Kategorie Innovation & Technologie - 7. November 2023

Wie Weltraumforschung den Klimawandel sichtbar macht

Der Beitrag, den die Weltraumforschung im Kampf gegen die Klimakrise leistet, kann durch neue Modellierungsmethoden und diversere Daten vergrößert werden, sagte Stefanie Lumnitz von der European Space Agency (ESA) zur APA. Von 6. bis 9.11. tauschen sich Forschende sowie Vertreter aus Politik und Industrie im Austria Center Vienna auf der Big Data from Space-Konferenz (BiDS) über vorhandene Tools und anstehende Innovationen, wie den digitalen Zwilling der Erde, aus.

 

„Der Arzt sieht sich das Blutbild eines Patienten an, um mehr über dessen Gesundheitszustand zu erfahren – ähnlich hat das globale Klimabeobachtungssystem (GCOS) essenzielle Klimavariablen identifiziert“, so Lumnitz, die auch Vorsitzende der BiDS-Konferenz ist. 60 Prozent dieser Indikatoren zum Wohl des Planeten können durch Satellitendaten schon jetzt sehr gut charakterisiert und anhand eines Dashboards von jedermann eingesehen werden.

In die Modelle der Forscherinnen und Forscher fließen aber nicht nur Satellitendaten ein: „Es gibt auch Systeme, die flugzeuggestützt operieren oder Drohnen, die lokal eingesetzt werden“, sagte die Weltraumforscherin. Auch kleine Sensoren in Bodennähe sammeln lokal zusätzliche Daten. „Satellitendaten allein leisten schon einen Beitrag zur Bekämpfung der Klimakrise. Dieser wird jedoch viel größer, wenn man sie mit anderen Daten und neuen Modellierungsmethoden kombiniert“, so Lumnitz.

Blick in die globale Zukunft

Mit diesen neuen Modellen soll der Blick in die globale Zukunft gelingen: So wird im Rahmen des gemeinsamen Projektes „Destination Earth“ der ESA, der Europäischen Kommission, der Europäischen meteorologischen Satellitenagentur (EUMETSAT) und des Europäischen Zentrums für mittelfristige Wettervorhersagen (ECMWF) ein digitaler Zwilling der Erde erstellt. Der Zwilling lässt sich über drei Merkmale definieren, erklärte Lumnitz: „Erstens geht es um die Beobachtung des Istzustandes, zweitens wollen wir wissen, was in Zukunft sein wird. Drittens geht es darum abzubilden, wie unser heutiges Handeln diese Zukunft beeinflusst.“

„Da geht es auch um riesige Infrastrukturen, auf Basis derer man Simulationen durchführen kann“, ergänzte der Geoinformatiker Thomas Blaschke von der Universität Salzburg, der auf der Konferenz als Keynote Speaker vertreten sein wird, gegenüber der APA. Es sei etwa auch notwendig, alle Informationen zu Themen wie Wasser und Wind bei den Modellen zu integrieren, so Blaschke weiter. Bis 2027 werden bei „Destination Earth“ zuerst digitale Zwillinge mit speziellen Ausrichtungen erstellt, sagte Lumnitz. Dabei liegt der Fokus etwa auf Klimawandelanpassungen oder wetterbedingten Extremen. Letztendlich will man all diese zusammenlegen, um sich „der großen Vision“ der Abbildung des komplexen Systems Erde anzunähern.

Die Basis für dieses Vorhaben bilden riesige Datenmengen, denen man mithilfe von KI und maschinellem Lernen beikommt, etwa beim Thema Solarenergie: „Man kann beispielsweise Satellitendaten benutzen, um über das Jahr hinweg auszurechnen, wie hoch das Gesamtpotenzial der Kilowattstunden Strom unter den herkömmlichen Fotovoltaiksystemen und der Dachneigung verschiedener Dächer insgesamt ist“, so Lumnitz. Mit automatisierter Objekterkennung werde dann aus Satellitendaten die aktuelle Abdeckung erfasst und kartografiert.

„Ganz große Anwendung“ Klimawandelsimulation

Die „ganz große Anwendung“, die Klimawandelsimulation, werde dann auch die globale Maßstäbe darstellen können: „Wenn sich die Welt um 1,5 Grad aufheizt, passiert das nicht überall gleichzeitig. Mit dem digitalen Zwilling kann man etwa simulieren, wie und wann unterschiedliche Gebiete, von den Küstenregionen bis zu den alpinen Gletschern, betroffen sein werden – hier geht es um die großen Fragestellungen“, sagte Blaschke.

Durch die technische Möglichkeit, unterschiedliche Szenarien zu modellieren, werde außerdem eine Entscheidungshilfe bei Investitionen geboten. So sei beispielsweise die Berechnung der Windausbeute an unterschiedlichen Standorten schon jetzt möglich – „Mit den neuen Modellen kann allerdings simuliert werden, wie sich die Ausbeuten verändern, wenn sich das Klima in den nächsten 10 bis 30 Jahren gemäß der Vorhersagen wandelt“, so Blaschke weiter.

Für Lumnitz ist dabei besonders faszinierend, dass die Weltraumforschung einen Schnittpunkt zwischen neuen Technologien und vorhandenen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Disziplinen darstellt. Gerade durch neue Entwicklungen bei KI und maschinellem Lernen können die großen Datenmengen, die in vielen Bereichen gesammelt werden, immer besser kombiniert und analysiert werden – „und genauso entsteht wissenschaftlicher Fortschritt“, sagte die Weltraumforscherin.

Service: Website zur Konferenz: https://www.bigdatafromspace2023.org/

Dashboard zu den essenziellen Klimavariablen (ECVs): https://climate.esa.int/en/odp/#/dashboard