Kategorie Energie - 14. Dezember 2020
IÖB-Challenge: Die Autobahn als Solarkraftwerk
Ist es möglich, mit Lärmschutzwänden Strom zu produzieren? Die ASFINAG sondiert mit einer IÖB-Challenge den Markt nach möglichen Lösungen.
Lärmschutzwände schützen Anrainende vor dem Lärm der Autobahn. So die bisherige Rechnung dieser Straßenzubauten. Die Lärmschutzfunktion müssen die Wände auch in Zukunft ungemindert erfüllen, doch wie wäre es, die Rechnung durch einen zusätzlichen Faktor zu ergänzen und mit ihnen künftig Öko-Strom zu produzieren? Die Idee ist nicht (ganz) neu – deren Umsetzung möchte die ASFINAG aber möglichst bald vorantreiben.
Das aktuelle Regierungsprogramm sieht vor, die Photovoltaik-Erzeugungskapazität in Österreich deutlich zu erhöhen – ein Ziel, das die ASFINAG unterstützen möchte. Um neue Flächenversiegelungen zu vermeiden, erprobt ein Forschungsprojekt derzeit die Nutzung der vorhandenen horizontalen Flächen durch die partielle Ãœberdachung der Fahrbahn mit PV-Modulen. Dadurch könnten möglicherweise auch andere positive Effekte wie im Falle von Niederschlag entstehen.
4,48 Quadratkilometer oder 1.358 Kilometer Lärmschutzwände gibt es schon jezt entlang der österreichischen Autobahnen und Schnellstraßen. Ein schier riesiges Potential und es erscheint naheliegend, diese Infrastruktur vermehrt mit Photovoltaik Modulen nachzurüsten oder zu ersetzen.
Über eine IÖB-Challenge sondiert die ASFINAG derzeit den Markt nach adäquaten Lösungen. Die Herausforderung dabei: den bestmöglichen Lärmschutz, eine wirtschaftliche Stromproduktion und die Robustheit, die entlang einer Autobahn gefragt ist, unter einen Hut zu bringen.
Die zentrale Frage der Challenge lautet: Wie lassen sich Lärmschutzwände und PV-Module am besten für die Nutzung an Autobahnen kombinieren bzw. integrieren?
Gesucht werden Photovoltaik-Anbieter, Lärmschutz-Errichter und Systemintegratoren, um diese Anforderungen zu erfüllen. Teilnahmen sind wie immer auch durch mehrere Partner gemeinsam möglich.
Einreichungen werden bis zum 25. Jänner 2021 entgegen genommen. Danach ist die Jury der ASFINAG am Zug. Die interessantesten Einreichenden lädt sie zum Abschluss der Challenge zu einem Marktdialog ein. Der mögliche Umsetzungspfad danach: Tests unter Echtbedingungen im Streckennetz des österreichischen Autobahnbetreibers.
Parallel dazu wollen die Verantwortlichen auch die Lärmschutzinfrastruktur für Energiegewinnung nutzen und zur CO2-Reduktion durch Kompensation schadstoffbelasteter Energieproduktion beitragen können. Die ASFINAG und mögliche Lieferanten müssen dafür in neuen Anlagen zwei Ziele unter einen Hut bringen: einen möglichst guten Lärmschutz und eine möglichst gute Energieeffizienz.
Wesentliche Merkmale der im Einsatz befindlichen Lärmschutz-Anlagen sind:
- Steherabstand in der Regel: 4 bis 5 Meter
- Materialien der Kassetten: Holz, Alu, Holzbeton
- Höhe der Kassetten, die gestapelt werden: zwischen 0,5 Meter und 1 Meter
- Höhe der Wände: in der Regel von 2 bis 5,5 Meter
- Betonsockel als Basis
Dabei kann je nach Einsatzort und Zweckmäßigkeit variieren, auf welcher Seite des vertikalen Bauwerks die PV-Elemente sich befinden sollen: der Fahrbahn zugewandt, der Fahrbahn abgewandt oder an beiden Seiten. Um die optimale und praktikable Lösung zu finden und in Zukunft flexibel zu sein, sind für diese Challenge alle sich daraus ergebenden Varianten von Interesse:
1. Neu konzipierte Lärmschutzwände mit Photovoltaik-Bestückung
a. nur auf jener Seite, die der Fahrbahn zugewandt ist.
b. nur auf jener Seite, die von der Fahrbahn abgewandt ist.
c. auf beiden Seiten (sinnvoll bei Nord-Süd Ausrichtung der Strecke).
