Kategorie Innovation & Technologie - 9. Oktober 2023

Österreichischer Mini-Klimasatellit erfolgreich ins All gestartet

Montagfrüh ist der österreichische Mini-Klimasatellit PRETTY erfolgreich an Bord einer europäischen Vega-Rakete ins All gebracht worden. Österreichs fünfter Satellit wird künftig etwa die Höhe des Gletschereises in Grönland, oder die Wellenhöhe der Ozeane messen sowie den Einfluss des Weltraumwetters auf die Lebensdauer von Satelliten analysieren.

Österreichs fünfter Satellit ist am heutigen Montagmorgen erfolgreich in den Weltraum gestartet. Der Start erfolgte mit einer europäischen Vega-Rakete vom europäischen Weltraumbahnhof im südamerikanischen Kourou um 03:36 Uhr (mitteleuropäische Zeit).

„Wir sind unheimlich erleichtert über den erfolgreichen Start“, so Andreas Dielacher, der zuständige Systemingenieur bei Beyond Gravity Austria, Österreichs größtem Weltraumtechnologiezulieferer. Dielacher verfolgte den Start zu Hause via Online-Livestream. Rund zwei Stunden nach dem Start wurde der PRETTY-Klimasatellit in den Weltraum ausgesetzt.

 

„Weitere 45 Minuten später werden seine vier Antennen und die beiden Solarflügel automatisch ausgeklappt. Ob das einwandfrei geklappt hat, werden wir in den nächsten Tagen wissen“, so Dielacher. Für die Umrundung der Erde in einer Höhe von 550 Kilometer benötigt der Austrosatellit PRETTY zirka 90 Minuten. „Unser Minisatellit wird mit mehr als 25.000 km/h um unseren Planeten rasen“, sagt Dielacher. Entwickelt wurde der Satellit von Beyond Gravity Austria als Hauptauftragnehmer gemeinsam mit der TU Graz sowie Seibersdorf Labor für die europäische Weltraumorganisation ESA. Um 10:23 Uhr sollte heute ein erster Überflug des PRETTY-Satelliten über der Bodenstation in Graz erfolgen.

Mini-Satellit nun in Aufwärmphase

Andreas Hörmer, der verantwortliche Systemingenieur bei der TU Graz, verfolgte den Raketenstart live mit. „Jetzt beginnt für uns die mehrwöchige Kommissionierungsphase, in der wir den Satelliten vollständig aktivieren und danach sind wir gespannt auf die ersten wissenschaftlichen Daten.“ Der PRETTY-Satellit befindet sich im All nun in seiner Aufwärmphase (Kommissionierungsphase). Alle Instrumente werden getestet und kalibriert. Nach ein bis zwei Monaten wird PRETTY seine ersten wissenschaftlichen Daten zur Erde schicken. Hörmer ergänzt: „Mit unserer Bodenstation in Graz werden wir fünf bis sechsmal pro Tag mit dem Satelliten kommunizieren können.“

 

Von den rund 30 Grad Celsius nahe dem Äquator in Kourou ging es in die Kälte und Hitze des Weltraums. Die Bedingungen, unter denen der PRETTY Klimasatellit arbeiten wird, sind rau, beschreibt Andreas Dielacher von Beyond Gravity: „Die Bedingungen im Weltraum sind für die Elektronik und Mechanik am Satelliten sehr herausfordernd. Im Weltraum herrscht auf der einen Seite Vakuum, also luftleerer Raum, auf der anderen Seite ist der Satellit verschiedenster Strahlungen ausgesetzt, etwa Infrarot, UV und auch Röntgenstrahlen und Gammastrahlen. Dazu kommt, dass sich die Temperatur auf der Außenseite extrem ändert, je nachdem ob PRETTY zur Sonne schaut, oder gerade auf der Schattenseite muss der Satellit zwischen minus 70 Grad Celsius und plus 70 Grad Celsius aushalten.“

Detektoren für „Weltraumwetter“

Die Auswirkungen dieses Weltraumwetters auf die sensible Elektronik von Satelliten ist auch das zweite Forschungsgebiet des PRETTY-Satelliten. „Satelliten arbeiten unter extremen Bedingungen im All. Sie sind kosmischer Strahlung ausgesetzt und Sonnenstürme können etwa Satelliten beschädigen. Einige frisch im All ausgesetzte Starlink-Internetsatelliten von Elon Musk wurden im Frühjahr des letzten Jahres durch einen Sonnensturm unbrauchbar“, sagt Christoph Tscherne, Experte für Strahlungsfestigkeit und Projektleiter für PRETTY bei Seibersdorf Laboratories.

