Kategorie Energie - 28. Februar 2022

Krieg gegen die Ukraine: Keine Einschränkungen bei der Gasversorgung in Österreich zu befürchten

Um das Thema der aktuellen Erdgasversorgung Österreichs im Lichte des russichen Invasion in der Ukraine zu beraten, hat Klimaschutzministerin Leonore Gewessler für den morgigen Dienstag den Energielenkungsbeirat einberufen. Das Gremium, dem Vertreter verschiedener Ministerien, der Sozialpartner, des Regulators E-Control, der gesamten Energiewirtschaft sowie der Parlamentsparteien angehören, soll dabei auch mögliche Szenarien zur Versorgungssicherheit diskutieren.

© APA / Foltin

Bereits im Vorfeld betonen Energieexpert:innen jedoch, dass die Versorgung aller österreichischen Haushalte mit Gas sichergestellt ist. Österreich bezieht zwar rund 80 Prozent seines fossilen Erdgases aus Russland, derzeit treffen aber Lieferungen weiterhin ein und sollen laut Russland auch fortgesetzt werden. Angesichts der aktuell volatilen Lage infolge der Invasion und den entschlossenen europäischen Sanktionen als Reaktion auf den russischen Krieg sind weitere Entwicklungen allerdings nur schwer einzuschätzen.

„Die aktuelle Lage ist ernst und wir beobachten sie genau. Gemeinsam werden wir die Energieversorgungslage Österreichs neu beurteilen und auch über mögliche weitere, breit getragene, Maßnahmen zur Energielenkung diskutieren. Immer mit dem Ziel, die Gasversorgung in Österreich sicher zu stellen und die österreichischen Haushalte gut über den Winter zu bringen“, so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler. Immerhin wird im Winter dreimal so viel Gas verbraucht wie im Sommer.

„Gasversorgung der Haushalte gesichert“

Auch hier sehen Energieexpert:innen aber keine unmittelbare Gefahr und haben diese Szenarien für Österreich skizziert: Bei einem Ausfall sämtlicher Gaslieferungen aus Russland und einem überdurchschnittlich kalten Winter würde der gesamte Erdgas-Bedarf in Österreich bis Ende März gedeckt werden können.

Bei einem Ausfall der Gaslieferungen und einem durchschnittlichen Winter wäre der gesamte Bedarf bis Ende April gedeckt. Sollte sich die Lage verschärfen, könnten dann über das Energielenkungsgesetz staatliche Eingriffe vorgenommen werden, um auch bei einem Wegfall der Gaslieferungen die Versorgung der Haushalte zu gewährleisten.

Derzeit seien die Gasspeicher in Österreich zwar wesentlich leerer als sonst um diese Zeit, aber seit der Gaskrise im Jahr 2009, als der Gasfluss über die Ukraine unterbrochen war, wurde die Speicherkapazität verdoppelt. Das derzeit eingespeicherte Gas entspricht ungefähr einem Viertel des Jahresverbrauchs und würde, selbst wenn gar kein Gas mehr beim Gashub Baumgarten ankommen würde, ohne weitere Maßnahmen etwa bis Ende März ausreichen.

Auch die E-Control bestätigt, dass man diesen Winter wohl keine Probleme mit der Gasversorgung bekommen wird. Selbst wenn alle Lieferungen aus Russland gestoppt würden, reichen die Vorräte in den Gasspeichern und die übrigen Gaslieferungen aus. Derzeit würde aus den Gasspeichern so gut wie kein Gas entnommen, in den vergangenen Tagen wurde sogar etwas eingespeichert.

Österreich ist bei Gas stark von Russland abhängig: Ein Großteil des in Österreich verbrauchten Erdgases – 2020 waren das rund 8,5 Milliarden Kubikmeter – stammen vom russischen Gasmonopolisten Gazprom, mit dem es langfristige Lieferverträge gibt, die derzeit auch eingehalten werden. Trotz des Angriffs russischer Truppen auf die Ukraine liefert Russland weiter Erdgas nach Europa. Der Gasfluss durch die Pipeline im Nachbarland Ukraine sei im „Normalmodus“, bestätigte ein Gazprom-Sprecher.

 

Knapp ein Zehntel des in Österreich verbrauchten Gases wird in Österreich selbst gefördert, der Rest wird aus anderen Ländern importiert, etwa aus Norwegen. Nach wie vor ist Österreich bei der Energieversorgung zu rund zwei Dritteln von fossilen Energieträgern abhängig, zwei bis drei Milliarden Euro pro Jahr werden allein für Erdgas-Importe ausgegeben.

Expert:innen zufolge wird man sich mit Blick auf den nächsten Winter und einer weiteren Eskalation des Russland-Ukraine-Konflikts nach anderen Bezugsquellen umsehen müssen, um die Abhängigkeit von russischem Gas zu verringern. Mögliche Alternativen wären dabei Flüssiggas und Wasserstoff.

