Kategorie Innovation & Technologie - 5. März 2020

Vorbild Heuschrecke für den sicheren Drohnenflug

Moderne Bionik nennt man dieses Prinzip: Erfolgreiches Lernen von der Natur für die Verbesserung aktueller Technik. Das gibt es auch für Fluggeräte. Die Natur haben sich Forscher der Universität Graz zum Vorbild genommen, um Drohnen sicherer fliegen zu lassen. Sie wollen die Fähigkeiten von Wanderheuschrecken auf das Flugverhalten von Drohnen übertragen, um etwa Kollisionen mit Vögeln oder Bäumen zu vermeiden. 2021 wollen sie einen Demonstrator mit entsprechendem Sensor vorstellen, der zuverlässig Ausweichmanöver ausführen kann.

Wanderheuschrecke im Flug. © Holger/stock.adobe.com

Das Projekt BioKollAvoid (Bionic Kollision Avoid) wird über das TAKEOFF-Programm mit Mitteln des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) gefördert und soll am Institut für Biologie der Universität Graz die Entwicklung eines bionischen Detektions- und Ausweichsystems für Drohnen hervorbringen. Dort hat man folgende Vision: Die kleinen unbemannten Luftfahrzeuge (UAVs), wie Drohnen in der Fachsprache heißen, sollen Pakete vom Absender bis zur Haustüre des Empfängers kostengünstig, schnell und – für alle Beteiligten besonders wichtig – kollisionsfrei liefern. Um das zu erreichen, nützt das Team rund um den Zoologen Manfred Hartbauer die visuellen Fähigkeiten von Wanderheuschrecken.

Gekonntes Ausweichen durch visuelle Features

„Wanderheuschrecken sind deswegen interessant, weil sie in großen Schwärmen fliegen und auf sich nähernde Objekte, wie etwa Raubvögel, reflexartig reagieren. So weichen einzelne Individuen in Schwärmen mit bis zu zehn Millionen Insekten gekonnt Hindernissen aus, ohne dabei zu kollidieren“, erklärte Hartbauer gegenüber der APA.

Das Anti-Kollisionsverhalten von Heuschrecken wird seit den 60er-Jahren erforscht. So weiß man, dass Insekten auf bestimmte visuelle Features wie die abrupte Kantenexpansion reagieren. Wenn ein Objekt auf Kollisionskurs ist, dann werden dessen Kanten größer, je näher es kommt, erläuterte der Forscher. Dieses Indiz würde in Heuschrecken sehr schnell extrahiert und an spezielle Neuronen weitergeleitet, laut Hartbauer sogenannte Kollisionsdetektorneuronen.

„Neuronenfeuer“ auf Chip speichern

Um diese Fähigkeit der Heuschrecken zu nutzen, brachten die Forscher Elektroden an den zwei Kollisionsdetektorneuronen der Tiere an. „Über zwei gekrümmte Monitore werden den Insekten verschiedene Szenen vorgespielt, vergleichbar mit in einem IMAXX-Kino“, beschrieb Hartbauer. Drohe ein Zusammenstoß, etwa mit einem Baum oder einer Hausmauer, dann würden die Kollisionsdetektorneuronen feuern. Die Grazer Forscher können das „Neuronenfeuer“ messen. Was im Gehirn der Heuschrecke vor sich geht, wird in verarbeiteter Form von Partnern an der FH Joanneum in Form eines Algorithmus auf einen Chip gespeichert. Dieser soll in die Drohne integriert werden, sodass die Drohnenkamera mögliche Kollisionsobjekte besser erkennt und die Drohne ihnen ausweichen kann.

Kollisionsdetektorneuronen aktivieren: Heuschrecken vor dem Flugsimulator. © Uni Graz/Kernasenko

Allerdings können nicht alle Kollisionsobjekte auf diesen Weg detektiert werden, schränkte Hartbauer ein. „Manche Objekte tauchen schlicht und einfach zu spät im Sichtfeld der Drohne auf. In so einem Fall kann unser System keine Wunder bewirken, es braucht eine gewisse Reaktionszeit“, erklärte der Grazer Biologe. Deswegen arbeite man mit der Grazer Firma Drone Rescue Systems Inc. zusammen, die einen Drohnen-Bremsfallschirm für den Notfall entwickelt hat.

Laut Hartbauer gibt es bereits einen Prototypen in Form einer Hardwareplatine mit einem Chip, der Kamerasignale verarbeiten könne. Vor Testflügen in der Natur soll das System jedoch noch am österreichischen Fraunhofer Institut an der TU Graz in einer virtuellen Flugumgebung getestet werden.

Für den Sommer 2021 sind reale Drohnenflüge geplant. Im Oktober 2021 soll dann ein fertiges Modell mit optischem Kollisionssensor vorgestellt werden, das zuverlässig Ausweichmanöver ausführen kann. Damit könnte laut den Forschern nicht nur ein Schritt in Richtung autonome Paketboten gewagt werden, sondern ebenso Know-how für andere Technologien, wie unter anderem selbstfahrende Fahrzeuge, gewonnen werden.

apa/red

INFObox: Take Off ist das österreichische FTI-Förderungsprogramm für die Luftfahrt und Hauptumsetzungsinstrument der Maßnahmen aus der FTI-Strategie für Luftfahrt 2020 Plus. Zwischen 2015 und 2020 hat das BMK über kooperative Forschungsprojekte mehr als 40 Millionen Euro in österreichische Luftfahrtprojekte investiert – seit Beginn der 2000er Jahre insgesamt mehr als 400 Millionen Euro.