Kategorie Klima- & Umweltschutz - 31. Juli 2024
Was Windschutzscheiben der Öffis über die Insektenvielfalt verraten
Auf der großen Windschutzscheibe von Bussen bleiben während der Fahrt viele Insekten kleben. Ein Projekt der Universität Innsbruck will das nützen, um daraus abzulesen, wie es um die Artenvielfalt bestellt ist.
Als sogenanntes „Windschutzscheibenphänomen“ bezeichnen Forschende die gefühlte Beobachtung, dass tendenziell weniger Insekten auf den Windschutzscheiben von Autos kleben als früher. Dieses Phänomen wird oft zur Untermauerung eines generellen Insektenschwundes sowie des eklatanten Artensterbens ins Feld geführt. Dass es sich dabei nicht nur um ein „Gefühl“ handelt, soll von Wissenschaft und Umweltschutz nun auch mit Daten unterfüttert werden.
Welche Insekten in Österreich fliegen, kann dabei über die größten Winschutzscheiben im Verkehr überhaupt herausgefunden werden. Ein neues Biodiversitätsprojekt des Instituts für Zoologie der Universität Innsbruck wird dafür den öffentlichen Verkehr in Tirol, Kärnten, Nieder- und Oberösterreich ins Visier nehmen, der den Forscherinnen helfen könnte, die Vielfalt an Kleinstlebewesen zu untersuchen. Insektenrückstände auf Postbussen sind dabei das interessante Ausgangsmaterial, aus dem DNA-Proben entnommen und entschlüsselt werden können. Die neue Methodik umfasst DNA-Spurenanalytik, spart zudem laut Angaben der Uni Ressourcen und Zeit und deckt auch erstmals größere Gebiete ab. Gefördert wird das Insekten-Bus-Monitoring (IBM) vom Klimaschutzministerium (BMK) über den Biodiversitätsfonds.
Abklatsch der Insektenvielfalt
„Bei ihren Fahrten ,sammeln’ öffentliche Verkehrsmittel in großer Zahl Insekten, die auf die Frontbereiche und Windschutzscheiben der Fahrzeuge prallen und dort ihre DNA-Spuren hinterlassen. Damit generieren diese Fahrzeuge wertvolle Informationen zum Vorkommen von Insekten in den regelmäßig von ihnen befahrenen Gebieten, ohne dass weitere Insekten zu Monitoringzwecken zu Schaden kommen müssen“, erklärte Projektleiter und Zoologe Michael Traugott.
Das Monitoring umfasst Ackerflächen und Grünland genauso wie bewaldete Strecken oder Siedlungsgebiete, was den Forschenden einen guten Überblick verschafft: „Wir sehen, in welchem Zustand sich unsere Insektenwelt in Österreich befindet und wie sich die Artenvielfalt und Insektengemeinschaften verändern“, so Traugott.
Drei Mal im Monat entnimmt das Projekt-Team entlang von vier Buslinien pro Bundesland Proben mit Mikrofasertüchern. Diese werden dann ausgewaschen, dann wird die Insekten-DNA aus dem Wasser extrahiert, konservatiert und ab Herbst am Institut für Zoologie der Universität Innsbruck in Zusammenarbeit mit der Sinsoma GmbH analysiert. In Tirol gibt es zusätzlich Insekten-Fangschalen entlang der Busstrecken. Der Testzeitraum erstreckt sich von April bis September.
Für den Naturhaushalt sind Insekten von großer Bedeutung“, erläuterte der Projektleiter. „80 Prozent der Blütenpflanzen brauchen Insekten als Bestäuber. Insekten sind auch sehr wichtig als Gegenspieler von Schädlingen. Larven der Hainschwebfliegen, zum Beispiel, fressen Blattläuse. Außerdem sind Insekten eine wesentliche Basisnahrung für viele andere Tiere, wie Vögel.“ Aktuelle Studien stellen jedoch fest, dass weltweit in vielen Ökosystemen ein markanter Rückgang an Insekten beobachtet wird.
Zum ersten Mal werde über den Busmonitoring-Ansatz die Insektenvielfalt über größere Gebiete untersucht. Darüber gäbe es laut Michael Traugott bis dato noch keine umfassenden Daten oder ähnlich gelagerten Projekte weltweit: „Jene DNA-Methoden, die uns ein umfassendes Insektenmonitoring aus solchen Umweltproben erlauben, gibt es erst seit wenigen Jahren. Der Ansatz ist ressourcenschonend und zeitsparend.“
Angetan von der Aktion war auch Alfred Loidl, Vorstand Österreichische Postbus AG. Diese leiste einen „wesentlichen Beitrag zur Untersuchung der Artenvielfalt und zur Erhaltung unseres Ökosystems und damit zum Schutz unserer Umwelt“, zeigte sich der Manager überzeugt.
Die Ergebnisse zur Artenvielfalt der Fluginsekten will das Forschungsteam im Herbst kommenden Jahres veröffentlichen. Biodiversitätsfonds Österreich, Klimaschutzministerium und Europäische Union fördern das Projekt, für das die Wissenschaftler mit der Österreichische Postbus AG zusammenarbeiten.