Kategorie Innovation & Technologie - 7. Juni 2016
Mit Roboter YuMi spielend lernen
Roboter kennen wir aus unserem Privatleben, etwa als selbstfahrende Rasenmäher in Gärten oder als Staubsauger für Wohnungen. Diese Geräte arbeiten mit ein paar Sensoren und basieren auf sehr einfachen Konzepten. Sie fahren ein zufälliges Muster ab oder sind in der Lage, von ihrer Umgebung eine einfache „Landkarte“ zu erstellen, erläutert Rosemarie Velik.
Im industriellen Verständnis nahm man früher Roboter als schwere, gefährliche Maschinen hinter einem Schutzzaun wahr. Sie führten wiederkehrende Bewegungen aus. Weder konnten sie ihre Umgebung wahrnehmen, noch auf diese reagieren. Ziel der Forschungsarbeit sei es nun, so Velik, Roboter mit kognitiven Fähigkeiten und mit mehr Autonomie auszustatten. Eine effiziente und sichere Mensch-Roboter-Kollaboration soll ermöglicht werden. Wie verhält sich der Roboter in der Produktionshalle, wenn es keinen Schutzzaun mehr zwischen ihm und dem Menschen gibt? Wie sind die Greifmechanismen auszuführen? Was passiert, wenn die Steuerungsprogramme von außen gehackt werden? Das sind Fragen, die die Forscher am Institut für Robotics der Joanneum Research in Klagenfurt beschäftigen.
Kleine Losgrößen verlangen Flexibilität
Die Industrie verlange von Robotern aktuell anpassungsfähigere Konzepte, als sie zu leisten imstande sind. „In der Autoindustrie muss bei der Fahrzeugproduktion auf viele Sonderwünsche von Kunden eingegangen werden. Dadurch werden die Losgrößen je Variante immer kleiner – oftmals bestehend aus nur einem Stück. Vom Roboter wird flexibleres Verhalten gefordert“, sagt Velik.
Die Wissenschaftlerin setzt ihre Forschungsschwerpunkte auf die Kognitive Robotik: Maschinen sollen mit menschenähnlichen Merkmalen des Denkens, Wahrnehmens, Interagierens und Lernens ausgerüstet werden. Neben Resultaten der klassischen – mathematisch-algorithmisch geprägten – künstlichen Intelligenz berücksichtigen die Forscher für die Entwicklung leistungsfähigerer Methoden auch Erkenntnisse der Gehirnforschung.
Die Funktionsweise des menschlichen Gehirns sei immer noch nicht vollständig bekannt. „Die Wissenschaft versteht zwar, wie ein menschliches Neuron aufgebaut ist und wie es mathematisch abgebildet werden kann. Aber es kommt darauf an, die hierarchisch aufgebauten Subsysteme und deren Zusammenwirken zu erkennen und die einzelnen Neuronen und Vernetzungen für die künstliche Intelligenz richtig miteinander zu verschalten“, erklärt die Forscherin.
Daher sei das Erlernen dieser Systeme ein großes Thema, um künstliche Intelligenz zu erforschen. „Im Institutslabor steht unser Lernroboter YuMi. Diese Abkürzung steht für You and Me und soll die Zusammenarbeit von Mensch und Maschine aufzeigen. Er besteht aus zwei Armen zum Greifen, einer Kamera fürs Sehen und der Steuerungselektronik“, so die Forscherin.
Der Roboter bekomme über ein Computerprogramm die Aufgabe erteilt, mit Bausteinen unterschiedlicher Größe, Form, Farbe und Werkstoffe – weiche und harte – zu spielen. Er soll seine Umgebung kennenlernen. Dieses Lernen könne teilweise mit bereits etablierten künstlichen Intelligenzkonzepten bewältigt werden. Damit die Lernfähigkeit gesteigert wird, entwickelt das Institut neue Lösungsansätze.
„Neben meinem Studium, das fast ausschließlich technische Themen behandelte, haben mich schon immer Fächer wie Biologie, Medizin und Gehirnforschung sehr angesprochen. Wann immer es mir möglich war, habe ich mich mit diesen Fachgebieten beschäftigt“, so Velik. Ihr Interesse für Medizin konnte sie im spanischen San Sebastián am Departement of Biorobotics and Neuro-Engineering mit ihrer Forschung verbinden. „Dort ging es unter anderem um die Entwicklung von Prothesensteuerungen“, so Velik.
Forscherkarriere und Mutterschaft
Die Doktorin für Computertechnik wurde bereits im Jänner 2015 vom Technologieministerium als FEMtech-Expertin des Monats ausgezeichnet. Rosemarie Velik ist Mutter einer fast zwei Jahre alten Tochter und steht vor der großen Herausforderung, Forscherkarriere und Familie unter einen Hut zu bringen. In ihrer spärlichen Freizeit hat sie eine dreijährige Akupunkturausbildung absolviert. „Den Roboter, der am Patienten eine korrekte Pulsdiagnose durchführt und anschließend die richtigen Akupunkturnadeln an den passenden Stellen setzt, werden wir in absehbarer Zeit aber wahrscheinlich nicht auf den Markt bekommen“, scherzt die Wissenschaftlerin. (Von Wolfgang Dorner, Die Presse)