Kategorie Innovation & Technologie - 5. November 2018

Treffen der Umwelt- & Verkehrsminister: Grazer Deklaration & Vision Zero

Die EU-Verkehrs- und Umweltminister haben sich beim informellen zweitägigen Rat in Graz auf die Grazer Deklaration geeinigt. Die Deklaration in fünf Punkten fordert Mitgliedsstaaten, EU-Kommission und Behörden unter anderem dazu auf, Maßnahmen zur schnellen Einführung emissionsfreier Fahrzeuge zu schaffen und Multimodalität zu fördern.

Informelles Treffen der Umwelt- und Verkehrsministerinnen und -minister im Rahmen des Österreichischer Vorsitz im Rat der Europäischen Union: Elisabeth Köstinger und Norbert Hofer begrüßten ihre europäischen Amtskolleginnen und -kollegen. Im Zuge der Gespräche wurde die Grazer Deklaration unterzeichnet. © BMNT/Strasser

5 Punkte als wichtiges Signal

Die Umwelt- und Verkehrsministerinnen und -minister betonten in der gemeinsamen Erklärung die Wichtigkeit eines globalen Wandels hin zu einer kohlenstoffarmen und klimaresistenten Gesellschaft. „Dass die Umwelt- und Verkehrsminister ein gemeinsames Treffen abhalten, ist ein wichtiges Signal dafür, dass wir die große Aufgabe des Klimaschutzes nur gemeinsam mit der Frage der Mobilität lösen können“, so die Ratsvorsitzenden Minister Elisabeth Köstinger und Norbert Hofer.

„Wir müssen einerseits die Mobilität der Menschen sicherstellen, andererseits aber Wege finden und ausbauen, wie das geschehen kann, ohne, dass wir unsere Umwelt gefährden“, so Köstinger und Hofer.

Der österreichische Ratsvorsitz hatte bereits im Vorfeld der Tagung die Grazer Deklaration ausgearbeitet und sie den Mitgliedsstaaten zur Diskussion vorgelegt. In weiterer Folge sollen die Inhalte der Deklaration in den weiteren formellen EU-Räten dieses Jahres thematisiert und weitergeführt werden.

Für Köstinger und Hofer liege der Schlüssel zu sauberer Mobilität auch in guter Verkehrsplanung. Das generelle Ziel sei die Dekarbonisierung des Verkehrs, was von beiden unterstrichen wurde. Sie mahnten hier auch die Verantwortung der Hersteller ein. Bis Dezember seien jedenfalls die Punkte der Deklaration in den formellen Räten einzubringen.

In der Deklaration werden die EU-Kommission und die Mitgliedstaaten sowie regionale und lokale Behörden sowie Interessensgruppen aufgefordert, in fünf Bereichen Maßnahmen zu entwickeln.

  • Saubere Fahrzeuge: schnelle Einführung von emissionsfreien Fahrzeugen und Optionen für erneuerbare Kraftstoffe
  • Mobilitätsmanagement und -planung
  • Aktive Mobilität zur Förderung der Gesundheit und der Nachhaltigkeit
  • Sichere und inklusive Mobilität
  • Multimodalität und Infrastruktur

Das informelle Treffen der Umwelt- und Verkehrsminister lädt die Europäische Kommission ein, auf diesen Prinzipien und vorgeschlagenen Maßnahmen aufzubauen und eine umfassende Strategie sowie einen Zielpfad für nachhaltige, saubere, sichere, leistbare und inklusive Mobilität in Europa mit geeigneten Maßnahmenpaketen bis 2021 zu entwickeln und umzusetzen.

Zum dritten Punkt sprach Verkehrskommissarin Violeta Bulc in diesem Zusammenhang ausdrücklich das Radfahren an, auch in Hinblick als Teil von Multimodalität.

Sichere und inklusive Mobilität bedeutet, es dürfe keine soziale Frage sein, ob sich EU-Bürgerinnen und  -Bürger Mobilität leisten können oder nicht.

Ziele nur gemeinsam erreichbar

Die Emissionsreduktionsziele seien der Forschung ein Stimulans, sagte die slowenische Kommissarin, und mit der Schaffung von Infrastruktur für E-Mobilität und Brennstoffzelle schaffe man einen „frischen Fokus auf den öffentlichen Verkehr“. Nur gemeinsam erreiche man die Pariser Klimaziele, auch wenn sich die Städte ambitionierte Ziele setzten.

Bulc lobte neben Österreichs EU-Ratspräsidentschaft auch einige EU-Staaten, die engagierte nationale Pläne in grüner Innovation hätten. In punkto Multimodalität werde man die verschiedenen Systeme mit Hinblick auf Besteuerung vergleichen, so erhalte man ein starkes Vergleichsinstrument.

EU-Klimaschutzkommissar Miguel Arias Canete bezeichnete die Reduktion von Treibhausgasen und die Forcierung von sauberer Mobilität als die größten Herausforderungen. Die Industrie brauche klare Signale in Richtung Nullemission. Die einzelnen Mitgliedsstaaten müssten noch Aktionspläne erstellen. Er hoffe noch auf einen „general approach“ der Minister bei den Lkw-Emissionen.

