Kategorie Innovation & Technologie - 2. Februar 2016
Forschung und Fußball: Damit im Spiel um den Ball alles rundläuft
Was macht einen guten Trainer aus? Darüber zerbricht sich der Fußballfan den Kopf. Ernst Happel hatte darauf wie üblich eine kurze Antwort: „Dieser Beruf verlangt Naturbegabung. Wissenschaftlich kann man ihn nicht erlernen.“ Die Fußballwelt ist inzwischen aber eine andere: Dieser Sport bewegt heute Milliarden – in den Stadien, vor den Fernsehgeräten – und auf den Kapitalmärkten. Kein Verein kann es sich leisten, etwas dem Zufall zu überlassen. So kommt auch häufiger die Wissenschaft ins Spiel.
Am Institut für Sportwissenschaft der Universität Wien beschäftigt man sich etwa mit der Frage, wie sich die individuelle Leistung eines Spielers präzise ermitteln lässt. Ob jemand ein guter Kicker ist, liegt nämlich nicht im Auge des Betrachters, sondern setzt sich aus zahlreichen Faktoren zusammen.
Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderte Projekt „WiMoiS“ soll am Ende zu einem Analysemodell führen, mit dem sich die Einzelleistungen der Akteure besser bewerten lassen. Dass jeder Spieler heute auf Herz und Nieren durchleuchtet wird, ist keine Neuheit: Der gläserne Profi ist längst Realität. Jedoch ist laut Projektmitarbeiter Roland Leser vielen Kickern immer noch nicht die Tragweite jener Informationen klar: „In diesen Daten liegt derzeit das größte Potenzial für die Spielanalyse. Jedoch werden diese Werte in ihrer Tiefe bisher noch gar nicht genutzt.“
Analyse des Spielerverhaltens
Damit sich das ändert, verbinden die Wiener Forscher Sportwissenschaft und Informatik: Ausgehend von einer umfangreichen Analyse von Leistungsdaten, Positionswerten und Videoaufnahmen, soll eine Software entstehen, die diese Informationen kontextualisiert und dadurch das Spielerverhalten analysiert.
Mannschaftssportarten wie der Fußball sind so schwierig zu durchmessen, weil sie ein vielgestaltiges Zusammenwirken zahlreicher Interaktionen vieler Akteure sind. Leser: „Das Problem einer objektiven Leistungsbewertung ist die Komplexität des Spiels: Keine Situation gleicht einer anderen ganz genau.“
Dass man auch deshalb im Fußball nicht alles dem Computer überlassen kann, zeigt, dass sich Leser und seine Kollegen nicht nur auf die Daten stützen, sondern auch auf Erfahrungswerte aus dem Sport setzen: Diese Entwicklungsarbeit entsteht im Dialog mit Experten aus der Praxis.
Sensible Forschung
Auch Dietmar Wallner pflegt einen engen Kontakt zu Profis: Der Leiter des Sportwissenschaftlichen Labors der FH Joanneum in Graz greift regelmäßig Fußballvereinen bei der Leistungsdiagnostik unter die Arme. Unter anderem kooperiert man mit der Fußballakademie Steiermark Sturm Graz, aber Wallner und sein Team sind auch international im Einsatz.
Die Clubs werden über den Leistungsstand ihrer Profis informiert, das Labor erhält im Gegenzug neue Daten: „Forschung im Leistungssport ist eine sensible Angelegenheit, weil diese Informationen vertraulich sind. Unsere Partner erlauben, diese Daten anonymisiert zu publizieren.“
Eine Kooperation zwischen Wissenschaft und Sport pflegt man auch am Management Center Innsbruck (MCI): Ein Team von Mechatronikern kooperiert mit dem FC Wacker Innsbruck bei der Entwicklung des „Footbomaten“, einer Ballschussmaschine für das Torwarttraining. Solche Geräte sind im Fußballtraining längst im Einsatz – laut Projektleiter Bernhard Hollaus werden sie heutigen Erfordernissen aber nicht gerecht, da sie Bälle nur in monotonen Abfolgen schießen. „Klassische Ballfolgen können die aktuellen Geräte nicht simulieren. Unsere Idee ist es, Spielsituationen viel realistischer nachzuahmen.“
Die Ballschussmaschine
Der Footbomat konfrontiert den Torwart mit einem Programm aus Torschüssen, Abschlägen, Flanken und Pässen in wechselnder Abfolge. Der Prototyp wird derzeit schon bei Wacker eingesetzt und ist mit einer menschenähnlichen Schusskraft ein lebensechter Trainingspartner: In Zukunft soll der Automat auch das Schussverhalten individueller Spieler nachahmen und damit Freistöße wie Cristiano Ronaldo schießen können.
Da aber kein Torwart gegen einen Spieler allein spielt, ist es mit einem Automaten nicht getan: Deshalb arbeiten Hollaus und sein Team nun an einer Lösung, die mehrere Ballschussgeräte effizient verknüpft. Derzeit weiß eine Maschine nichts von der Existenz der anderen. Für realistischere Abläufe werden die Automaten vernetzt.
Technik kann hilfreich sein. Wenn es aber im Kopf Blockaden gibt, hilft alles nichts: Die Sportpsychologin Mirjam Wolf von der Universität Innsbruck setzt sich mit der Persönlichkeitsentwicklung von Sportlern auseinander, einem Aspekt, der erst seit ein paar Jahren in den Fokus der Forschung rückt.
Händeschwitzen bei Wettkampfangst
Zuletzt beschäftigte sich Wolf mit dem Phänomen der Wettkampfangst und führte dazu mit ihrem Kollegen Martin Kopp unter Nationalspielerinnen des ÖFB eine Studie durch. „Wettkampfangst als solche kann man nicht klar definieren. Sie kann sehr unterschiedlich aussehen: Neben verschiedenen Symptomen auf der kognitiven Ebene wie etwa dem Gedanken zu versagen kann sich die Wettkampfangst auch auf der somatischen Ebene durch Herzrasen, vermehrtes Händeschwitzen, flaues Gefühl oder Übelkeit bis hin zum Erbrechen äußern“
Eine grundsätzliche Tendenz konnte Wolf aber ermitteln: Eine ausgeprägte Wettkampfangst steht vor allem mit einem allgemeinen Hang zum Neurotizismus in Beziehung. Dabei stellte sich auch in der über ein Jahr lang durchgeführten Untersuchung heraus, dass sich diese Angst durch sportpsychologische Maßnahmen wie Emotionskontrolle oder psychomotorisches Training reduzieren lässt. (Johannes Lau, Der Standard, 3.2.2016)