Kategorie Innovation & Technologie - 17. August 2020

Österreichische Corona-Forschung auch auf EU-Ebene erfolgreich

Neue Forschungsprojekte zum besseren Verständnis des neuen Coronavirus und seinen Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen werden weltweit händeringend gesucht. Auch in Europa kämpfen Forscherinnen und Forscher weiterhin unermüdlich gegen die Verbreitung sowie für ein besseres Verständnis des Coronavirus und auch europäische Fördergeber haben mit eigenen Programmen auf die Pandemie reagiert.

© apa

So hat etwa die EU-Kommission im Rahmen ihres Forschungsförderprogramms „Horizon 2020“ einen eigenen Coronavirus-Call aus der Taufe gehoben, denn trotz sofort aller mannigfaltigen wissenschaftlichen Anstrengungen weltweit, bestünden deutliche Wissenslücken in den unterschiedlichen Forschungsfeldern rund um das Virus. Um solche zu schließen, beteiligen sich auch österreichische Institute und Unternehmen intensiv an internationalen Projekten und Netzwerken.

Zwei der 23 Projekte, die jetzt von der EU im Forschungsrahmenprogramm „Horizon 2020“ mit insgesamt 128 Millionen Euro gefördert werden, stehen unter der Leitung österreichischer Unternehmen. Bei vier weiteren Projekten sind österreichische Partner dabei. Zwei weitere internationale Projekte mit österreichischer Beteiligung können im Rahmen des EUREKA-Netzwerks starten.

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Nur vier Wochen Zeit hatte die Europäische Kommission den Antragstellern mit der Corona-Ausschreibung Zeit gegeben, ihre Projekte einzureichen. Jetzt liegt das Ergebnis vor: Demnach werden 23 Projekte mit Beteiligung von 347 Forschungsteams aus 40 Ländern gefördert, dafür werden insgesamt 128 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Zwei der 23 Projekte werden von österreichischen Unternehmen koordiniert, beide wurden bei der Einreichung auch von der FFG beraten. An vier weiteren Projekten sind Organisationen aus Österreich beteiligt, damit insgesamt an jedem vierten aus dieser Ausschreibung geförderten Projekt.

Die Villinger GmbH aus Mieders im Stubaital (Tirol) führt im Rahmen des „CleanAir“ betitelten Vorhabens ein sieben Partner umfassendes Team, das an einem System zur Dekontaminierung der Luft arbeitet, um Gesundheitspersonal vor der Ansteckung mit Covid-19 zu schützen. 17 Partner umfasst das „COVINFORM“-Konsortium, das von der Wiener Synyo GmbH koordiniert wird, und ein Informations- und Forschungssystem zum Abschätzen und Modellieren von Coronavirus-Risiken entwickeln will.

Von AI & Antikörpern: Corona-Forschung läuft in Österreich auf Hochtouren

In der in Österreich über die FFG abgewickelten multilateralen Ausschreibung des europäischen EUREKA-Netzwerks zur Coronaforschung konnten überdies auch zwei Projekte mit österreichischer Beteiligung reüssieren, ein weiteres ist noch in Verhandlung. Die steirische AMS AG beschäftigt sich in Zusammenarbeit mit einer Partnerfirma aus Kanada unter dem Titel „AntigenSense“ mit einer verbesserten Testmethode zum Aufspüren von Antikörpern gegen Covid-19. Zusammen mit niederländischen Partnern arbeitet die medPhoton GmbH aus Salzburg im Zuge des „Smart-DETeCT“-Projekts an der Weiterentwicklung bildgebender diagnostischer Verfahren im Zusammenhang mit der Covid-19-Diagnose. Ziel ist es, ein bestehendes System so weiterzuentwickeln, dass die Lunge besser abgebildet werden kann.