2. Module für die Nachrüstung bestehender Lärmschutzwände mit Photovoltaik
a. auf jener Seite, die der Fahrbahn zugewandt ist.
b. auf jener Seite, die von der Fahrbahn abgewandt ist.
c. auf beiden Seiten.
Die Vorteile einzelner Varianten (mehr Energieproduktion) liegen ebenso auf der Hand wie die Herausforderungen (Lärmschutz, Montage, Statik, Kosten/Nutzen). Der weitere Projektpfad hängt davon ab, wie Lieferanten (Hersteller oder auch Systemintegratoren) mit Vorteilen und Herausforderungen umgehen können.
Ein entscheidender Faktor ist jedenfalls, dass Anrainer ohne Beeinträchtigung vor Lärm geschützt sind. Zudem kommt es auf die Wirtschaftlichkeit an: Die Mehrkosten müssen in einem ausgewogenen Verhältnis zur Leistung und dem Gegenwert der produzierten Energie stehen. Dabei spielen die Lebensdauer sowie der Erhalt des Wirkungsgrades (> 200 Wp/m², nach 20 Jahren noch >80 Prozent) eine wichtige Rolle.
Soll eine Photovoltaik-Lärmschutzwand tauglich sein, dann muss sie selbstverständlich mit ein paar weiteren Eigenschaften ausgestattet sein:
- Beständigkeit u.a. gegen Steinschläge, Korrosion und Salzeinwirkung (Salzsprühnebelprüfung nach ÖNORM EN ISO 9227)
- Keine Blendung der Fahrzeuglenker (Nachweis durch Blend-Gutachten)
- Keine problematischen Auswirkungen auf die Statik der Lärmschutzwand, zerstörungsfreie Integration der PV Module in die Lärmschutzwand (für Montage und Demontage)
- Zugänglichkeit und Sichtbarkeit von konstruktiven Teilen für die Überprüfung der Lärmschutzwände
- Vorhandensein einer CE Zulassung, ggf. Bauprodukteverordnung (Leistungserklärung)
- Einfache Reinigung ( Selbstreinigung, eventuell mit Nanobeschichtung)
(Verschmutzung versus Wirkungsgrad) - Weitgehende Wartungsfreiheit
- Möglichkeit der Überwachung der Stromproduktion bzw. Funktionalität
Daneben muss die Anlage mit Maßnahmen der betrieblichen Erhaltung wie den Aufgaben des Streckendiensts der ASFINAG kompatibel sein.
Warum IÖB-Challenges?
Die öffentliche Verwaltung in Österreich punktet durch eine hohe Qualität und Verlässlichkeit. Und dennoch steht der öffentliche Sektor vor einigen Herausforderungen, wie etwa Effizienzsteigerung, Bewältigung des Generationswechsels oder die Nutzung neuer Technologien, wie Künstliche Intelligenz.
Vor diesem Hintergrund unterstützt die IÖB-Initiative von BMK und BMDW öffentliche Beschaffer mit einem breiten Serviceangebot und einer europaweit einzigartigen Open-Innovation-Plattform.
Um die öffentliche Verwaltung zukünftig noch effizienter, bürgernäher und innovativer zu gestalten, unterstützt die 2013 ins Leben gerufene IÖB-Servicestelle (IÖB: Innovationsfördernde Öffentliche Beschaffung) mit kostenlosen Services und einem breiten Schulungs- und Beratungsangebot.
Herzstück der Initiative ist die IÖB-Innovationsplattform. Auf dieser Plattform ruft die IÖB-Servicestelle regelmäßig zu IÖB-Challenges auf, um öffentlichen Auftraggebern in Österreich die Suche nach innovativen Lösungen zu erleichtern. Die Challenges folgen dem Open Innovation Ansatz und geben Unternehmen die Chance, vielseitige und neue Lösungsansätze aufzuzeigen.
Wie funktionieren die Challenges?
Öffentliche Auftraggeber können eine Herausforderung veröffentlichen – Unternehmen werden dann aufgefordert, ihre Ideen und Lösungsvorschläge online einzureichen. Eine Jury bewertet diese und lädt die spannendsten Unternehmen zu einem Innovationsdialog ein. Die IÖB-Servicestelle begleitet und moderiert durch den gesamten Prozess und akquiriert Unternehmen für eine Teilnahme.
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