Verkehrsminister Hofer sagte, „es geht um Dekarbonisierung, da ist Österreich Vorreiter“. Der Schienenverkehr werde in einigen Jahren hauptsächlich elektrisch laufen. Hofer nannte als eine der Maßnahmen auch die heimische Forschung bei Brennstoffzellen und neuen Batterietechniken, auch wenn der Verbrennungsmotor noch nicht ausgedient habe.

Zum Weltklimagipfel in Kattowitz im Dezember komme die EU gut ausgestattet und vorbereitet, mit einer Langzeitstrategie, sagte Canete auf Journalistenfragen. Die Europäische Union habe mit ihren Maßnahmen eine gute Position. Man habe die Ziele, aber noch nicht alle geeigneten Instrumente. Köstinger sekundierte, dass die EU klar zum Pariser Klimaschutzabkommen stehe. Andere hätten sich da schon skeptischer geäußert, etwa die USA oder Australien.

Auch im Grazer Tagungszentrum, dem Congress, gingen die EU-Ministerinnen und -Minister sowie die Veranstalter mit gutem Beispiel voran. Von den sonst bei Großereignissen oft üblichen Plastikflaschen und -bestecken oder Tellern aus Kunststoff war nichts zu sehen. Die steirische Brettljause wurde auf Schiefer serviert, andere Stärkungen in Gläsern oder Keramik.

Paradigmenwechsel gegen tödliche Autounfälle

Zum Abschluss des zweitägigen Treffens haben sich die EU-Verkehrsminister auch mit der Sicherheit im Straßenverkehr beschäftigt: Maßnahmen für bessere Infrastruktur und Fahrzeuge sowie angepasstes Verhalten der Lenker und eine funktionierende Rettungskette waren Thema – ebenso wie die Frage nach dem Umgang mit immer mehr E-Bikes. Ziel aller Staaten sei die Vision Zero bis 2050.

Die Maßnahmen für die Initiative Verkehrssicherheit 2020+ legen ihren besonderen Fokus auf das Zusammenspiel Mensch – Fahrzeug – Infrastruktur. „Die europäische Verkehrssicherheitsarbeit hat in den vergangenen Jahren große Erfolge erzielt. Während in einigen EU-Ländern die Zahl der der Verkehrsunfälle stagniert ist sie in anderen teilweise sogar im Steigen.

Österreich begrüßt aus diesem Grund die intensiven Bestrebungen der Europäischen Union zur stetigen Optimierung der Straßenverkehrssicherheit. Steigende Mobilität innerhalb unserer modernen Gesellschaft und erfolgreiche Verkehrssicherheitsarbeit sind kein Widerspruch“, erklärte Verkehrsminister Norbert Hofer.

© ASFINAG

Mehr als die Hälfte der EU-Mitgliedsländer hat bereits mit der Arbeit an nationalen Verkehrssicherheitsprogrammen begonnen, wobei der Zeitraum der Maßnahmen in 70 Prozent der Staaten die nächsten 10 Jahre umfasst.

Als Hauptursachen für Verkehrsunfälle gelten nicht angepasste Geschwindigkeit, Ablenkung sowie Alkohol- und Drogenmissbrauch. Verkehrsminister Norbert Hofer nützte die Gelegenheit, um den EU-Ministerkollegen die aktuelle Verkehrssicherheitskampagne Lass Drogen nicht ans Steuer vorzustellen, die Bewusstsein für die Gefahr des Lenkens eines Fahrzeugs unter Drogeneinfluss schaffen soll.

Im Verkehrssicherheitsprogramm 2020+ der EU spielen auch die Entwicklungen im Bereich des automatisierten Fahrens eine Rolle, deren Auswirkungen allerdings noch nicht im Detail abgeschätzt werden können. Im Rahmen der Sitzungen präsentierten drei Keynote-Speaker – Andreas Scheuer aus Deutschland, Laszlo Palkovics aus Ungarn und Tomas Eneroth aus Schweden – ihre Ideen für Verkehrssicherheitsarbeit in den Bereichen Mensch, Fahrzeug und Infrastruktur.

Zahl der Toten im Straßenverkehr halbieren

Verkehrskommissarin Violeta Bulc schilderte, dass bereits bis zum Jahr 2030 eine Reduktion der Zahl der im Straßenverkehr Getöteten und Schwerverletzten um 50 Prozent das Ziel sei. Sie erklärte aber auch, dass in Vorzeigeländern, die bisher sinkende Todeszahlen im Straßenverkehr hatten, zuletzt oftmals stagnierende Zahlen vorliegen. Sie meinte daher, dass Verbesserungen allein nicht ausreichen:

„Wir brauchen einen Paradigmenwechsel, um dem stillen Killer zu begegnen.“ Der Anspruch richte sich daher an Fahrzeuge, Infrastruktur, das Verhalten des Fahrers und auch das Funktionieren der Rettungskette.