Bereits Mitte April wurde im Rahmen der Eureka-Initiative für anwendungsnahe Forschung und Entwicklung eine multilaterale Covid-19-Ausschreibung gestartet. Beteiligt waren neben Österreich, das aktuell auch den Eureka-Vorsitz innehat, sechs weitere Länder, der Schwerpunkt lag auf kurz- bis mittelfristig umsetzbaren Lösungen.

FWF fördert vier neue Projekte

Der Wissenschaftsfonds FWF fördert im Rahmen der zweiten Tranche seiner Akutförderung SARS-CoV-2 vier neue Forschungsprojekte , insgesamt fließen 1,5 Millionen Euro in die in Wien und Innsbruck durchgeführten Vorhaben.

Mit seiner Akutförderung hat der FWF am Beginn der Pandemie eine „Fast-Track-Schiene“ für Corona-relevante Forschung eingerichtet,  Die seitens des FWF nun neu bewilligten Projekte überzeugten durch ihre wissenschaftliche Exzellenz und helfen somit, bestehende Wissenslücken in diesem Zusammenhang zu schließen.

Mit 360.000 Euro wird die Weiterführung des „Austrian Corona Panel“ unter der Leitung des Wirtschaftssoziologen Bernhard Kittel vom Vienna Center for Electoral Research (VieCER) der Universität Wien ermöglicht. Hier handelt es sich um eine wiederkehrende Befragung von rund 1.500 Österreichern zu Einstellungen und Wahrnehmung, Reaktionen etc. im Zusammenhang mit der Coronakrise. Dabei geht es etwa um das gefühlte Gesundheitsrisiko, die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Effekte oder um die Zustimmung und Befolgung der von der Regierung verhängten Maßnahmen zur sozialen Distanzierung.

Ebenfalls an der Uni Wien wird Judith Rollinger vom Department für Pharmakognosie am Aufspüren von natürlichen Wirkstoff-Kandidaten arbeiten. Die Fördersumme von 395.000 Euro wird das Team einsetzen, um „Hunderte Extrakte aus Pilzen, Heilpflanzen und Mikroben“ zu durchforsten, „um daraus jene Inhaltsstoffe aufzuspüren, die gegen das Coronavirus wirksam sind“.

Ein im Verlauf der Pandemie bereits vielfach heiß diskutiertes Eisen greifen Oliver Langer von der Universitätsklinik für Klinische Pharmakologie der Medizinische Universität Wien und sein Team auf. Sie gehen der Rolle von Medikamenten gegen Bluthochdruck im Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen nach. Diese stehen im Verdacht, das Risiko für einen schweren Verlauf einer Covid-19-Erkrankung zu erhöhen, was viele Experten wiederum bestreiten. Unabhängig von dem neuen Projekt geht bereits seit Mai auch eine Gruppe um Manfred Hecking (ebenfalls Meduni Wien) im Rahmen einer ebenfalls von FWF mit 400.000 Euro geförderten klinische Studie dieser Frage nach.

Das vierte neue coronarelevante Vorhaben wird an der Medizinischen Universität Innsbruck durchgeführt. Hier betreibt Wilfried Posch vom Institut für Hygiene und Medizinische Mikrobiologie Forschung an einem dreidimensionalen Modell der Atemwege aus menschlichen Zellen. Die Arbeiten sollen bei der Entwicklung von Medikamenten gegen die Covid-19-Infektion helfen. Je 200.000 Euro kommen in diesem Fall vom auf die Unterstützung von Grundlagenforschung spezialisierten FWF sowie vom Land Tirol.

