vor den extremen Temperaturen im All geschützt.“
Das Testen der Funkverbindung zum Auslesen der wichtigsten Parameter über den „Gesundheitszustand“ des Satelliten, zur Steuerung von JUICE und die Überprüfung des Downlinks der Instrumentendaten zur Erde erfolgen über ein in Österreich entwickeltes hoch-zuverlässiges und präzises Testequipment. „Die Test- und Telekommunikationstechnologie von Terma begleitet JUICE schon über viele Jahre und erstreckt sich vom Zusammenbau der ersten Satellitenmodule bis zu dem Zeitpunkt, wo der Satellit die Erde an Bord der Ariane-5-Rakete verlässt“, erklärt Hans Martin Steiner, Leiter der Abteilung für Bodensysteme.
GeoSphere Austria ermöglichte die Kalibrierung der Magnetfeldsensoren im Conrad Observatorium. Dieses befindet sich ca. 50 Kilometer südwestlich von Wien auf dem Trafelberg, Niederösterreich, knapp über 1000 m Seehöhe und ist fast zur Gänze unterirdisch angelegt. Das garantiert, unter anderem, über das ganze Jahr hinweg konstante Temperaturbedingungen für die eingesetzte Messtechnik. „Die Abgeschiedenheit des Standortes bietet eine magnetisch völlig ungestörte Umgebung, die gemeinsam mit dem Betrieb von hochgenauen Referenzgeräten die geforderte Genauigkeit bei der Kalibrierung der JUICE-Magnetfeldsensoren ermöglichte“, erklärt Roman Leonhardt, Leiter des Conrad Observatoriums.
Instrumente aus Graz
Das Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) ist insgesamt an drei Instrumenten beteiligt. Das IWF kalibrierte die Antennen des Radiowelleninstruments mittels numerischer Simulationen eines Computermodells und einer experimentellen Methode, bei der ein metallisches, vergoldetes Modell der Raumsonde im Maßstab 1:40 verwendet wurde. Außerdem ist das IWF rein wissenschaftliches Mitglied im Team des Teilchenspektrometers. In Kooperation mit dem Institut für Experimentalphysik der TU Graz wurde ein neuartiges Quanteninterferenz-Magnetometer entwickelt.
Das Grazer Instrument ist Teil eines 3-Sensoren-Magnetometers, das zusammen mit dem Imperial College London und der TU Braunschweig gebaut wurde, um speziell die Ozeane unter der eisigen Oberfläche der Jupitermonde zu untersuchen. Die Eismonde bewegen sich durch das Magnetfeld des Jupiters. Dadurch werden im flüssigen Wasser unter dem Eis elektrische Ströme induziert, die ihrerseits Magnetfelder erzeugen. „Mit der Magnetfeldmessung können wir sprichwörtlich in die Monde hineinschauen. Je genauer wir das Magnetfeld kennen, umso besser lassen sich die tiefliegenden Ozeane erforschen“, so Werner Magnes, Leiter der Magnetometer-Gruppe am IWF. Der Grazer Sensor sitzt am Ende eines zehn Meter langen Auslegers der Sonde, damit er den magnetischen Störungen durch den Satelliten möglichst wenig ausgesetzt wird.
Die TU Graz entwickelte die optische Quanten-Sensorik des Magnetometers, das IWF steuerte die weltraumtaugliche Elektronik bei. Der Sensor muss extrem robust sein und unter seinem Thermalschutz Temperaturen zwischen +90 °C und -180 °C aushalten. „Unser Sensor verwendet mehrfach moduliertes Laserlicht, um das Magnetfeld in einer mit Rubidium gefüllten Glaszelle zu messen. Das angewandte Messprinzip ist dem einer Atomuhr nicht unähnlich“, erläutert Projektleiter Roland Lammegger von der TU Graz. Die Präzision des Grazer Sensors ermöglicht die Messung kleinster Magnetfeldschwankungen, aus denen die Größe der Ozeane bestimmt werden kann. Das Grazer Team spielt damit eine zentrale Rolle bei dieser großen Wissenschaftsmission. „JUICE und auch zukünftige Missionen zu den Eisriesen unseres Sonnensystems sind unerlässlich, um diese individuellen Objekte und die Entstehung des Sonnensystems zu verstehen. Diese Forschung ist wesentlich für die Beantwortung der Frage nach der Vielfalt planetarer Spezies innerhalb und außerhalb unseres Heimatplanetensystems“, betont IWF-Direktorin Christiane Helling.
Meilenstein für die heimische Raumfahrt
Die Industriebeiträge von Beyond Gravity Austria und Terma wurden aus dem ESA-Pflichtbeitrag Österreichs finanziert. Entwicklung und Bau der wissenschaftlichen Instrumente wurden von der Agentur für Luft- und Raumfahrt (ALR) der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) über das Wahlprogramm PRODEX der ESA sowie das nationale Weltraumprogramm ASAP ermöglicht. Die ESA- und ASAP-Mittel wurden vom BMK bereitgestellt. Die komplementäre Finanzierung der Instrumente wurde durch die ÖAW und die TU Graz ermöglicht, deren zuständiges Ministerium das Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung ist.
„Wir sind sehr stolz darauf, dass wir die substanzielle Beteiligung Österreichs an dieser außergewöhnlichen Mission ermöglichen konnten und mit einem ausgewogenen Mix an ASAP- und ESA-Finanzierung die Mission seit mehr als 10 Jahren intensiv betreuen. Die JUICE-Mission ist ein weiterer Meilenstein in der österreichischen Raumfahrt, die einmal mehr die nationale wissenschaftliche Exzellenz und Wettbewerbsfähigkeit unterstreicht“, so Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG.
Service
Jupiters Eismonde bekommen Besuch aus Österreich (oeaw.ac.at)