Kategorie Innovation & Technologie - 17. Juni 2019

Automatisiertes Fahren: Dem Autoscheinwerfer geht ein Licht auf

Florian Seitner fährt einen alten Opel Astra, ein Auto, das ihn all die Jahre nicht im Stich gelassen hat. Ein verbrauchsarmer Vertreter der Kompaktwagenklasse, optimal für die Stadt. Lenk- oder Bremsassistent sind freilich nicht an Bord. Auch sonst keine Helferlein, die den Stadthüpfer auf das Autonomielevel eins, die unterste von fünf Stufen automatisierten Fahrens, heben würden.

Seitner sieht es gelassen. Er ist CEO und Gründer der Wiener Firma Emotion3D, eines Spin-off der TU Wien. Als solcher hat er mit autonomen Fahranwendungen, die aktuell ein neues Kapitel der Mobilität aufschlagen, reichlich zu tun. Das liegt an seiner Disziplin, der automatischen Analyse von Bildern in Echtzeit mittels künstlicher Intelligenz.

© pixabay

Aus den mit Kameras im Fahrzeuginnenraum aufgenommenen Bildern lassen sich damit etwa Körperhaltung, Aufmerksamkeit, Emotionen und Gesten eines Fahrers deuten − „eine wesentliche Interpretationsgrundlage für das automatisierte Fahren“, sagt Seitner. Außerhalb des Fahrzeugs findet diese Muster- und Bewegungserkennung ebenso Anwendung.

Denn auch die bessere Erfassung der Fahrzeugumwelt durch Kameras − etwa zur effizienteren automatisierten Einleitung von Bremsmanövern − ist ein Gegenstand der Forschung. „Häufig werden die hier vorhandenen Algorithmen zur Objekterkennung nur unter idealen Bedingungen getestet“, weiß die TU-Informatikerin Margrit Gelautz. Im Projekt CarVisionLight untersucht sie mit Seitner einen alternativen Ansatz. Entstehen soll ein Algorithmus, „der mehr verinnerlicht hat als nur Schönwetterszenarien“, sagt Gelautz.

© TU Wien

Das Forschungsprojekt wird im Rahmen des Programms IKT der Zukunft, einer Initiative des Bundesministeriums für Ministerium Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert.

Studium von Wind und Wetter

In den nächsten Monaten soll er Zehntausende Tag- und Nachtszenen einstudieren, unterschiedliche Objektklassen lernen und sie selbstständig in neuen Bildern identifizieren. Und Schlechtwetteraufnahmen vorgesetzt bekommen, bei denen die Zuordnung der einzelnen Bildpunkte zu Objekten − anderen Verkehrsteilnehmern, der Vegetation oder der Verkehrsinfrastruktur − noch eine Spur schwieriger ist.

© TU Wien

„Die Algorithmen müssen sich auf regennassen, stark reflektierenden ebenso wie auf eingeschneiten Fahrbahnen beweisen“, heißt es im Projekt. Das erforderliche Trainingsmaterial an Bilddaten lag Anfang Juni bereits großteils vor. Teilweise wurde es mittels Computergrafik simuliert. „Hauptsächlich aber ist es realen Verkehrsszenen entnommen“, sagt Gelautz.

Mächtigeres Fernlicht

Auch der Lichtsystemehersteller ZKW stellt Daten bereit. Die Wieselburger, im Vorjahr vom südkoreanischen Konzern LG übernommen, sind nicht zufällig ein Partner im Projekt. Nicht mehr im Fahrzeuginneren hinter der Windschutzscheibe, sondern an der Fahrzeugfront positioniert, könnten Kameras der Scheinwerferelektronik Daten zur Art, Position und Distanz von Straßenobjekten übermitteln. Die Folge könnte eine effizientere Ansteuerung des Fernlichtassistenten und entsprechend höhere Straßensicherheit sein.

Umgekehrt könnten auch die Kameras aus einer solchen Schnittstelle Profit schlagen. „Ist die Szene bedarfsgerecht ausgeleuchtet, können Kameras die Umwelt effizienter erfassen“, sagt Seitner. Projektschluss ist im Mai des nächsten Jahres. Fürs Erste erwarten die Algorithmen in Wien lange Trainingsstunden.

Von Daniel Pohselt, DiePresse


Service: 2016 wurde der erste Aktionsplan zum automatisierten Fahren in Österreich vom BMVIT veröffentlicht. Vieles aus dem bisherigen Aktionsplan konnte in den letzten zwei Jahren bereits umgesetzt werden. Es wurden erste rechtliche Rahmenbedingungen für das Testen von automatisierten Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen in Österreich geschaffen, Testumgebungen etabliert und Leitprojekte initiiert.

Im Herbst 2018 wurde das neue Aktionspaket automatisierte Mobilität – „AUTOMATISIERT – VERNETZT – ELEKTRISCH – MOBIL“ vorgestellt. Es wird weitere mittel- bis langfristigen Maßnahmen im Bereich des automatisierten Fahrens in Österreich definieren und legt dabei einen besonderen Wert auf einen verkehrlich sinnvollen Einsatz dieser Technologie.

Verordnung zum automatisierten Fahren

Aktionspaket Automatisierte Mobilität

Die wichtigsten Fragen & Antworten zum Automatisierten Fahren.

Automatisiertes Fahren kann für mehr Verkehrssicherheit sorgen und ist zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor: In Österreich arbeiten rund 800 Unternehmen in der Automobilbranche und bieten etwa 70.000 Menschen Arbeitsplätze. Schon jetzt sind die österreichischen Autozulieferbetriebe in vielen Bereichen des automatisierten Fahrens international gefragt. Damit das so bleibt, hat das BMVIT den Aktionsplan Automatisiertes Fahren entwickelt und investiert in Summe 20 Millionen Euro in Testumgebungen und Technologieentwicklung.