Kategorie Mobilität - 16. November 2016
Wetterprognose für den Zugverkehr
Lawinenwarnung am Arlberg nach drei Tagen intensivem Schneefall. Die Zugverbindung zwischen Langen und Bludenz muss gesperrt werden. Die Bahnbetreiber überrascht das nicht. Sie haben die extremen Niederschläge durch die Daten der ÖBB-eigenen Wetterstationen vorhergesehen und vorgesorgt. Schienenersatzverkehr, Schneeräumfahrzeuge und ÖBB-eigene Lawinenkommissionen stehen bereit.
Seit rund zehn Jahren tüftelt man bei der ÖBB-Infrastruktur an einem eigenen Wetterwarnsystem, das genaue Prognosen für alle Strecken erlaubt. „Lawinen und Muren waren schon immer ein Thema für Bahnbetreiber. Als wir beobachteten, dass sich diese und andere Naturereignisse mit dem Klimawandel häuften, haben wir mit der Forschungsarbeit begonnen“, sagt Jürgen Stern, Teamleiter für Geotechnik und Naturgefahrenmanagement. Schließlich zerstören etwa bei Stürmen umstürzende Bäume nicht nur Oberleitungen, auf den Geleisen liegende Hindernisse können einen Zug auch zum Entgleisen bringen. Dazu kommt, dass zunehmende Hitzetage die Materialien stark beanspruchen: Schienen können sich verformen, auch die Gefahr von Böschungsbränden steigt.
Vorhersage wie im Fernsehen
Ziel war daher, ein eigenes Warnsystem zu entwickeln, das möglichst gut vor unliebsamen, mitunter auch gefährlichen Überraschungen schützt. „Unsere Idee war, eine Wettervorhersage zu entwickeln, wie man sie aus dem Fernsehen kennt“, umreißt Innovationsleiter Thomas Petraschek die Vision. Übersichtliche Diagramme und bunte Karten also, die schnell erkennen lassen, wie das Wetter wird. Und wo sich eventuell etwas zusammenbraut.
Eine wichtige Grundlage dafür bildete das Projekt Kliwa. Darin untersuchte man, gefördert vom Klimafonds des Lebens- und Technologieministeriums, die potenzielle Verwundbarkeit der Infrastrukturanlagen durch Klimaveränderungen. Dazu sammelten die Teams der ÖBB gemeinsam mit Wissenschaftlern des Instituts für Meteorologie der Boku Wien und des Umweltbundesamts zunächst einmal Daten. „Wir mussten feststellen, welche Informationen wir für ein Modell brauchen, für welche Orte, über welchen Zeitraum und wie genau diese beschaffen sein müssen“, erklärt Innovationsleiter Thomas Petraschek. Daraus wurde abgeleitet, wo und wie viele Messstationen entlang des Schienennetzes stehen müssen.
Schließlich wurden 42 energieautarke, mit Solarenergie betriebene Wetterstationen errichtet. Sie liefern ständig Daten zu Niederschlag und Schneehöhe, Windstärke und -richtung, Temperatur usw. Diese werden mit jenen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) verschmolzen, so ist mittlerweile ein dichtes Informationsnetz entstanden. „Wir können mit den nunmehr 250 definierten Wetterwarnpunkten alle 20 Kilometer genaue Aussagen über das Wetter entlang unserer Bahnstationen machen“, sagt Stern. Das sei notwendig, weil das Klima immer kleinräumiger werde, sich Starkregenereignisse mitunter auf eine Region beschränken. Für die Algorithmen, die beschreiben, wie das Wetter wird, holte man sich Unterstützung von Ubimet, einem auf Wetterprognosesysteme spezialisierten Unternehmen.
Sensoren „spüren“ Steinschlag
Die Wettervorhersage für das Schienennetz wird freilich laufend verbessert, parallel dazu arbeitet man aber schon an der nächsten Entwicklung, die der Klimawandel notwendig macht: Durch den wiederholten Wechsel zwischen Frost und Tauwetter sowie durch häufigeren Starkregen sind Steinschläge häufiger. Im Glasfaserkabel integrierte Sensoren sollen künftig melden, wenn ein Stein auf das Schotterbett der Bahntrasse fällt. Erste Tests gibt es bereits, das Projekt läuft aber noch.
Um die Sicherheit auf jedem Meter Gleis zu gewährleisten, wolle man künftig jedenfalls auch die Größe der Steine und die Intensität des Steinschlags bestimmen, sagt Stern. (Von Alice Grancy, Die Presse)