Kategorie Innovation & Technologie - 9. Juli 2016
Über die vielfältige Bedeutung von Brücken
Wien -„Brücken sind vielseitig, sie haben mit Träumen zu tun, mit der Lösung von Problemen“, sagt Hirut Grossberger vom Institut für integrierte Mobilitätsforschung der Fachhochschule Sankt Pölten. Doch es steckt auch viel technisches Wissen in ihnen. „Deshalb war es interessant, gerade zu diesem Thema mit Schülern zu arbeiten“, sagt Grossberger. Die Ergebnisse des vom Verkehrsministerium geförderten Projekts „bridging gaps“ wurden kürzlich präsentiert.
Die beteiligten Kinder und Jugendlichen stellten viele Fragen: Warum stürzt eine Brücke nicht ein? Wie baut man sie? Wie viel kostet eine Brücke? „Wir haben uns auch angesehen, wie eine Brücke inspiziert wird“, sagt Grossberger. Natürlich altersadäquat, denn beim Projekt war ein Kindergarten ebenso dabei wie die fünfte Klasse der HTL Krems.
Im Kindergarten wurden gebastelte Brücken aus verschiedenen Materialien auf ihre Festigkeit getestet. Für die Schüler der Tiefbauabteilung an der HTL Krems ging es natürlich um eine herausforderndere Arbeit: Man entwickelte eine App für die Inspektion von Brücken. Bisher wurden Risse und andere Schäden fotografiert und weitere Informationen notiert: eine große Datenmenge, die dann von den Brückeninspektoren im Büro in Computerdateien übertragen werden mussten, eine recht aufwendige Angelegenheit
Mithilfe der neu entwickelten App werden nun Ort, Temperatur und andere wichtige Daten wie Brückenschäden direkt über Tablet erfasst und die Fotos zugeordnet, eine nützliche Innovation aus dem Projekt.
In „bridging gaps“ war man aber auch bemüht, die sozialen Bedeutungen von Brücken zu reflektieren: Was sind Brücken zwischen Menschen und Kulturen? Das Interesse dafür war doch recht unterschiedlich – oft war die Technik eine „Türöffnerin, auch für die teilnehmenden Schulen“, erzählt Susanne Binder vom Ilse-Arlt-Institut für soziale Inklusionsforschung an der FH Sankt Pölten. In einigen Schulen, vor allem in Klassen mit hohem Migrationsanteil, wurden aber die Workshops zu sozialen Brücken stärker eingefordert: „Im Teenageralter beschäftigen sich Jugendliche stark mit ihrer Identität, sie stellen sich Fragen: Wie gehe ich mit meinem kulturellen Hintergrund um, wie mit meiner Mehrsprachigkeit?“, sagt Binder. Die Kultur- und Sozialanthropologin erstellte in ihren Workshops sogenannte Ressourcenpools – der Sprachen, Religionen, Herkunftsländer. „Dabei zeigt sich, dass manche Schüler und Schülerinnen Sprachen sprechen, von denen niemand gewusst hat“, sagt sie. Ein drittes wichtiges Thema war schließlich die symbolische Bedeutung von Brücken – debattiert wurde zum Beispiel über jene von Mostar, die im Jugoslawienkrieg zerstört und später wiederaufgebaut worden war.
Wissenschaftliche Karriere
Und noch einen Fall von Brückenbau gab es: Dass ein Migrationshintergrund kein Hindernis für eine wissenschaftliche Karriere sein muss, wurde angesprochen und durch die Lebensgeschichten der Projektteam-Mitglieder sichtbar: Özgür Tsadelen, Forscher des Ilse-Arlt-Instituts mit kurdischen Wurzeln, hat Betriebswirtschaft und Politikwissenschaft studiert. Hirut Grossberger, die aus Äthiopien flüchten musste, schloss zwei Diplomstudien und eine Dissertation an der Boku in Wien ab.
Für Projektleiter Franz Michelberger, den Leiter des Sankt Pöltner Instituts für integrierte Mobilitätsforschung, war es aber vor allem wichtig, den Kindern und Jugendlichen Wissenschaft und Technik schmackhaft zu machen. Das habe überraschend gut funktioniert: „Wir waren erstaunt, wie enthusiastisch sich zum Beispiel die HTL-Schüler an der App-Entwicklung beteiligt haben und wie viel Know-how sie eingebracht haben.“
Eine solche Zusammenarbeit habe für beide Seiten Vorteile: „Wir bekommen mit, was in den Schulen geschieht, sehen direkt diese Begeisterung – und die Schüler lernen das Arbeitsfeld der Wissenschaft und auch ganz konkret unsere Fachhochschule kennen.“ Schließlich werden auch innerhalb der FH Sankt Pölten Brücken geschlagen: „Wir haben hier im Haus Forschungsinstitute im Bereich Technik und im Bereich Soziales, gemeinsam geforscht wurde aber bisher noch nicht“, sagt der Institutsleiter. Das hat sich nun grundlegend geändert. (Heidi Weinhäupl, 9.7.2016)