Kategorie Innovation & Technologie - 24. November 2021

Die Planetenbeschützer DART & HERA

Erstmals hat die US-Raumfahrtbehörde NASA eine Sonde starten lassen, die absichtlich in einen Asteroiden krachen und dadurch dessen Flugbahn verändern soll. Das Fluggerät startete Mittwochfrüh MEZ mithilfe einer Falcon 9-Rakete vom US-Staat Kalifornien aus. Von der DART (Double Asteroid Redirection Test) Mission erhofft sich die NASA Erkenntnisse darüber, wie die Erde vor herannahenden Asteroiden geschützt werden könnte.

„Asteroid Dimorphos: Wir kriegen Dich“, twitterte die NASA kurz nach dem Start. Kommenden September soll die Sonde den Asteroiden Dimorphos treffen.

Dimorphos, eine Art Mond des Asteroiden Didymos mit einem Durchmesser von rund 160 Metern, stellt derzeit Berechnungen der NASA zufolge keine Gefahr für die Erde dar – und die Mission ist so angelegt, dass der Asteroid auch nach dem Aufprall der Sonde, die nur eine Kamera an Bord hat, keine Gefahr darstellen soll. Nach dem Aufprall soll die rund zwölfstündige Umlaufbahn von Dimorphos um mindestens 73 Sekunden und möglicherweise bis zu zehn Minuten kürzer dauern.

 

Hera untersucht den von DART hinterlassenen Einschlagskrater
HERA untersucht den von DART hinterlassenen Einschlagskrater

 

Die ESA wird DART beim Aufbruch ins Weltall mit einer Bodenstation unterstützen, die unmittelbar nach dem Start beim Empfang der Signale der ehrgeizigen Mission helfen soll. Zudem verfolgt die ESA die Startkampagne von DART auch deshalb mit besonderem Interesse, da ein ESA-Team derzeit die ESA-Raumsonde Hera entwickelt, die 2024 die Folgen der Kollision von DART aus nächster Nähe untersuchen soll.

 

NASA's DART spacecraft

© NASA’s DART spacecraft.

 

„Es hat viel harte Arbeit gekostet, bis wir diese erste Mission zur Planetenverteidigung starten konnten – wir wünschen unseren US-Kollegen viel Erfolg. Wohlverdient wäre er allemal“, kommentiert Ian Carnelli, der die Hera-Mission der ESA leitet.

„ DART und  Hera waren ursprünglich als koordinierte Raumsonden konzipiert, wobei eine Sonde die Ablenkung und die andere präzise Messungen des Ergebnisses durchführen sollte.“

 

Die Planetenbeschützer: NASA DART & ESA Hera Missionen - Infografik
Die Planetenbeschützer: NASA DART & ESA HERA Missionen – Infografik

 

„Zwar verlief im Laufe der Jahre die Durchführung der beiden Missionen getrennt, die internationale Zusammenarbeit jedoch wurde gleichzeitig durch das wissenschaftliche Konsortium AIDA (Asteroid Impact Deflection Assessment, zu Deutsch Bewertung der Ablenkung von Asteroiden durch Einschläge) aufrechterhalten. Wenngleich die beiden Missionen für einen Betrieb unabhängig voneinander konzipiert worden sind, werden ihre wissenschaftliche Erkenntnisse insgesamt durch die Kombination ihrer Ergebnisse erheblich gesteigert werden.“

 

Asteroid Dimorphos im Maßstab des römischen Kolosseums
Asteroid Dimorphos im Maßstab des römischen Kolosseums

 

DART wird im September 2022 mit dem kleineren Körper des Asteroidensystems Didymos kollidieren und mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,6 km pro Sekunde aufschlagen. Es wird erwartet, dass, während das Didymos-Asteroidensystem seine Bewegung um die Sonne unbeeinflusst beibehalten wird, die Kollision die Umlaufbahn des 160 Meter großen Dimorphos um seinen 780 Meter großen Mutterkörper Didymos geringfügig, aber deutlich – um ein Bruchteil eines Prozents – verschieben wird. Dies reicht  aus, um mit erdgebundenen Teleskopen und Radar gemessen werden zu können.

Nach der Beobachtung aus der Ferne werden jedoch zahlreiche Unklarheiten überbleiben, wie etwa die genaue Masse des Dimorphos-Asteroiden, sein Aufbau und seine innere Struktur, sowie die Größe und Form des von der DART-Sonde hinterlassenen Kraters. Daher wird sich die HERA-Mission im Oktober 2024 auf den Weg zum Didymos-System machen und Ende 2026 mit einer detaillierten Tatortuntersuchung der beiden Asteroiden beginnen.

Durch das Sammeln von Daten aus nächster Nähe erhofft sich das HERA-Team, das DART-Einschlagsexperiment bis in alle Kleinigkeiten zu verstehen und mit diesem Wissen wiederholbare Ablenkungsmissionen zu entwickeln – bereit für den Fall, dass jemals ein Asteroid auf Kollisionskurs mit der Erde gesichtet werden sollte.

 

Hera im Asteroidensystem Didymos
HERA im Asteroidensystem Didymos

 

Die Hauptsonde HERA wird auch zwei schuhkartongroße CubeSats mitnehmen, die bei den Beobachtungen helfen: Milani wird spektrale Oberflächenbeobachtungen durchführen, während Juventas die allerersten Radarsondierungen im Inneren eines Asteroiden vornehmen wird.

 

Test des Juventas CubeSat-Radars von Hera
Test des Juventas CubeSat-Radars von Hera

 

Das ferne Ziel dieser Missionen wird also bald sehr viel greifbarer werden, bemerkt auch Patrick Michel, CNRS-Forschungsdirektor des französischen Observatoriums an der Côte d’Azur und Forschungsleiter von Hera. „Die DART-Mission sollte uns, entweder direkt oder durch den begleitenden, in Italien hergestellten LICIA-‘Selfie-Sat‚, im nächsten Jahr eine erste kurze Nahaufnahme des Didymos-Systems liefern können.

 

„Die Internationale Gemeinschaft erwartet, einen ersten Blick erhaschen zu können und später dann die detaillierte Erkundung von HERA. Insgesamt sind Hunderte von Forschenden aus Dutzenden von Einrichtungen in ganz Europa, den USA und anderen Ländern bis hin zu Japan und Uruguay an den beiden Missionen beteiligt, deren Arbeit im Rahmen der AIDA-Kollaboration koordiniert wird und an der DART- und HERA-Wissenschaftler:innen in großem Umfang beteiligt sind.“

 

Didymos asteroids
Didymos asteroids

ESAs Beitrag zum Start der DART-Mission

Die ESA-Bodenstation in New Norcia in Westaustralien wird das Deep Space Network der NASA während des DART-Missionsstarts unterstützen.

 

Antenna down under

Die agile 4,5-Meter-Antenne der Station, die speziell für die erste Kontaktaufnahme eines Raumfahrzeugs nach dem Start entwickelt wurde, wird das erste Signal der DART-Sonde nach der Trennung von ihrer Falcon 9-Trägerrakete erfassen und dazu beitragen, den Kontakt aufrechtzuerhalten, während sich das Raumfahrzeug in den interplanetaren Raum begibt. In späteren Phasen der Mission kommen auch weitere ESA-Stationen zum Einsatz.

Übrigens: Derzeit wissen Wissenschaftler:innen von keinem Asteroiden, der in absehbarer Zeit direkt auf die Erde zurasen könnte – aber Forscher haben rund 27.000 Asteroiden in der Nähe unseres Planeten identifiziert, davon rund 10.000 mit einem Durchmesser von mehr als 140 Metern.