Kategorie Innovation & Technologie - 29. Januar 2016
Weltweit die Sonne besser nützen
In den Anden gibt es bei Solaranlagen Ausfälle wegen der Höhenstrahlung, in Saudiarabien verschlechtert Sand in den Modulen die Leistung, auf Teneriffa gibt es Probleme mit der Luftfeuchtigkeit, und in den österreichischen Alpen bringt die Schneedecke im Winter Einbußen. „Im Moment haben wir bei Fotovoltaikmodulen weltweit die gleiche Norm. Tatsächlich sind die Bedingungen aber überall unterschiedlich“, sagt Christina Hirschl vom Carinthian Tech Research (CTR).
Das Villacher Forschungszentrum leitet das Projekt „Infinity“. Es ist eine von fünf Forschungseinrichtungen und neun Industriebetrieben, die an neuen Fotovoltaikanlagen arbeiten. Es sollen dabei an verschiedene klimatische Umgebungen angepasste Systeme entstehen. Denn die derzeitigen Solar-Module seien zwar prinzipiell sehr zuverlässig, aber die Leistung ließe sich noch weiter verbessern, so Hirschl. Dabei geht es nicht nur um technische Innovationen, sondern vor allem auch um Wirtschaftlichkeit: „Wir könnten durchaus das eine, perfekte Fotovoltaikmodul entwickeln, das überall optimal funktioniert, aber es wäre nicht rentabel“, grenzt Hirschl ein.
Auch Maismehl kann stören
Stattdessen wollen die Forscher verschiedene Anlagen entwickeln, die genau an die Herausforderungen der Klimazonen und Wetterlagen angepasst sind. Und die Industriepartner sollen sie möglichst günstig produzieren können.
Wichtig sei, alle Schritte von der Entwicklung bis zur Wartung abzudecken, so Hirschl. Daher entwickeln die Forscher auch Sensoren, mit denen die Betreiber die Anlagen besser laufend überwachen können. Als Grundlage dafür untersuchen die beteiligten Wissenschaftler seit Jahren Solaranlagen auf der ganzen Welt. Dabei fanden sie ganz unterschiedliche Ursachen, die die Leistung der Kraftwerke vermindern. So verschmutzte etwa in landwirtschaftlich geprägten Gegenden aufgewirbeltes Maismehl die Anlagen. In den Tropen trat Feuchtigkeit in die Module ein und führte zu Problemen mit der Isolation.
Vor allem bei Großanlagen kann schon ein kleiner Schaden große Auswirkungen auf die Leistung haben. Denn dort sind viele Module in einer Reihe verbunden. „Es ist wie bei einem Abfluss. Ist er an einer Stelle verstopft, fließt das Wasser nirgends mehr gut ab. Wenn ein Modul in einer Großanlage schadhaft ist, leidet die gesamte Reihe darunter“, sagt Hubert Fechner von der FH Technikum Wien. Sein Team analysiert für das Projekt bestehende Solaranlagen.
Viel Potenzial bei Kleinanlagen
Daneben sind auch das österreichische Forschungszentrum für Chemie und Technik und das Polymer Competence Center Leoben an dem Projekt beteiligt. Das Austrian Institute of Technology koordiniert es auf wissenschaftlicher Ebene. Die Forscher wollen nicht nur Großkraftwerke, sondern auch Anlagen für den privaten Gebrauch optimieren. Bei diesen treten zwar noch seltener Probleme auf, in ihnen steckt aber auch großes Potenzial: Wären etwa im Burgenland auf allen südlich geneigten Dächern Fotovoltaikanlagen installiert, könnte man damit den eineinhalbfachen Stromverbrauch des Bundeslands decken, so Fechner.
In Österreich kommen im Moment unter zwei Prozent des Stroms aus Solarkraftwerken. Auch Hirschl sieht die Zukunft weltweit in kleineren Fotovoltaikanlagen: „Der Strom soll dort produziert werden, wo er gebraucht wird.“ Sie glaube nicht an riesige Kraftwerke in der Sahara, die ganz Europa mit Strom versorgen. Daher sei es wichtig, die Systeme für alle Umgebungen zu optimieren.
Fotovoltaik statt Dachziegeln
Die Zukunftsvision ist noch viel größer. Geht es nach Fechner, sollen Fotovoltaikmodule flächendeckend in Gebäude eingebaut werden. Sie sollen dann Dächer und Fassaden ersetzen, statt nur an ihnen angebracht zu sein. Damit könnten Städte einen bedeutenden Anteil ihres Stroms selbst erzeugen. Der große Vorteil: Die Module brauchen, anders als andere Kraftwerke, keinen zusätzlichen Platz. (Von Dominik Perlaki, Die Presse, 30.1.2016)