Kategorie Innovation & Technologie - 7. November 2018

EUSpace: Satelliten in Serie aus Österreich

Wie geht es weiter mit der europäischen Raumfahrt? Rund 250 Regierungs- und Kommissionsmitglieder berieten in Graz zwei Tage lang die Entwicklung der europäischen Raumfahrtpolitik. Auf der Weltraumkonferenz EUspace stand zum Abschluss auch das exzellente Space-Know-How an österreichischen Forschungsinstitutionen im Zentrum.

Kurz nachdem in Russland bekannt gegeben wurde, dass der erste bemannte Raumflug nach der Sojus-Notlandung schon am 3. Dezember dieses Jahres wieder zur Internationalen Raumstation ISS aufbrechen wird, wurden in Graz unter dem Motto EU Space for Business alle weiteren Entwicklungen im Weltraumsektor diskutiert. Basis dafür bildeten die Erfahrungen und Beobachtungen der EU, der ESA, der nationalen Weltraumagenturen und der Industrie.

Mit Ausnahme des Human Space Flight nimmt Europa bereits führende Positionen in allen Weltraumbereichen ein: dazu gehören Wissenschaft, Erkundung, Erdbeobachtung, Navigation, Telekommunikation, Startdienste, Raumflugbetrieb. Mit Copernicus und Galileo verfügt Europa über die weltweit leistungsfähigste Weltrauminfrastruktur für Erdbeobachtung und Navigation.  Europa steht bei öffentlichen Investitionen in Weltraumaktivitäten weltweit an zweiter Stelle: überflügelt bis dato lediglich von den USA.

Unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von Weltraumminister Norbert Hofer und der für EU-Weltraumaktivitäten verantwortlichen EU-Kommissarin und ehemaligen polnischen Infrastrukturministerin, Elzbieta Bienkowska, avancierte Graz durch die hochkarätige Konferenz im Rahmen der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft einmal mehr zum Mittelpunkt des Alls.

So bot die Konferenz auch Anlass eine kleine wissenschaftliche Sensation einer österreichisch-polnisch-kanadischen Kooperation zu präsentieren: Den besten je beobachteten Verlauf einer Nova. Die Entdeckung wurde durch die BRITE-Constellation ermöglicht. Die Flotte umfasst fünf Nano-Satelliten, Österreich trägt mit zwei Satelliten (TUGSAT-1 und UniBRITE) und dem Know-How an der TU Graz, Universität Wien und Universität Innsbruck bei.

UGSAT-1 und sein Wiener Satellitenzwilling UniBRITE kreisen seit 25. Februar 2013 in 800 Kilometern Höhe um die Erde und beobachten im Rahmen der Mission BRITE helle, massereiche Sterne. Visualisierung © TU Graz

„Ich gratuliere dem Team um Prof. Koudelka von der TU Graz zu dieser großartigen Entdeckung. Österreich hat sich nunmehr auch mit eigenen Satelliten einen international anerkannten Status erarbeitet. Die von meinem Ressort zielgerichtet verfolgte Strategie zur Entwicklung eigener Kleinsatelliten lässt uns im besten Sinn des Wortes nach neuen Sternen greifen“, so Minister Hofer. „Und wir arbeiten weiter: Die nächsten Satelliten Made in Austria sind bereits in Entwicklung und werden bald starten“, zeichnet Minister Hofer den Weg für die kommenden Jahre vor.

Kleinsatelliten in Serie

„Klein- und Kleinstsatelliten sind handliche Objekte, die das Potenzial haben, die Weltraumforschung große Stücke weiterzubringen. Denn mit den kompakten Satelliten ist es möglich, neue Weltraumtechnologien relativ rasch und kostengünstig auszuprobieren“, erklärt Klaus Pseiner, Geschäftsführer der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft FFG, die im Auftrag des BMVIT die österreichischen Weltraumaktivitäten umsetzt.

„Dabei kann Österreich aufgrund seiner Expertise sehr gut seiner Rolle als anerkannter Mitgliedsstaat gerecht werden. Diese Initiativen dienen der Technologiedemonstration, aber auch der Ausbildung. Gerade Kleinsatelliten sind vor allem für junge Studierende eine gute Gelegenheit, Hands-On-Erfahrungen beim Bau von Weltraumobjekten zu sammeln.“

„Die BRITE-Mission ist schon jetzt eines der erfolgreichsten Nanosatelliten-Projekte weltweit“, sagt Otto Koudelka, Leiter des Instituts für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz und einer der Masterminds hinter BRITE-Constellation. „Mit dieser neuen Entdeckung, an der die ersten beiden österreichischen Satelliten TUGSAT-1 und UniBRITE mit ihren Schwestersatelliten beteiligt sind, kann eindrucksvoll gezeigt werden, dass auch anspruchsvolle wissenschaftliche und technologische Aufgabenstellungen durch Kleinsatelliten zuverlässig erfüllt werden können“.

 

An der Universität Innsbruck widmet sich Konstanze Zwintz am Institut für Astro- und Teilchenphysik mit ihrem Team der astrophysikalischen Untersuchung des Datenmaterials der Satelliten zu verschiedenen pulsierenden Sternen. „Die Satelliten haben zum Ziel, die Helligkeitsschwankungen von den hellsten Sternen am Himmel so präzise wie möglich zu messen und über einen langen Zeitraum hinweg zu dokumentieren“, erklärt sie.

„Nur durch solche Messungen können wir mehr über den inneren Aufbau und die Entwicklung von Sternen lernen, und damit auch herausfinden, wie die Jugend unserer Sonne war und wie ihre zukünftige Entwicklung sein wird.“

Aufspüren astronomischer Phänomene

Die BRITE-Constellation ist eine Flotte von fünf Nano-Satelliten, die das Licht der hellsten Sterne am Himmel mit hoher Präzision aufnehmen. Österreich ist mit Polen und Kanada eines von drei Ländern, die mit TUGSAT-1 und UniBRITE zwei Satelliten zu der Konstellation beitragen.

