Kategorie Innovation & Technologie - 23. Juni 2017
Maschinen in der Pflege: Wenn Roboter Teil des Lebens werden
Wien – Eine der bekanntesten österreichischen Entwicklungen in der Robotik hört auf den Namen „Hobbit“. Der Pflegeroboter, der in den vergangenen Jahren an der TU Wien entwickelt wurde, soll in Zukunft durch die Wohnumgebung älterer Menschen patrouillieren, Stürze erkennen und Hilfe holen, Gegenstände aufheben und an Termine erinnern sowie Spiel, Unterhaltung und Fitnessfunktionen anbieten.
Hobbit soll auf seinen pflegebedürftigen Menschen aufpassen. Aber auch der Mensch soll sich um Hobbit kümmern. „Der Roboter wird nicht alles perfekt können. Das wollten wir nutzen, um die Bindung zwischen Mensch und Roboter zu stärken“, erklärt Lara Lammer vom Institut für Automatisierungs- und Regelungstechnik der TU Wien das zugrunde liegende „Mutual Care“-Konzept. So könnte Hobbit um Hilfe bitten, wenn er die Brille holen soll, sie aber nicht findet.
Lammer hat an der Konzeption des Roboters mitgewirkt. Hobbit fällt in die Kategorie der sogenannten Begleitroboter. Er soll in erster Linie die Angst vor Unfällen im eigenen Heim mildern und so beitragen, dass die Entscheidung für den Umzug ins Altersheim hinausgezögert wird. Begleitroboter sind aber nur eine von vielen Anwendungen, die die Zukunft der Robotik bereithalten und Teil einer intelligenten, den Menschen sinnvoll unterstützenden Wohnumgebung sein können, auch Ambient Assisted Living genannt.
Die Zukunft der Robo-Assistenz war eines der Themen, das am Dienstag bei der Wiener Informationstechnologiekonferenz Imagine im Vordergrund stand. Die gemeinsam mit dem Austrian Computer Science Day veranstaltete Tagung soll heimische Forschung sichtbar machen und einen Vorgeschmack auf die Informations- und Kommunikationstechnologie der Zukunft geben. Die Veranstaltung wird vom Verkehrs- und Technologieministerium, der Förderagentur FFG und Informatik Austria organisiert.
Nicht nur Humanoide
Robotikforscherin Lammer gab dabei einen Überblick über mögliche Ausprägungen künftiger robotischer Assistenten. Diese müssen anders als Hobbit keineswegs annähernd humanoide Formen annehmen. Abzusehen seien etwa Entwicklungen im Bereich der primären Mobilitätshelfer – etwa Gehhilfen, intelligente Rollstühle oder gar gehirngesteuerte Exoskelette, die Körperglieder stützen oder beim Muskelaufbau helfen. Sekundäre Mobilitätshelfer tragen dagegen Einkaufstaschen oder bringen Dinge herbei.
Roboter, die vielfältige Tätigkeiten im Haushalt übernehmen, werden oft in menschlicher Gestalt konzipiert. Kaum eine Entwicklung sei hier bisher über das Stadium eines Prototyps hinausgekommen, sagt Lammer. Andere Entwickler wollen Roboter auf menschliche Emotionen reagieren lassen – wie Pepper, eine französisch-japanische Entwicklung, die dank Gesichtserkennungsalgorithmen menschliche Emotionen interpretiert. Paro, ein Therapieroboter in Form einer Robbe, reagiert auf Streicheleinheiten mit Geräuschen und Bewegungen und soll bei Demenz und Depressionserkrankungen helfen.
Schräge Roboter
Wenn Robotern künftig derart große Bedeutung zukommt, sollten sie auch schon früh eine Rolle in der Bildung spielen. Diesem Gedanken folgend, hat Lammer ein pädagogisches Konzept erarbeitet, durch das Schüler jeden Alters an das Thema anknüpfen können.
In dem Projekt „Schräge Roboter“, gefördert vom Wissenschaftsfonds FWF, durchlaufen die Kinder einen vereinfachten Produktentwicklungsprozess – von der Ideenfindung bis zur Präsentation des Prototyps. „Es geht darum, Probleme zu finden, die aus dem Alltag der Kinder kommen“, sagt Lammer. „Dann wird überlegt, wie man diese Probleme mit Robotertechnik lösen könnte.“
Studierende aus Lammers entsprechender Vorlesung schwärmen für die Workshops in Schulen aus. Schüler und Studierende arbeiten zusammen, Lehrer bleiben im Hintergrund. Die Kinder werden in einen interdisziplinären Ansatz involviert und erfahren, dass für die Entwicklung eines Roboters längst nicht nur Techniker benötigt werden. Die Klasse splittet sich in Designer, Psychologen und ein Marketingteam. „Jedes Kind soll seinen eigenen Zugangspunkt finden und verstehen, dass es Menschen aus allen Bereichen braucht, um eine derart komplexe Aufgabe zu erledigen“, erläutert Lammer. Kreatives und kritisches Denken, Kommunikations- und Kollaborationsfähigkeit sollen vermittelt werden.
Eine Katze auf zwei Beinen
Die jungen Roboterbauer gestalten ihren Prototyp aus Plastilin oder gemeinsam mit den Studierenden aus elektronischen Bauteilen. Im laufenden Semester sind 128 elf- bis dreizehnjährige Schüler in sieben Gruppen bei der Arbeit. Lammer sagt, es stimme sie nachdenklich, dass ein Großteil der Kinder Roboter als Abbild von Menschen versteht. Dabei gibt es so viele Anknüpfungspunkte für die Fantasie. Ronja aus einer zweiten Klasse eines Gymnasiums möchte etwa aus „Kamera, Sensoren, Motoren, einen Mikrocontroller, Akku, Programme, Gelenke und einer Hülle“ einen Roboter bauen, der „wie eine Katze auf zwei Beinen“ aussieht. Seine Aufgaben: „Blumen gießen, Schreibtisch aufräumen, Terrarium pflegen“. (Alois Pumhösel, 23.6.2017)