Kategorie Innovation & Technologie - 7. September 2021
Grazer Weltraumtechnologie: Pionierleistung mit W-Band-Frequenzen aus dem All
Funkfrequenzen und Bandbreiten sind eine global heiß umkämpfte Ressource. Es geht vor allem um terrestrische Anwendungen, insbesondere um die Kommunikation zwischen Geräten (Stichwort: Internet of Things IoT). Zusammen mit der großen Vielzahl der im Orbit herumschwirrenden CubeSats und Megakonstellationen herrscht ein enormer Bandbreitenbedarf. Am Dach der JOANNEUM RESEARCH in Graz wurden nun zum ersten Mal Satellitensignale bei 75 GHz aus 500 Kilometer Höhe empfangen. Eine Quasi-Revolution auf diesem Feld neuer Frequenzbereiche, die für zukünftige Satellitenkommunikationssysteme genutzt werden sollen. Unterstützt wird das Projekt durch das Weltraumministerium (BMK).
Die Frequenzen sendet der CubeSat, der am 30. Juni 2021 als Teil der Nutzlast an Bord einer Falcon-9-Rakete von Cape Canaveral in einen polaren Orbit startete. Das Ziel der Mission lautete, W-Band-Signale vom Satelliten auszusenden und neues Wissen über die atmosphärischen Effekte bei der Ausbreitung von Funksignalen in einem so hohen Frequenzband zu generieren.
Hintergrund ist somit auch der deutlich gestiegene Kapazitätsbedarf zur Datenübertragung. Weltweit wird an neuen Datenhighways für den digitalen Konsum geforscht. Neben immer strikteren Regelungen weicht man auch zu immer höheren Frequenzen aus. Um die neuen leistungsstarken Satelliten ans Internet anzubinden, werden jetzt neue Frequenzen – wie 75 und 37,5 GHz – getestet. Das klingt einfach, ist aber komplex, da die kurzen Wellenlängen vom Wettergeschehen stark beeinflusst werden und nicht jeder Frequenzbereich sich für die Übertragung eignet. „So ist gewissermaßen ein Wettlauf zu beobachten, wer sich früher die sehr hohen Frequenzen zunutze machen kann“, erklärt Forschungsgruppenleiter Michael Schönhuber, Experte für Weltraumkommunikation am JOANNEUM.
Während die sogenannten Ka-Band-Frequenzen (20/30 GHz) bereits in Betrieb sind, gibt es einige Forschungsaktivitäten und experimentelle Satellitenpayloads im Q/V-Band-Bereich (40/50 GHz). Das W-Band (75-110 GHz) war bis vor kurzem noch Zukunftsmusik. „Zwar gab es Versuche internationaler Player, aber noch sind keine Ergebnisse bekannt“, so Schönhuber weiter.
Mit dem Empfang und dem Start der Auswertungen leisten die Grazer Forscher gemeinsam mit dem internationalen Projektteam Pionierarbeit: „Die Messphase beginnt jetzt mit den ersten Signalen, die wir vom CubeSat empfangen. Wir müssen das neue Band verstehen, um es bestmöglich nutzen zu können. Mit den Ergebnissen wird es möglich sein, Modelle zu erstellen, um die Dimensionierung von Satellitenstrecken zu ermöglichen und den Betrieb effizient durchzuführen“, so der Projektleiter Michael Schmidt. „Wir haben technologisches Neuland betreten und sind damit in Europa ganz vorn dabei“, freut sich Michael Schönhuber.
Die Entwicklung des CubeSat fand in Finnland statt – Michael Schmidt von DIGITAL, dem Institut für Informations- und Kommunikationstechnologien der JOANNEUM RESEARCH, hat die Leitung des ESA-Projekts inne. Der CubeSat wird fünf- bis sechsmal pro Tag von Graz aus sichtbar sein. Die Empfangsantenne wurde vom Projektpartner Luis Cupido Technologies entwickelt, der Satellit von Reaktor Space Lab, Fraunhofer und VTT Technical Research Centre of Finland, die eingegangenen Daten werden vom Team der JOANNEUM RESEARCH und der Universität Stuttgart ausgewertet.
Michael Schmidt arbeitet seit 25 Jahren im Bereich Satellitenkommunikation und war und ist an vielen ESA-Projekten beteiligt. So wurde unter seiner Leitung auch die erfolgreiche Entwicklung, der Bau und der Betrieb der Satellitenbodenstation „Hilmwarte“ in Graz durchgeführt. Auf der Grazer Hilmwarte wurden wichtige Erkenntnisse im Bereich Vermessung der Dämpfung von Satellitensignalen durchgeführt und Methoden entwickelt, mit denen diese Dämpfungen kompensiert werden können.
Das Projekt wurde nach einer kompetitiven Ausschreibung vom Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie mit rund einer Million Euro gefördert und die Finanzierung wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft mbH (FFG) im Rahmen eines ESA Projektes bereitgestellt. Im Projekt verantwortet damit die größte Einzelförderung die Agentur für Luft- und Raumfahrt der FFG. Die Länder Finnland, Deutschland und Portugal unterstützten das Vorhaben ebenfalls mit insgesamt zwei Millionen Euro.
apa / red