Die BRITE-Constellation fliegt in einer Umlaufbahn von etwa 800 km Höhe und hat seit Beginn der Mission mehr als 550 Sterne beobachtet. Vor kurzem entdeckte Rainer Kuschnig, Operations Manager von BRITE-Constellation an der TU Graz, bei seiner täglichen Kontrolle der fünf Nano-Satelliten einen neuen Stern, der am Vortag noch nicht dort war und von Tag zu Tag heller wurde. Völlig unerwartet war eine Nova aufgetaucht.

„Seit Beginn der BRITE-Mission im Jahr 2013 haben unsere fünf Nanosatelliten Millionen von Bildern aufgenommen – aber diese Aufnahmen sind weltweit einzigartig“, freut sich Rainer Kuschnig vom Institut für Kommunikationsnetze und Satellitenkommunikation der TU Graz. Eine Nova oder klassische Nova ist ein vergängliches astronomisches Phänomen: unerwartet und plötzlich taucht ein heller, scheinbar neuer Stern auf, der zunächst an Helligkeit gewinnt, um dann langsam über mehrere Wochen bis Monate wieder lichtschwächer zu werden.

Normalerweise werden Novae von speziell dafür vorgesehenen Instrumenten auf der Erde entdeckt und nur ein paar Mal pro Nacht vermessen. Im Fall dieser Nova Carinae 2018 allerdings beobachteten die BRITE-Constellation Satelliten die komplette Entwicklung – den ursprünglichen Ausbruch der Nova, das Helligkeitsmaximum, und die Endphasen – in noch nie dagewesener zeitlicher Auflösung und Präzision über insgesamt 150 Tage. Das bietet die einzigartige Gelegenheit für Experten, in diesem Forschungsgebiet die Anfangsphasen der Nova auf eine solide theoretische Basis zu stellen und offene Fragen zu klären.

Zwei weitere Nanosatelliten in Graz in Entwicklung

Neben TUGSAT-1 der Technischen Universität Graz, UniBRITE der Universität Wien und PEGASUS der FH Wiener Neustadt (untersucht die Beschaffenheit der Erdatmosphäre) befinden sich an der TU Graz zwei weitere Kleinsatelliten in Entwicklung.

Im Auftrag der ESA wird das 2,4 Millionen Euro schwere Nanosatellitenprojekt OPS-SAT entwickelt. Missionsziel von OPS-SAT ist der risikoarme Test von Weltraumsoftware direkt im orbitalen Flug – bislang aus Gründen der Zuverlässigkeit ein Tabu im Satellitenbetrieb.

„Das Ziel der Mission ist es, neue leistungsfähige Prozessoren, Funkempfänger und Weltraum-Software unter realen Weltraumbedingungen risikoarm zu testen. Eine zur Erde gerichtete Kamera ist ebenfalls mit an Bord. Weiters steht die erste Datenübertragung eines Nanosatelliten via Licht am Plan, und zwar zwischen OPS-SAT und dem Observatorium Lustbühel in Graz“, erklärt Otto Koudelka. Das Weltraumlabor OPS-SAT ist die erste Nanosatellitenmission der ESA. OPS-SAT soll 2019 starten.

Der Cubesat namens PRETTY (Passive REflecTomeTY) ist ein Nanosatellit aus drei Würfeln mit Kantenlängen von jeweils zehn cm und damit etwas größer als eine Packung Milch. Der Satellit wird gemeinsam mit RUAG Space und Seibersdorf Laboratories entwickelt. Seine Aufgabe ist es, als erster Nanosatellit überhaupt Eis auf Gletschern oder an den Polen sowie die Wellenbewegungen der Ozeane zu vermessen und zu registrieren.

 

Der neue Cubesat ist Teil der weltweiten Umwelt- und Wetterbeobachtung der ESA und trägt dazu bei, den Klimawandel zu erforschen. Mit PRETTY wird der fünfte Satellit Made in Austria ins All abheben.

Das Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) , das seit 2014 auch offiziell das Weltraumministerium ist, finanziert Programme der Europäischen Weltraumorganisation ESA mit und ermöglicht dadurch österreichischen Betrieben eine Teilnahme an ESA-Missionen. Das BMVIT investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Rund 120 österreichische Firmen und Organisationen mit über 1.000 Beschäftigten sind in der Weltraumindustrie tätig. Der Gesamtumsatz der Branche beträgt etwa 125 Millionen Euro im Jahr.

INFObox: Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) ist seit 2014 auch Weltraumministerium und investiert jährlich rund 70 Millionen Euro in den Weltraumsektor. Unter Einrechnung der EU-Flagschiffprogramme Copernicus, Galileo/EGNOS und H2020 liegt Österreichs Beitrag bei etwa 100 Millionen Euro pro Jahr. Österreich finanziert Programme der ESA mit und ermöglicht österreichischen Betrieben so, sich für Aufträge im Rahmen der ESA-Missionen zu bewerben. Darüber hinaus wurde bereits 2002 das Österreichische Weltraumprogramm ASAP vom BMVIT initiiert, welches von der Agentur für Luft- und Raumfahrt der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) umgesetzt wird. Dieses Förderprogramm unterstützt die österreichische Raumfahrt-Hochtechnologie bei der Erreichung internationaler Spitzenleistungen in der gesamten Bandbreite der Raumfahrt: Von der Weltraumforschung und Wissenschaft über Technologieentwicklungen bis zu Anwendungen der Raumfahrttechnologien, wie Erdbeobachtung, Telekommunikation und Navigation.