Kategorie Innovation & Technologie - 26. September 2016
Schlussakt für „Rosetta“: Sonde landet auf Kometen
Die Mission „Rosetta“ neigt sich dem Ende zu. Am 30. September wird die Raumsonde gezielt auf den Kometen „Tschuri“, den sie zwei Jahre lang begleitet hat, stürzen. Dann ist die Arbeit von „Rosetta“ beendet. Nicht aber jene der Forscher auf der Erde, betonte Wolfgang Baumjohann, Direktor des Instituts für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) im APA-Gespräch.
Vor mehr als zwölf Jahren wurden die ESA-Raumsonde „Rosetta“ und der Landeroboter „Philae“ auf Expedition zum Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko geschickt. Seit Herbst 2014 wurde der Komet in einer der bisher wohl spektakulärsten Weltraummissionen der europäischen Raumfahrt umkreist und untersucht. Nun soll der Orbiter – wie schon zuvor die Landeeinheit Philae – ihre rund acht Milliarden Kilometer lange Reise auf dem Kometen „Tschuri“ abschließen.
Grande Finale
Die Mission von „Rosetta“ wird am 30. September mit einem kontrollierten Absturz auf der Kometenoberfläche finalisiert. „Am Vorabend wird ‚Rosetta‘ bereits auf Kollisionskurs zu ‚Tschuri‘ gebracht. Dann wird sie aus einer Höhe von rund 19 Kilometern ganz langsam auf den Kometen, der ja keine Schwerkraft besitzt, niedersinken. Sie kommt mit etwa 90 Zentimetern pro Sekunde, also etwas langsamer als mit Fußgängertempo, herunter“, schilderte Baumjohann. Die letzten spannenden Stunden der Mission können am IWF in Graz per Live-Stream mitverfolgt werden.
In der Zeit ihres Abstiegs werden die Instrumente auf „Rosetta“ ein letztes Mal Messungen vornehmen und Daten zur Erde schicken können. So erwarten sich die Forscher Daten über Gas und Staub in nie erreichter Nähe zur Oberfläche sowie hochauflösende Aufnahmen des Kometenkerns und der offenen Gruben in der Ma’at-Region, wo voraussichtlich der kontrollierte Aufprall des Raumfahrzeugs stattfinden wird.
Geplant ist die Landung voraussichtlich etwa um 12.40 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit. „Wir versuchen, bis zur letzten Sekunde noch Messungen und Bilder zu bekommen“, sagte der Chef des Esa-Flugbetriebs, Paolo Ferri, aus dem Satelliten-Kontrollzentrum Darmstadt.
Datenauswertung steht noch am Anfang
Doch nicht nur diese Daten werden die Weltraumforscher auf der Erde noch längere Zeit auf Trab halten: „Die bisherigen Auswertungen haben schon eine Reihe an Erkenntnissen gebracht. Doch insgesamt stehen sie noch am Anfang und es braucht noch eine ganze Weile“, so Baumjohann.
Das Grazer Institut habe bisher sechs Publikationen dazu in renommierten Journalen veröffentlichen können, und es werden laufend mehr. „Ich glaube, wir werden noch viel Neues erfahren“, zeigte sich Baumjohann zuversichtlich, was den wissenschaftlichen Out-Put anbelangt. „Es ist wirklich ein ganz großer Erfolg. Alle Geräte auf Rosetta haben einwandfrei funktioniert“, betonte der IWF-Direktor.
Kometen sind für die Wissenschaft so interessant, weil das Material, aus dem sie bestehen, seit der Geburt unseres Sonnensystems vor 4,6 Milliarden Jahren nahezu unverändert geblieben ist. Man vermutet, dass sowohl Asteroiden, als auch Kometen und Planeten durch die Kollision von Staubpartikeln und ihrem Zusammenwachsen zu immer größeren Objekten entstanden sind. „Rosetta“ war die erste Raumsonde überhaupt, die einen Kometen über einen längeren Zeitraum begleitet hat, dort gelandet ist und dann auch Messungen auf seiner Oberfläche vorgenommen hat.