SATDOS, das zweite Instrument von PRETTY, wurde von Seibersdorf Laboratories entwickelt, um Erkenntnisse zu Sonnenaktivität und Weltraumwetter zu gewinnen. Speziell wird gemessen, wie die Strahlung im All Elektronikbauteile schädigt – Elektronikbauteile, die etwa in der Unterhaltungs- oder Autoindustrie in hohen Stückzahlen kostengünstig produziert werden und in bestimmten Bereichen sondergefertigte Raumfahrtelektronik ersetzen können.

Entwickelt und gebaut wurde der PRETTY-Klimasatellit vollständig in Österreich. Zum ersten Mal hat Beyond Gravity Austria (ehemals RUAG Space) die Gesamtverantwortung für eine Satellitenmission. „Die Hauptverantwortung für eine Mission zu tragen, ist der Ritterschlag für jedes Weltraumunternehmen“, sagt Kurt Kober, Geschäftsführer von Beyond Gravity Austria. „Umwelt- und Klimasatelliten sind ein wichtiger Geschäftsbereich für uns. Für nahezu jeden europäischen Umweltsatelliten liefern wir missionskritische Produkte, etwa das Navigationssystem des Satelliten oder den Thermalschutz. Auch NASA-Klimasatelliten vertrauen auf unsere Technologie. Daneben sind wir auch an Missionen zu fremden Planeten, an Raumfahrtstationen wie der künftigen NASA-Weltraumstation Lunar Gateway oder an vielen Satelliten von Privatunternehmen beteiligt.“

 


 

Hintergrund: Der Nanosatellit PRETTY (Passive REflectomeTry and dosimeTrY) ist der fünfte Satellit „Made in Austria“ im Weltall. Es ist der dritte Nanosatellit aus den Labors der TU Graz, die auch die Bodenstation der Satellitenmission betreibt. Mit TUGSAT-1 und OPS-SAT sammelte die TU Graz bereits viel Erfahrung in der Konstruktion und Produktion von Satelliten. Horst Bischof, Rektor der TU Graz, erklärt: „Für die TU Graz ist es ein großartiger Erfolg, dass nach TUGSAT-1 und OPS-SAT mit PRETTY nun bereits der dritte Satellit im All ist, der an unserer Universität gebaut wurde. Noch dazu ist er auf einer wichtigen Mission, denn nur mit verlässlichen Daten zu den Klimaveränderungen auf unserem Planeten können wir auch angemessen darauf reagieren. Dass die TU Graz als Betreiber der Bodenstation in dieser Mission weiter eine wichtige Rolle spielt, macht uns stolz und zeigt auch, wie viel Know-how wir bei uns in diesem Bereich aufgebaut haben.“

Genaue Höhenmessungen

PRETTY ist ein Nanosatellit und hat etwa die Größe einer Schuhschachtel. Das Hauptinstrument von PRETTY ist ein von Beyond Gravity in Wien entwickeltes Instrument zur sogenannten passiven Reflektometrie. Andreas Dielacher von Beyond Gravity: „Das Besondere an unseren Satelliten ist, dass er keine eigenen Signale aussendet. Er verwendet Signale von bereits im All befindlichen großen Navigationssatelliten. Das hat den Vorteil, dass unser Satellit weniger Energie benötigt.“ Verwendet werden einerseits direkt im All übertragene Signale sowie Signale, die von der Erde reflektiert werden (siehe Infografik). „Unser Instrument erlaubt besonders genaue Höhenmessungen bis in den Zentimeterbereich.“

PRETTY ist der dritte Satellit aus den TU Graz-Laboren und der fünfte Austrosatellit im All. Die bisherigen österreichischen Satelliten (allesamt Kleinsatelliten) im Überblick:

  • TUGSAT-1 der Technischen Universität Graz
  • UniBRITE der Universität Wien (TUGSAT-1 und UniBRITE sind Teil einer Flotte von fünf Nano-Satelliten, die Helligkeitsschwankungen von Sternen messen; beide seit 2013 im All)
  • PEGASUS der FH Wiener Neustadt (untersucht die Beschaffenheit der Erdatmosphäre; seit 2017 im All)
  • OPS-SAT der TU Graz (weltweit erste öffentlich zugängliche in-orbit Testplattform zur Erprobung neuer operationeller Technologien und Weltraumsoftware; erste ESOC Nanosatellitenmission; seit 2019 im All)

Alle Kleinsatelliten wurden vom BMK als Weltraumministerium entweder aus ESA- oder aus nationalen Mitteln über die FFG gefördert.