Kategorie Energie - 11. März 2021

10 Jahre nach der Katastrophe von Fukushima

Zehn Jahre nach der Katastrophe gedenkt Japan an diesem Donnerstag Tausender Todesopfer des Tsunamis von 2011 sowie des schweren Reaktorunfalls von Fukushima.

Am 11. März 2011 erlebte Japan das schwerste Erdbeben seiner Geschichte mit einer Stärke von 9,0 und einem anschließenden Tsunami. Insgesamt 15.900 Menschen kamen ums Leben. 2.500 werden noch immer vermisst, hunderttausende Häuser wurden beschädigt. Der Tsunami überflutete auch die Kernkraftwerke Fukushima Dai-ichi und Fukushima Da-ini und es war schnell klar, dass es zumindest im Kernkraftwerk Fukushima Dai-ichi zu einem schweren Kernkraftwerkunfall gekommen ist. Die Fernsehbilder der Explosionen im Kernkraftwerk (KKW) haben sich in das kollektive Gedächtnis eingebrannt und die Welt in Atem gehalten. Wegen der radioaktiven Strahlung mussten 160.000 Anrainer fliehen. Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit dem Unfall im ukrainischen KKW Tschernobyl 1986.

 

Der Reaktorunfall in Fukushima hatte erhebliche Auswirkungen auf die nukleare Sicherheit von Kernkraftwerken weltweit, vor allem aber in Europa. Zehn Jahre später, ist es an der Zeit, zurückzublicken und Bilanz zu ziehen.

Europa reagierte – von Österreich maßgeblich initiiert und mitgestaltet – mit Stresstests für Kernkraftwerke. Die Robustheit gegenüber schweren Naturkatstrophen sowie die Möglichkeiten, die Auswirkungen schwerer Naturkatastrophen zu bewältigen, wurde dadurch sicherlich verbessert, vollständig umgesetzt sind die nationalen Aktionspläne aber selbst heute, zehn Jahre später, noch immer nicht.

Ein Geigerzähler zeigt Anfang März 2021 in der Nähe des zerstörten Reaktorblocks Nummer 3 einen Strahlungswert von 231 Mikrosievert pro Stunde an. Zum Vergleich: Die natürliche Ortsdosisleistung liegt in Österreich im Schnitt bei 0,1 Mikrosievert pro Stunde. © apa/REUTERS/Sakura Murakami

Der Europäische Rat der Staats- und Regierungschefs hat im März 2011 gefordert, Überlegungen darüber anzustellen, wie die nukleare Sicherheit in den Nachbarländern der Europäischen Union gefördert werden kann. Seitdem sind die Europäische Kommission und ENSREG, die hochrangige Expertengruppe für Nuklearen Sicherheit und Abfallentsorgung, bemüht, Drittstaaten in unmittelbarer Nachbarschaft der EU und darüber hinaus ebenfalls zu Stresstests zu bewegen. Die Schweiz und die Ukraine waren hier von Anbeginn mit an Bord, später folgten Taiwan, Armenien, Belarus und die Türkei. Darüber hinaus besteht ein zweckgewidmetes EU-Außenhilfeinstrument, das unter anderem den Aufbau von Aufsichtsbehörden sowie die Durchführung von Stresstests, einschließlich der Umsetzung nationaler Aktionspläne, finanziell unterstützt.

Heute jährt sich die Reaktorkatastrophe im japanischen Atomkraftwerk Fukushima zum 10. Mal. Dieser Unfall zeigt uns…

Posted by Leonore Gewessler on Thursday, March 11, 2021

Eine vom Generaldirektor der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) für Juni 2011 einberufene Ministerkonferenz forderte alle Betreiberstaaten weltweit auf, Stresstests durchzuführen. Dieser Aufforderung wurde vielfach entsprochen, wenn auch nicht in dem Umfang der europäischen Stresstests.

Europa hat dann auch seinen Rechtsrahmen überarbeitet und verschärft. Die Europäische Union verfügt mit der geltenden Richtlinie „Nukleare Sicherheit“ über eine rechtlich verankerte Nachrüstverpflichtung, deren Nichteinhaltung zu einem Vertragsverletzungsverfahren und letztlich zu Sanktionen führen kann.

Auf internationale Ebene, dem Übereinkommen über nukleare Sicherheit, blieb es allerdings bei einer Interpretation des bestehenden Übereinkommens, da konkrete Änderungsvorschläge nicht die erforderliche Unterstützung fanden.

Kernenergie kein geeignetes Mittel für den Klimaschutz

Auch die Kernenergieagentur der OEDC (OECD-NEA) hat gemeinsam mit Frankreich, das damals den Vorsitz der G20/G8 Vorsitz innehatte, im Juni 2011 eine informelle Ministertagung zum Thema nukleare Sicherheit abgehalten. Vorschläge, wie beispielsweise von Australien, ab einer bestimmten Schwere eines Unfalls verpflichtend eine internationale Prüfung zuzulassen, oder von Belgien und der Schweiz, internationale Überprüfungsmissionen der NEA und der IAEO verpflichtend zu gestalten, blieben ebenso unverwirklicht wie eine signifikante Stärkung der Rolle internationaler Organisationen im Bereich der nuklearen Sicherheit.

Auch wenn die Aktivitäten auf europäischer und internationaler Ebene nicht mit den anfänglichen Ankündigungen schritthalten konnten, haben sie  sicherlich zur Verbesserung der nuklearen Sicherheit innerhalb Europas und darüber hinaus beigetragen. Andererseits ist der europäische Kraftwerkpark um weitere 10 Jahre gealtert. Und weiterhin gilt: schwere Unfälle in Kernkraftwerken können nicht ausgeschlossen werden – einer der Gründe, warum Österreich in der Kernenergie kein geeignetes Mittel für den Klimaschutz sieht.