Im dritten Mobilitätspaket der EU-Kommission ist eine Vielzahl an Maßnahmen enthalten, durch die Unfallfolgen gemindert werden sollen. Kommissarin Bulc gab den EU-Verkehrsministern den Rat, die Maßnahmen auch auf Bundesstraßen auszuweiten, zumal sich im EU-Schnitt 39 Prozent aller tödlichen Unfälle dort ereignen – auf Autobahnen passieren vergleichsweise nur neun Prozent aller Unfälle mit Todesfolge.

16 neue Charakteristika in der Fahrzeugsicherheit sind ebenfalls in dem Mobilitätspaket enthalten. Sie sollen aus Sicht der EU-Kommission kosteneffizient und absolut machbar sein, um den Schutz der Fahrzeuginsassen erheblich zu verbessern.

Bulc sprach auch das Thema E-Bikes an: Diese teilen bisher die Radwege mit anderen Radfahrern, die elektrisch unterstützten Biker seien aber viel schneller unterwegs. Das berge ein Sicherheitsrisiko. Eine Teilung der Radwege stehe daher im Raum – ebenso wie das Befahren der Straßen durch E-Bikes, jedoch mit besserer technischer Sicherheitsausstattung.

Verkehrsminister Norbert Hofer sieht im autonomen Fahren eine große Chance für mehr Sicherheit im Verkehr: „Die Straßen werden sicherer, wenn menschliche Ursachen ausgeschlossen sind.“ Derzeit sind mehr als 90 Prozent der Unfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen.

Hofer hob hervor, dass zwar das Fahren unter Alkoholeinfluss im Vergleich zu seiner Jugend weniger geworden sei, dafür aber heute immer öfter Lenker unter Drogeneinfluss unterwegs oder vom Smartphone abgelenkt sind: „Der Blick auf das Handy kann tödlich sein.“ Für ihn gehe es in punkto Verkehrssicherheit um verbesserte Infrastruktur und mehr technische Sicherheit bei Fahrzeugen. So soll etwa der Abbiegeassistent nach deutschem Vorbild noch stärker diskutiert werden.

Auch alle jene, die Infrastruktur planen und bereitstellen, beeinflussen Verkehrsnachfrage, Verkehrsablauf und Verkehrskonflikte und können letzlich dadurch unterstützen, Unfälle zu vermeiden. Es bedarf daher Maßnahmen, um optimale Synergieeffekte zu erzielen. „Diese können am besten durch die zielgerichtete Planung und Umsetzung von Verkehrssicherheitsprogrammen auf internationaler und nationaler Ebene verwirklicht werden“, zieht Norbert Hofer Bilanz.

Gleichzeitig ermutigte er seine Kolleginnen und Kollegen, weiter aktiv und rasch an der Planung ihrer nationalen Verkehrssicherheitsprogramme für den Zeitraum 2021-2030 weiterzubearbeiten: „Wir tun dies im Sinne eines sicheren Europas für alle Bürger.“

Dauerthema Zeitumstellung

Drei Tage nach der Zeitumstellung war selbige auch Thema beim Grazer Ministertreffen. Norbert Hofer sprach dazu in Graz von drei Punkten, die in der Diskussion darum von Bedeutung sind: Erstens brauche es mehr Zeit, was auch Kommissarin Violeta Bulc bekräftigte. Er habe 2021 als mögliches Datum genannt. Dazu soll ein Koordinator eingesetzt werden und eine Safeguard-Klausel kommen.

Für den Binnenmarkt wesentlich sei eine gemeinsame harmonisierte Vorgangsweise. Im Plenum habe sich zwar eine Mehrheit für eine Abschaffung der Umstellung ausgesprochen, aber drei Länder seien sehr skeptisch. Es handle sich um Großbritannien, Polen und auch Schweden, wie Hofer auf Journalistennachfragen präzisierte. Andere Länder wiederum fürchteten einen Fleckerlteppich an Zeitzonen.

„Die Lösung ist es“, sagte Hofer, „sich mehr Zeit zu nehmen“. Manche Bereiche wie die Luftfahrt würden diese benötigen. Er habe als Zeitpunkt 2021 vorgeschlagen. Dazu solle die EU-Kommission einen Koordinator namhaft machen, dessen Aufgabe die Harmonisierung sein solle. Der dritte Punkt sei es, eine Safeguard-Klausel einzuziehen, wonach gegebenenfalls die Kommission konkrete Maßnahmen vorschlagen könne. Im Dezember wisse man dann mehr über die allgemeine Ausrichtung.

Kommissarin Bulc sprach von einer perfekt getimten Konferenz zur Abschaffung der Zeitumstellung, knapp nach der Umstellung am Sonntag. „Was immer wir tun, wir brauchen ein harmonisiertes Arrangement in der EU“, sagte Bulc. Die klare Botschaft sei, dass die Mitgliedstaaten mehr Zeit für eine klare Entscheidung brauchen würden. Im Dezember beim formellen EU-Verkehrsministerrat werde man einen General Approach haben.

apa/red

Service: Die Grazer Deklaration zum Download. Außerdem: Alle Infos zur mission2030.