Grazer IWF wirkte mit
Die Forscher am Grazer IWF waren an der Entwicklung und dem Bau mehrerer Instrumente auf der Raumsonde und der Landeeinheit beteiligt. Unter Federführung des IWF ist in Graz u.a. das Instrument MIDAS entstanden. Es hat mit Hilfe eines Rasterkraftmikroskops den Kometenstaub genauer unter die Lupe genommen, um dreidimensionale Bilder von Kometenpartikeln im Nanometerbereich zu erstellen.
„Um herauszufinden, wie Kometen entstanden sind, wollen wir die Struktur der kleinsten Körner erforschen und verstehen, wie diese gebildet wurden“, erläuterte Mark Bentley, der wissenschaftliche Leiter von MIDAS am IWF, der jüngst eine Nature-Studie dazu publiziert hat, gegenüber der APA. „Das größte Staubkorn, das wir mit MIDAS untersucht haben, ist kleiner als ein menschliches Haar. Die anderen Körner entsprechen der Größe eines roten Blutkörperchens oder haben den Durchmesser eines Bakteriums. Die Form und Struktur der Staubteilchen reicht von kleinen, kompakten Körnern bis zu größeren, porösen, lockeren Agglomeraten, die jedoch in geringerer Menge vorkommen. Sie scheinen einen älteren Ursprung zu haben“, schilderte Bentley die jüngsten Ergebnisse.
In den letzten Stunden der „Rosetta“-Mission sind von diesem Instrument keine weiteren Daten mehr zu erwarten: „Das Instrument wird bereits am Donnerstag abgeschaltet, da die Zeit nicht mehr ausreicht, um die Daten auch vollständig zur Erde zu senden“, wie Bentley erklärte.
Das baldige Ende der Datenmessungen sieht der IWF-Forscher Bentley gelassen: „Die bisherige Datenqualität ist gut. Für uns war es sicher noch nicht die letzte Publikation“, sagte Bentley. Für die Wissenschaft beginne nun die interessanteste Phase: „Jetzt haben wir endlich Zeit, um die Messergebnisse auszuwerten und dann miteinander zu vergleichen. Es könnte durchaus sein, dass wir daran noch mehr als zehn Jahre arbeiten“, blickte Bentley in die Zukunft.
„Schlafsack“ für Sonde von RUAG Space Austria
Auf der langen Reise entfernte sich „Rosetta“ beinahe bis zu 900 Millionen Kilometer von der Sonne, wodurch die Solargeneratoren kaum mehr Strom erzeugen konnten. Während dieser 32 Monate langen Phase wurde die Raumsonde in eine Art Winterschlaf versetzt. Um ein Einfrieren zu verhindern, entwickelte die RUAG Space Austria einen speziellen „Schlafsack“, der für stabile Temperaturverhältnisse im Inneren des Orbiters sorgte.
Die insgesamt zwölf Jahre lange Mission war von Höhen und Tiefen geprägt: Die Bilder von der Landschaft des nur vier Kilometer langen Kometen „Tschuri“ ließen den Atem anhalten. Mit seinen schroffen Klippen, Staubfontänen und tiefen Löchern hat sich „Tschuri“ auf den detailreichen Bildern als vielfältige, bizarre Welt entpuppt. Der Lander „Philae“ legte jedoch eine holprige Landung hin, war in einer Felsspalte gelandet und konnte nur rund 60 Stunden Daten erheben. Lange wusste man nicht genau, wo die Landeeinheit schlussendlich zum Liegen kam, erst vor wenigen Tagen wurde auf Bildern einer hochauflösenden Kamera die Landeeinheit „Philae“ in einer dunklen Spalte des Kometen wiederentdeckt.