Simulationsexperte Popper: „Nächste Wochen entscheidend“

Wie die Epidemie in Österreich weiterhin in den Griff zu bekommen ist, bleibt eine Frage, die nach wie vor auch die Simulationsexpertinnen und -experten der Technischen Universität (TU) Wien beschäftigt. Die große Frage sei, wie gut und schnell Testen, Tracing und Containment funktioniere, dafür seien auch gerade die nächsten Wochen entscheidend für den weiteren Verlauf der Corona-Epidemie in Österreich, so Simulationsexperte Niki Popper gegenüber der APA. „Wenn wir die lokalen Wiederanstiege nicht in den Griff bekommen, ist es nicht unwahrscheinlich, schon im Sommer ein Problem mit steigenden Fallzahlen zu bekommen.“

Sorgen bereiten den Forschenden lokale Herde wie in Salzburg oder Oberösterreich. Bereits Anfang Juni haben die Mathematiker zwar berechnet, dass man viele solcher Herde gut im Griff behalten kann, vorausgesetzt das Testen, das Tracing und die Isolierung funktionieren schnell und effektiv. „Dass Fälle wie in Oberösterreich gefunden werden, ist nicht negativ, sondern zeigt, dass getestet wird. Wir werden uns an solche Cluster gewöhnen müssen. Was wir aber nicht wissen ist, wie schnell und wie konsequent das Containment regional in den Bundesländern funktioniert, wir haben keine genauen Aufzeichnungen darüber“, so Popper.

Ein täglicher Anstieg an Neuinfektionen im knapp dreistelligen Bereich sei grundsätzlich nicht so drastisch zu sehen. Wenn das so bliebe, würde es beweisen, dass das Containment funktioniere. Es stelle sich nun aber „die Frage, ob sich das Wachstum weiter beschleunigt“. Ob man das jetzt „Zweite Welle“ nenne oder wie die WHO als „Wiederaufflackern“ sei sekundär.

In ihren neuesten Simulationsmodellen haben sich die Wissenschafter dem Thema „Superspreader“ – also einzelne Personen, die eine große Zahl anderer Personen anstecken – gewidmet und positive Aspekte gesehen. „Der sogenannte Dispersionsfaktor ist bei Covid-19 laut aktuellen Studien niedrig. Das bedeutet, dass wenige Personen sehr viele anstecken und bisher ging man oft davon aus, dass das negativ ist“, sagte Popper.

Die Modelle würden nun zeigen, dass das eigentlich ganz praktisch sei, weil Tracen und Containment bei Superspreadern sehr gut funktioniere. „Wenn man wirklich gutes Containment macht, kann die Ausbreitung in fast 90 Prozent der Simulationsdurchläufe abgestoppt werden“, so Popper. Dagegen funktioniere das bei einer Infektion, wo jeder Infizierte gleich viele Personen ansteckt, im Modell nur bei weniger als 30 Prozent der Fälle.

„Das Virus hat die nette Eigenschaft, dass das Containment sehr gut funktioniert. Aber man muss es – so die Simulationsergebnisse – halt gut machen“, sagte der Experte. Entscheidend seien schnelle Tests und die Nachverfolgung von Kontakten sowie das konsequente Containment, also bei einem positiven Testergebnis die Isolierung des Umfelds in sehr kurzer Zeit. Das funktioniert solange die Zahlen nicht zu hoch ansteigen und ist davon abhängig wie viele Ressourcen für das Tracing zur Verfügung stehen.

Abgesehen von den Clustern sehe man, dass die Leute mittlerweile viel mehr Kontakte im Freizeitbereich haben als noch vor einigen Wochen, als diese Kontakte noch um die Hälfte reduziert waren. „Da muss man etwas tun und schauen, dass Hygiene und Abstand wieder eingehalten werden und die Leute mittun“, empfiehlt Popper. Es gebe mittlerweile besseres Wissen darüber, welche Maßnahmen wirken und weniger Schäden verursachen als andere. „Deshalb sollte man bereits klar festlegen, was passiert, wenn die Zahlen weiter steigen, also ob und wo wieder Maskenpflicht kommt, welche Veranstaltungen wieder ausgenommen werden usw., und es wäre gut die Leute frühzeitig darüber zu informieren.“

Maßnahmen gegen Coronavirus: „Interventionen, wie sie aktuell umgesetzt werden, zahlen sich aus.“