Kategorie Innovation & Technologie - 24. Juli 2015
Neue Turmbautechnik für Windräder
Der Wunsch nach nachhaltiger Energieversorgung und der steigende Bedarf an Strom erfordern Windkraftanlagen mit immer höherer Energieförderleistung. „Diese kann nur durch umfangreichere Baugrößen und größere Höhen als ohnehin schon sichergestellt werden. Materialermüdung und Stabilität spielen eine große Rolle, was die Frage nach neuen Methoden zum Bau dieser Anlagen nach sich zieht“, sagt Johann Kollegger vom Institut für Tragkonstruktionen an der TU Wien. Er und sein Team haben im Frühjahr 2014 eine neue Turmbau-Technik entwickelt: Die dünnwandigen, leichten Halbfertigteile sollen die Konstruktion von Windradanlagen in Zukunft wirtschaftlicher und zeitsparender machen.
„Herkömmliche Windkraftanlagen werden in Hybridbauweise aus Beton und Stahl errichtet. Der untere Abschnitt besteht aus vollwandigen und großdimensionierten Betonfertigteilsegmenten, die einzeln auf die Baustelle transportiert, trocken aufeinandergestellt und mit Schraubverbindungen fixiert werden“, erklärt Kollegger. Das obere Drittel des Turms besteht aus Stahl.
„Die Errichtung derzeit bestehender Windtürme geht zwar recht schnell vonstatten, doch die Nachteile der Bauweise sind zum einen die hohen Kosten für den Sondertransport der großen Fertigteile und zum anderen die rein durch Vorspannung zusammengehaltenen Fugen. Würden beispielsweise Winde mit Orkanstärke wüten, hielten bisherige Betonbauten den hohen Biegekräften nicht stand und würden in sich zusammenfallen“, sagt Projektkoordinator Ilja Fischer.
Neuneckige Fertigteile
Die Forscher haben ihre Vorkenntnisse im Bereich des Leichtbaus genutzt und ein neues System aus hohlen, rechteckigen Doppelwandelementen konstruiert. Die ringförmigen, neuneckigen Segmente werden im Fertigteilwerk vorgefertigt und auf die Baustelle transportiert. Sie besitzen eine Außen- und eine Innenwand, dazwischen befindet sich ein Hohlraum. Die Bauteile werden mit einem Kran aufeinandergestellt und durch ein Stahltragwerk fixiert. Erst dann wird der Innenraum durchgängig mit selbstverdichtendem Beton ausgegossen. Die Fugen werden abgedichtet, damit der Beton nicht ausfließen kann.
„Ein monolithischer Betonblock ohne Fugen entsteht, der ganz ohne Spannglieder auskommt“, so Fischer. Das spart Gewicht, wertvolle Ressourcen, Kosten sowie Platz: Im Vergleich zu klassischen Betonelementen bringen die Leichtbetonteile nur ein Drittel des Gewichtes auf die Waage und sind wesentlich kompakter. Daher können längere Bauteile von bis zu 14 Metern mit dem Kran gehoben werden. „Man kann für einen Turm zirka eine Woche Bauzeit rechnen, je nach Größe“, sagt Kollegger.
Bauteile ohne Schablone
„Für bisherige Bauverfahren wird für jedes Bauteil eine eigene Schalung benötigt, sprich ein Rahmen, der dem Bauteil als Schablone dient. Diese Schalungen werden in riesigen Werken produziert und haben oft eine lange Anreise zum Zielort hinter sich“, so Fischer. Die von der TU entwickelten Elemente hingegen kommen ohne Schalungen aus und können überall produziert werden. Ein weiterer Vorteil liegt im flachen Design, dadurch passen mehr Elemente auf einen LKW. Das minimiert den CO2-Verbrauch.
Doch die neue Bauweise hat auch einen Nachteil. „Da es sich um Halbfertigteile handelt, fließt auf unserer Baustelle selbstverdichteter Beton, der von unten nach oben gedrückt wird und mit einem Rüttler an die richtigen Stellen transportiert wird. Ist es zu kalt, müssen wir mit dem Betonieren stoppen, da der Beton nicht richtig aushärten kann“, sagt Kolleger. Um diesen Prozess genauer zu untersuchen, laufen aber bereits Forschungen.
Prototyp getestet
Die Wissenschaftler haben am Versuchsgelände der Firma Oberndorfer in Gars am Kamp die neue Methode mit einem Prototyp getestet: Sechs Segmente mit bis zu sechs Metern Höhe und 19 Tonnen Gewicht wurden erfolgreich zusammengebaut. „Nach den bisherigen Erfahrungen ist zu erwarten, dass unsere neue Methode wirtschaftlich ist und sich gegenüber den bisherigen Bauweisen auch in der Serienproduktion etablieren kann.“ Noch offene Fragen sollen sich mit den im Test erhobenen Daten beantworten lassen.
Das bereits europaweit patentierte Verfahren soll besonders für sehr hohe Windkraftanlagen Vorteile bieten. Unterstützt wurde das Projekt mit 140.000 Euro aus der PreSeed-Prototypenförderung der Austria Wirtschaftsservice GmbH (aws). Mit diesen aus dem Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium stammenden Mitteln soll die Vorgründungsphase von anspruchsvollen High-Tech-Unternehmen mit einer Zuschusssumme von maximal 200.000 Euro unterstützt werden. So will man technologischen Innovationen den Weg zur Marktreife ebnen.
Ziel der TU-Forscher ist es nun jedenfalls, mit Firmen ins Gespräch zu kommen, um ihre neue Technologie weiter zu entwickeln und in der Praxis zu erproben.