Kategorie Klima- & Umweltschutz - 11. Juli 2024

Österreich als Vorreiter beim klimaneutralen Gesundheitswesen

Großes CO2-Einsparungspotential im Gesundheitssektor – Folgekosten der Klimakrise im Gesundheitssektor am höchsten

Österreich hat als eines der ersten europäischen Länder neben England und Frankreich eine „Strategie für ein klimaneutrales Gesundheitswesen“ erarbeitet. Sie enthält Maßnahmen für alle klimarelevanten Handlungsfelder. Dazu zählen etwa nachhaltige Beschaffungskriterien, wiederverwendbare Medizinprodukte, die Optimierung von Verpackungsgrößen bei Medikamenten, Sanierung von Gebäuden, Ernährungssystem und Energieversorgung oder das Abfallmanagement.

 

Hintergrund ist, dass der Gesundheitssektor für rund sieben Prozent des CO2-Ausstoßes in Österreich verantwortlich ist. Um bis 2040 Klimaneutralität zu erreichen, werden in der neuen Strategie sowohl Anreize wie Förderungen als auch gesetzliche Verpflichtungen für Gesundheitseinrichtungen vorgeschlagen. „Die Klimakrise verursacht hohe Folgekosten im Gesundheitswesen. Es ist höchste Zeit, dass Gesundheitseinrichtungen selbst Vorbild auf dem Weg zur Klimaneutralität werden“, betonten Gesundheitsminister Johannes Rauch und Klimaschutzministerin Leonore Gewessler heute bei der Präsentation der Strategie im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder im zweiten Wiener Gemeindebezirk unisono.

Erarbeitet wurde das Papier vom Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH in einem Stakeholder-Prozess. Fachlich begleitet wurde die Erarbeitung von namhaften Expertinnen wie der Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb oder Günther Lichtblau vom Umweltbundesamt. Mit der Strategie nimmt Österreich international die Vorreiterrolle in Sachen Klimaneutralität im Gesundheitswesen ein.

5 Handlungsfelder für mehr Klimaschutz 

Einen speziellen Fokus richtet die vorliegende Strategie auf Maßnahmen für Krankenanstalten sowie Arzneimittel und Medizinprodukte, da sie den größten Anteil am CO2-Fußabdruck haben. Sie nennt fünf relevante Handlungsfelder:

  • Energie, Gebäude und Grünraum
  • Arzneimittel und Medizinprodukte
  • Abfall und Ressourcen
  • Transport und Mobilität
  • Ernährungssystem

Für jedes dieser Handlungsfelder werden Ausgangssituation, Klimarelevanz, Handlungsempfehlungen sowie vorbildliche Praxisbeispiele dargestellt. So beispielsweise im Bereich der Mobilität die Umstellung auf E-Mobilität und im Bereich Ernährung die Förderung von verstärkt pflanzlicher Ernährung, Komponentenwahl statt Menüwahl zur Reduktion der Lebensmittelabfälle, sowie Beschaffung von biologischen, regionalen und saisonalen Lebensmitteln.

Einsparungen bei Medizinprodukten & Arzneimitteln

Den größten Anteil am CO2-Fußabdruck des österreichischen Gesundheitswesens verursachen Medizinprodukte und Arzneimittel im niedergelassenen Bereich und Krankenhäuser. Sie sind für 38 Prozent der Emissionen (20 Prozent im ambulanten Bereich, 18 Prozent in Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitseinrichtungen) verantwortlich. Eingeschlossen in die Berechnung sind Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Medizinprodukten und Arzneimitteln.

Verringern lassen sich die Emissionen durch nachhaltige Beschaffung, den Umstieg von einmal verwendbaren Medizinprodukten auf Mehrfachnutzung oder die Optimierung von Verpackungsgrößen, um Arzneimittelverwurf zu reduzieren. Auch gesundheitspolitische Maßnahmen spielen eine wichtige Rolle: Investitionen in Prävention und Gesundheitsförderung reduzieren den Bedarf an Arzneimitteln und Medizinprodukten nachweislich. Im Rahmen der Gesundheitsreform haben Bund, Länder und Sozialversicherung bereits 60 Millionen Euro pro Jahr zusätzlich zur Verfügung gestellt.

Gebäude sanieren, Energieverbrauch reduzieren

Bis zu 15 Prozent aller klimarelevanten Emissionen im Gesundheitssektor entstehen durch den direkten Energieverbrauch der Gesundheitseinrichtungen oder bei den Lieferanten von Strom und Wärme. Mit einem Anteil von 83 Prozent sind Krankenhäuser für den größten Teil des Energieverbrauchs und CO2-Emissionen der Gesundheitseinrichtungen verantwortlich. Reduzieren lässt sich der CO2-Ausstoß unter anderem durch umfassende Sanierung der Gebäude, höchste Standards für Neubauten und den raschen Ausstieg aus fossilen Energieträgern.