Klimaschutzministerin Leonore Gewessler betonte anlässlich des Jahrestages der Katastrophe einmal mehr die klare Position Österreichs gegen Atomkraft: „In Österreich haben wir bereits vor 40 Jahren „nein“ zu Atomkraft gesagt. Und das zu recht: die Atomkraft ist eine Hochrisiko-Technologie. Sie ist gefährlich, zu langsam und zu teuer. Sie schadet unserer Umwelt und unserer Gesundheit. Das ruft uns der Jahrestag des tragischen Atom-Unglücks von Fukushima einmal mehr vor Augen.“

Die Energie-Zukunft Österreichs und Europas liegt laut Gewessler ganz klar im Ausbau der Erneuerbaren Energien: „Die Klimakrise ist die große Herausforderung unserer Zeit. Damit wir sie meistern, müssen wir unser Energiesystem umbauen und auf saubere Energie aus Wasser, Wind, Sonne und Biomasse setzen. Dafür haben wir heute mit der Präsentation des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes einen weiteren Meilenstein für Österreich gesetzt. Das EAG ist unser Gesetz für die Energiewende. Damit ebnen wir den Weg für Österreich zu 100 Prozent grünem Strom aus sauberer Energie bis 2030.“

Dass Kernenergie nicht nachhaltig und kein Beitrag zum Klimaschutz ist, hält auch eine vom BMK beauftragte Studie fest, die von Sigrid Stagl, Professorin an der WU Wien, im Februar vorgestellt wurde. Darin heißt es, dass die Kernenergie zwar eine Energiequelle sei, die weniger CO2-Emissionen als fossile Brennstoffe verursacht, es allerdings andere Energiequellen wie erneuerbare Energieträger (Sonne, Wind, Wasser) mit noch geringeren Treibhausgasemissionen gibt, deren Beitrag zum Klimaschutz nicht durch vergleichsweise hohe Risiken infrage gestellt wird.

Stagl konstatiert zudem, dass die Kernenergie die Taxonomie-Voraussetzung „Do No Significant Harm“ betreffend alle in der Taxonomie genannten Umweltziele nicht erfüllt. Diese Umweltziele sind Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung und Schutz der Wasser-und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme. Zudem können Risiken nuklearer Unfälle weiterhin nicht ausgeschlossen werden. Desweiteren führt Schutz gegen Klimawandelauswirkungen zu steigenden Kosten bei Kernkraftwerken (KKW). Gleichzeitig sinkt die Produktivität von KKW wegen extremer Klimaschwankungen.

Kernkraft benötigt außerdem überdurchschnittlich viel Wasser, dabei haben erhöhte Wassertemperaturen und reduzierte Wasserführung immer wieder zu Unterbrechungen der Stromerzeugung geführt. Beim Abbau von Uran fallen erhebliche Mengen an Abfallstoffen und Prozesswasser an, die schwach radioaktive Stoffe, Metalle und Säure enthalten. Auch die Frage der Lagerung hochradioaktiver Stoffe ist nach wie vor ungeklärt. Abfälle werden immer noch zwischengelagert und stellen eine weitere Gefahr dar, für die keine weitreichenden Lösungen existieren.

Kernenergie entspricht laut Stagl auch nicht den internationalen Sozialstandards, die im Rahmen der Taxonomie vorausgesetzt werden. Uranbergbau und -verarbeitung, die für den Betrieb von Kernkraftwerken notwendig sind, haben immer wieder mit Menschenrechts-und Sicherheitsfragen zu kämpfen. Dies betrifft sowohl die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in den Bergwerken als auch das Menschenrecht auf Zugang zu Ressourcen, wie zu sauberem Wasser und Land für die lokale Bevölkerung. Die Studie kommt außerdem zu folgenden Schlüssen:

  • Die politische, wirtschaftliche, soziale und technische Durchführbarkeit von Sonnen-und Windenergie und Stromspeichertechnologien hat sich in den letzten Jahren extrem gesteigert. Kernenergie hingegen kann keine diesbezüglichen Verbesserungen verzeichnen.
  • Kernenergie ist in weiten Teilen der Welt gesellschaftlich wenig akzeptiert.
  • Erneuerbare Energieträger sind hingegen einfach realisierbar, weitgehend risikofrei, wirtschaftlicher und werden mit jedem Jahr kostengünstiger.
  • Ein Verlass auf die Kernenergie zur Senkung der Treibhausgasemissionen würde wegen der langen Entwicklungszeiten die Stilllegung von fossil befeuerten Kraftwerken verzögern, da letztere für diese Zeit in Betrieb bleiben – damit wäre die Erreichung der Klimaziele nicht mehr möglich.
  • Kernenergie behindert aufgrund der hohen Kapitalintensität den Einsatz anderer CO2-emissionsarmer Alternativen, weil dieses Kapital für den Ausbau alternativer Energiequellen wie Sonne, Wind und Wasser sinnvoller eingesetzt werden könnte.
  • Die Kernenergie geht weiterhin einher mit Risiken nuklearer Unfälle, Risiken des Uranabbaus, finanziellen und regulatorischen Risiken, ungelösten Fragen der Abfallentsorgung und Bedenken hinsichtlich der Verbreitung von Kernwaffen.
  • Kernenergie ist keine brauchbare Übergangs- und Überbrückungstechnologie.

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