Kategorie Innovation & Technologie - 22. Mai 2017
Solartechnologie: Wärme und Energie aus Kunststoffanlagen
Von Veronika Schmidt
Leistbare Energie und Warmwasser verbessern für Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern den Lebensstandard: „Das betrifft vor allem Hygiene und Gesundheit“, sagt Robert Buchinger, Geschäftsführer der oberösterreichischen Sunlumo Technology. Das Unternehmen wurde 2009 in Perg gegründet mit der Vision, das Eine-Welt-Solarsystem zu entwickeln. „Das heißt, Erzeugung von Wärme für Warmwasser und Raumheizung, die für alle leistbar ist. Unser Ziel war, die Kosten zu senken. Das gelang uns mit Kunststoff“, erzählt Buchinger. Das Eine-Welt-Solarsystem räumt seit 2015 viele Preise ab, jüngst den Sonderpreis „Verena“ beim Staatspreis Innovation im März 2017.
„Wir haben von Anfang an mit Industriedesignern, Materialtechnikern und Universitäten zusammengearbeitet und wurden vom Land Oberösterreich und der Forschungsfördergesellschaft FFG finanziell unterstützt“, berichtet Buchinger. Die Vision, Wärme aus Sonnenenergie für alle leistbar zu machen, kann bald umgesetzt werden: Die erste Pilotserie der Kollektoren ist produziert, nun verkauft Sunlumo die Produktionslizenzen an interessierte Hersteller. „Wir sind unter den Ersten weltweit, wenn nicht die Ersten, die einen Solarkollektor zu 100 Prozent aus Kunststoff anbieten, der massentauglich produziert werden kann“, sagt Buchinger.
Schlüsselfertige Fabriken
Ziel ist, die Fabriken vor Ort schlüsselfertig zu übergeben, damit Solaranlagen dort hergestellt werden, wo man sie braucht. Das spart Kosten und Energie beim Transport, was die Kunststoff-Solarsysteme noch ökologisch sinnvoller macht, als sie es ohnehin sind. Plastik soll ökologisch sein?, fragt der Laie vielleicht. „Polymere Werkstoffe – also Kunststoffe – haben vor allem deshalb einen viel geringeren ökologischen Fußabdruck als das jeweils nächstbeste Material, weil sie leichter und besser verarbeitbar sind“, erklärt Reinhold Lang, Leiter des Instituts für Polymere Materialien an der Uni Linz. Lang ist auch bei Sunlumo ein wissenschaftlicher Partner, und er koordiniert die SolPol-Initiative, die heimische Kompetenzen in Solar- und Kunststofftechnik vereint – gefördert vom Klima- und Energiefonds (Lebens- und Technologieministerium).
Durch das geringere Gewicht im Vergleich zu Metallen sind Transport und Installation kostengünstiger, emissionsärmer und energieschonender. „Vor allem ist die Rohstoffgewinnung und -aufbereitung nachhaltiger, wenn man es mit Aluminium, Kupfer oder Stahl vergleicht“, so Lang.
Und das Recycling? „In der Sunlumo-Technik werden keine Klebeverbindungen eingesetzt, sodass sich die Komponenten und Schichten am Ende des Produktlebens wieder sortenrein trennen lassen“, erklärt Buchinger.
Langzeiterfahrungen sind da
Wie sieht es mit der Langlebigkeit aus, wenn die Anlagen Sonne, Wind und Wetter ausgesetzt sind? Polymer-Forscher Lang antwortet: „Hitzebeständige Kunststoffe werden schon längst eingesetzt, sei es im Automobilbereich, bei Waschmaschine oder Geschirrspüler, wo heiße Flüssigkeiten fließen. Für Solarsysteme müssen einige Materialien transparent sein, auch dafür gibt es Beispiele wie Kunststoffscheiben von Autoscheinwerfern, die Hitze, Steinschlag und Witterung aushalten, oder Beispiele aus dem Bauwesen, wo es gute Langzeiterfahrungen gibt.“
Solche Langzeiterfahrungen gibt es aber auch aus dem anderen großen Bereich, der auf die Energie der Sonne setzt: der Fotovoltaik. Hier kommen seit Beginn der Entwicklung Kunststoffe zum Einsatz. Zwar nicht in der Solarzelle selbst, die auf Silizium basiert, aber in ihrer Ummantelung, Einkapselung genannt. Diese Schichten isolieren die Zelle, polstern das zerbrechliche Material und machen es dicht gegen Wasser, Sauerstoff und Wettereinflüsse. „Auch an anderen Stellen eines Fotovoltaiksystems sind Kunststoffe im Einsatz. Es gibt bereits auch Polymer-Solarzellen. Und bei Einkapselungsmaterialien wird soeben die nächste Generation entwickelt, die bei der Modulproduktion Zeit und Kosten spart“, sagt Lang.
Auch Unternehmen in Österreich sind hier führend: Die Borealis AG, ebenfalls SolPol-Partner, brachte kürzlich ein neuartiges Einkapselungsmaterial auf den Markt, das nicht wie bisher chemisch gehärtet wird, sondern schneller und effizienter über einen thermischen Prozess. „Die breite technische Umstellung der Prozesse wird noch einige Jahre dauern, doch diese Kostenreduktion der Fotovoltaik wird auch der Endkunde spüren“, sagt Lang.
19 Unternehmen und zehn wissenschaftliche Partner sind seit 2010 als SolPol vereint: nach eigenen Angaben die „weltweit größte Forschungsinitiative zum Thema Kunststoffinnovationen für die Solartechnik“. Geleitet wird das Konsortium mit einem Forschungsbudget von 14 Millionen Euro (bis 2018) von Reinhold Lang, Uni Linz, gefördert vom Klima- und Energiefonds.
50 Prozent leichter als Metall-Glas-Kollektoren sind Kunststoff-Kollektoren. Damit halbieren sich auch Energie und CO2-Ausstoß beim Transport.