Das Erfolgsprojekt „Beratung klimafreundliche Gesundheitseinrichtungen“ hat bereits über 420 Gesundheitseinrichtungen bei der Erstellung eines eigenen Klima-Aktionsplanes unterstützt. Auch bei der Umsetzung werden die Einrichtungen von einer Expertin bzw. einem Experten unterstützt.

400 Millionen Euro Förderungen

Für die Umsetzung stellt das Klimaschutzministerium bis 2030 insgesamt 400 Millionen Euro bereit. Gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium und der Gesundheit Österreich GmbH wurden dafür drei Förderschienen entwickelt. Krankenhäuser, Rehabilitationszentren sowie Senioren- und Pflegeheime erhalten bis zu 50 Prozent der Investitionen. Die Höchstgrenze liegt bei maximal 6 Millionen Euro pro Projekt. Außerdem werden Rettungsorganisationen mit 50 Prozent bis zu 4,5 Millionen Euro bei klimafreundlichen Investitionen in Gebäude unterstützt.

Gefördert werden unter anderem die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energieträger, die thermische Sanierung des Gebäudes und Energiesparmaßnahmen bei der Wärme-, Dampf-, Brauchwasser- und Kälteversorgung oder die Installation von effizienter Beleuchtung.

„Bis 2040 wird Österreich klimaneutral. Das bedeutet, dass wir auch unsere Gesundheitseinrichtungen klimafit gestalten müssen. Mit Förderungen für Gebäudesanierungen, Heizungstausch und Energiesparmaßnahmen unterstützen wir Gesundheitseinrichtungen auf ihrem Weg klimafitte Betriebe zu werden. Das verspricht mehr Klimaschutz für alle,“ so Klimaschutzministerin Leonore Gewessler.

Um Klimaneutralität im Gesundheitswesen bis 2040 auch tatsächlich zu erreichen, schlägt die Klimastrategie vor, Finanzierungen und Förderungen an Maßnahmen zum Umwelt- und Klimaschutz zu koppeln und Verpflichtungen mittelfristig auch rechtlich zu verankern. Die Entwicklung der Emissionen soll regelmäßig durch ein Monitoringprogramm überprüft werden.

Damit die Einrichtungen voneinander lernen können, vergeben das Gesundheitsministerium und die Gesundheit Österreich GmbH seit 2023 den Best-Practice-Award für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen. Auch in diesem Jahr können Projekte in sechs verschiedenen Kategorien eingereicht werden – von Gebäude und Energie bis zu Bewusstseinsbildung und Kommunikation. An der Gesundheit Österreich GmbH wurde zur Bündelung der Expertise aus Wissenschaft und Praxis das Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit als Teil der Agenda Gesundheitsförderung eingerichtet.

„Die Umsetzung der Strategie klimaneutrales Gesundheitswesen ist mit vielen Vorteilen für unsere Gesundheit, die Gesundheitseinrichtungen und für die Gesellschaft verbunden. Klimaschutz schützt unsere Gesundheit, spart Ressourcen und Kosten und schafft ein gesundheitsförderndes Umfeld“, so Ruperta Lichtenecker, Leiterin des Kompetenzzentrums Klima und Gesundheit der Gesundheit Österreich GmbH.

„Klimaschutzmaßnahmen, wie etwa energiesparende Verschattung oder klimafreundliche Ernährung, sind im Gesundheitswesen oft zugleich Klimawandelanpassungsmaßnahmen, sodass die Wirkung der Maßnahmen nicht erst in ferner Zukunft über ein stabilisiertes Klima spürbar wird, sondern ganz unmittelbar dem Wohl der Patient:innen dient“, so die Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb.

Die Strategie klimaneutrales Gesundheitswesen wurde im Auftrag des Gesundheitsministeriums vom Kompetenzzentrum Klima und Gesundheit an der Gesundheit Österreich GmbH in mehreren Workshops unter Beteiligung zahlreicher Akteur:innen des Gesundheitswesens erstellt. Ein erster Entwurf wurde im Rahmen einer Enquete mit Beteiligung von Expert:innen, Krankenhausträger der Bundesländer, Sozialversicherungen, Sozialpartnern und zahlreichen weiteren Vertreter:innen des Gesundheitswesens im November 2023 präsentiert und anschließend zur Konsultation versendet. Parallel wurde die Strategie international, etwa bei Kongressen in Rom und Slowenien, vorgestellt. Nach Einarbeitung der Rückmeldung im Frühjahr 2024 liegt nun die finale Strategie klimaneutrales Gesundheitswesen als Ergebnis vor.