Ausbau der Erneuerbaren essentiell

Fakt bleibt aber: Erdgas als fossiler Energieträger und dessen Verwendung hat mit Blick auf die Klimaneutralitäsziele von Österreich und Europa ein relativ zeitnahes Ablaufdatum. Als tatsächliche Lösung aller aktuellen und künftigen Versorgungsengpässe kommt nur ein weiterer massiver Ausbau Erneuerbaren Energien in Frage. „Bis zum Ende des Jahres sehen wir keine Entspannung, die Preise werden auf hohem Niveau bleiben. Denn auch wenn die Heizsaison zu Ende ist, müssen etwa beim Gas die Speicher gefüllt werden – die Nachfrage bleibt also hoch und damit auch der Preis“, so Karina Knaus von der Österreichischen Energieagentur gegenüber dem Tech-Magazin Trending Topics.

„Erneuerbare – Energie aus Wasser, Wind und Sonne – sind die Chance die Abhängigkeit von teurem und umweltschädlichen Erdöl und Erdgas zu verringern und gleichzeitig die Preise für Energie zu senken. Die Preistreiber derzeit sind alle Fossil: Also Erdöl und damit Treibstoffe und Heizöl und Erdgas. Sie treiben auch die Inflation. Wir erleben gerade eine so genannte Fossilflation.“

So müssen nicht nur in Österreich sondern auch auf europäischer Ebene grundlegende Veränderungen in der Energieversorgung ins Auge gefasst werden. Die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern steht dabei mittel- & langfristig als Ziel im Zentrum der Energiewende.Gas zeigt uns jetzt sein hässliches Gesicht. Es ist schlecht fürs Klima, macht uns verwundbar und schadet damit der Wirtschaft und den Menschen“, so Gewessler am Rand des außerordentlichen Treffens der EU-Energieminister:innen in Brüssel. „Gas macht uns zum Spielball für russische Interessen. Darum müssen wir raus aus den Fossilen und rein in die Erneuerbaren. Im außerordentlichen Energie-Rat konnte ich mich nochmal klar für die Erneuerbaren-Energie-Richtlinie und die Energie-Effizienz-Richtlinie auf EU-Ebene aussprechen. Denn jedes Windrad & jede #PV-Anlage bringen uns ein Stück weiter in die Unabhängigkeit.“

Um in aktueller Situation bestmöglich auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein, hat das Klimaschutzministerium (BMK) nun bereits den Energielenkungsbeirat einberufen. Beim morgigen ersten Treffen wird über die aktuelle Gasversorgungslage und mögliche Szenarien beraten. Mögliche Energielenkungsmaßnahmen haben immer das Ziel, Österreich gut durch eine Gasknappheit zu bringen. Zu den Möglichkeiten zählen etwa die vorrangige Lieferung von Gas an Haushalte und ein Drosseln von Gaslieferungen an die Industrie.

Im Fall einer unmittelbar drohenden Störung der Energieversorgung könnte man – wie schon 2009 – zunächst die Großverbraucher ersuchen, ihren Verbrauch freiwillig zu reduzieren. Sollte das nicht ausreichen, könnte das BMK per Verordnung „Energielenkungsmaßnahmen“ anordnen – dann dürfte beispielsweise Gas aus Speichern in Österreich nicht mehr exportiert werden. In einem weiteren Schritt wäre es auch möglich, eine Verbrauchsreduktion bei industriellen Verbrauchern anzuordnen.

Dem Beirat gehören folgende Einrichtungen und Behörden an

  • Vertreter:innen aus dem Klimaschutzministerium (BMK), dem Bundeskanzleramt (BKA); dem Außenministerium (BMEIA), dem Finanzministerium (BMF), dem Innenministerium (BMI), dem Verteidigungsministerium (BMLV), dem Wirtschaftsministerium (BMDW) und dem Landwirtschaftsministerium (BMLRT)
  • Interessensvertreter:innen der Wirtschaftskammer, der Landwirtschaftskammer, der Gewerkschaft, der Arbeiterkammer und der Industriellenvereinigung
  • Vertreter:innen der Bundesländer
  • Expert:innen der E-Control, der E-Wirtschaft, der Mineralölindustrie, des Energiehandels und der Gas- und Wärmeversorgung
  • Die im Hauptausschuss des Nationalrates vertretenen Parteien
Die Einberufung des Energielenkungsbeirates ist im Energielenkungsgesetz vorgesehen, um sicherzustellen, dass Österreich auch im Krisenfall bestmöglich mit Energie versorgt wird. Entsprechende Maßnahmen werden in diesem Rahmen transparent diskutiert. Sollte sich die Lage zur Gasversorgung tatsächlich verschärfen, kann das BMK eine Energielenkungsmaßnahmenverordnung erlassen. Diese ist standardisiert vorbereitet und wird im Hauptausschuss des Nationalrates beschlossen. Bei Gefahr im Verzug kann das Klimaschutzministerium die Verordnung notfalls auch ohne diese vorherige Zustimmung erlassen.