Kategorie Innovation & Technologie - 18. September 2015

Rot-weiß-rotes Nervensystem

Es war ein Paukenschlag für die heimische Weltraumgemeinschaft, als das Technologieministerium am Mittwoch bekannt gab, den österreichischen Beitrag für die neue Generation von Ariane-6-Raketen von einer auf 26,2 Millionen Euro zu erhöhen. Ab 2020 sollen neue, bessere Trägerraketen ins All starten. Der Beitrag ist zugleich ein gutes Geschäft: Denn rund eine halbe Milliarde an Umsätzen erhofft man sich aus Aufträgen, die in der Folge an österreichische Unternehmen gehen sollen.

Als Fixstarter gilt schon jetzt das österreichische Unternehmen TTTech. Was 1997 als Start-up der TU Wien begann, ist heute ein weltweit tätiges Unternehmen mit mehr als 400 Mitarbeitern. Firmen wie Boeing, Airbus oder Audi zählen zu seinen Kunden. „Die Presse“ wählte das aus dem Juristen Georg Kopetz und dem Informatiker Stefan Poledna bestehende Gründerduo bereits 2013 zu den Unternehmern des Jahres.

 

Technologie made in Austria

Auch die amerikanische Weltraumagentur Nasa setzt schon länger auf Technologie made in Austria: Das Kommunikationssystem der Raumkapsel Orion wurde von den Österreichern mitentwickelt. Nun soll die rot-weiß-rote Netzwerktechnologie auch an Bord einer europäischen Trägerrakete Weltraumgeschichte schreiben.

Erste Erfolge erzielte man aber im Automobilbereich. Dort verfolgte man die Vision des autonomen Autos: Entwickelt wurde ein System, das in regelmäßigen Abständen alle am und im Fahrzeug angebrachten Sensoren überprüft und so weiß, ob beschleunigt, gebremst oder gelenkt werden muss. Doch schon bald hob man mit dem Anwendungsspektrum ab: Heute findet sich das in Wien entwickelte Netzwerksystem etwa im A-380, der Boing 787 oder in Flugzeugen von Embraer und Bombardier.

Für Vestas, den globalen Weltmarktführer bei Windkraftanlagen, entwickelte man ein System, das dafür sorgt, dass sich die Windräder in einem Windpark sofort auf neue Windströmungen ausrichten, sobald das erste Windrad von einer solchen erfasst wird.

Wie schafft es eine Technologie, in so vielen unterschiedlichen Branchen zum Einsatz zu kommen? „Sie funktioniert wie eine Plattform für unterschiedliche Anwendungen. Die Basis gleicht sich, sie wird aber immer an die jeweilige Anwendung angepasst“, sagt TTTech-Vorstand Georg Kopetz. So ließen sich unterschiedliche Branchenerfahrungen für unterschiedliche Anwendungen nutzen.

Ein Traum der Raumfahrt sei es umgekehrt, dass ihre Technologien in verschiedenen Branchen zum Einsatz kommen. „Wenn wir die Netzwerktechnologie in der Raumfähre liefern können, dann können wir auch in anderen Branchen Technologieführer sein“, sagt Kopitz.

Er baute das Unternehmen von der ersten Stunde an mit auf, war damals erst 23 Jahre alt. Sein Vater Hermann Kopetz war Informatikprofessor an der TU Wien. Er hatte bereits jahrelang zum Thema geforscht und wirkte als wissenschaftlicher Leiter der Firma. Dort suchte und fand man gleich in mehreren Branchen Anwendungsfelder zu dessen Arbeit.

 

System in Windrädern

Ob in Autos, der Luft- und Raumfahrt oder in Windrädern: Zuverlässig, robust und sicher müssen die Netzwerksysteme sein. Nicht auszudenken, was passiert, wenn etwa in Flugzeugen oder bei autonomen Autos die Technologie versagt.

Wie funktioniert also nun das Nervensystem in einer Rakete? „Eine Rakete ist als Steuerungsystem mit vielen verteilten Computersystemen vorstellbar“, sagt Kopetz. Das ist notwendig, um das System weniger fehleranfällig zu machen: Nicht alles soll von einem Rechner abhängig sein.

Für einen korrekten Betrieb der Rakete müssen die Computer miteinander kommunizieren. Dazu braucht es ein intelligentes Netzwerk: „Wir sagen nicht, in welche Richtung die Rakete fliegen muss. Wir vernetzen den Rechner der Rakete, der sagt, in welche Richtung sie fliegen muss, mit den anderen Rechnern an Bord.“ Das funktioniert mit der unglaublichen Geschwindigkeit von einem Gigabit, also einer Milliarde Bits pro Sekunde.

 

Steuerung in Echtzeit

Das ist entscheidend, denn alles muss in Echtzeit, also zuverlässig innerhalb einer bestimmten Zeitspanne, funktionieren. Schließlich müsse man sicher wissen, wann eine Nachricht gesendet wird und wann sie ankommt. „Das ist bei Steuerungsbefehlen essenziell. Sie müssen auf jeden Fall zum richtigen Zeitpunkt ankommen“, so Kopetz. Sendet man diesen aus Sicherheitsgründen über verschiedene Leitungen, müssen die Werte vergleichbar sein. Dazu braucht es Synchronisierung in Echtzeit.

Das Netzwerk bietet aber im Sinn eines Nervensystems mehr als nur Signalübertragung. Es gibt auch eine Bewertung ab, wie glaubwürdig und wie robust das Signal ist. Darüber hinaus muss es fehlertolerant sein. Das bedeutet? „Ein Fehler darf nicht zu einem Ausfall des Systems führen. Er muss also vom System toleriert werden. “ Das sei einzigartig am System, so Kopetz. Außerdem ist es sehr gut kompatibel mit anderen Systemen, da es auf einem globalen IT-Standard beruht.

 

Computerchips aus Österreich?

Für die Nasa werden die benötigten Computerchips derzeit von einem amerikanischen Unternehmen gefertigt. Für das Projekt mit der ESA sollen nun auch die Chips aus Europa kommen. „Wir gehen also einen Schritt weiter“, sagt Kopetz. Ob die Chips auch in Österreich gefertigt werden könnten, ist aber noch offen.

Offen ist auch noch der offizielle Zuschlag für TTTech. Auch wenn die ESA bereits öffentlich verkündet, dass das österreichische Unternehmen Partner der Ariane 6 wird, gibt man sich dort vorerst noch zurückhaltend: bis die Verträge unterzeichnet sind, heißt es. Die Entwicklungsarbeiten laufen aber längst. Schließlich sei die Reife der Technologie auch ein wichtiges Entscheidungskriterium für die endgültige Auswahl des Netzwerks und damit für eine Entscheidung für TTTech.

Geht es nach dem Technologieministerium, sollen dem Beispiel von TTTech weitere Firmen folgen. Dazu wird ein neues Gründerzentrum für Weltraumtechnologien ins Leben gerufen: Das ESA Business Incubation Centre Austria soll in den nächsten fünf Jahren bis zu 30 Unternehmen bei ihrer Gründung im Bereich Weltraumtechnologie unterstützen.

Österreichische Hochtechnologie wird in den nächsten Jahren jedenfalls sehr oft im All im Einsatz sein. Allein die Ariane 5 ist 80-mal gestartet. Die Ariane 6 soll bis zum Jahr 2050 eingesetzt werden. (von Alice Grancy, Die Presse)

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