Kategorie Innovation & Technologie - 6. April 2017

Alleskönnerinnen: Warum Algen unterschätzt werden

Ein Paradies für parkplatzsuchende Autofahrerinnen und Autofahrer: Unter der Woche kann man sich den Parkplatz vor den Shoppingcentern dieses Landes meistens aussuchen, da vergleichsweise wenige Kundinnen und Kunden die Zeit für ausgedehnte Einkaufstouren haben. Intensiver werden die Parkplätze erst in den Abendstunden oder an Samstagen genutzt. Die riesigen Parkflächen stehen einen Großteil der Zeit leer.

Zugleich gibt es ein Problem bei der Nutzung erneuerbarer Energien. Um Solar- oder Bioenergie zu gewinnen, braucht es großräumige Flächen. Diese werden aber oft auch für andere Zwecke (insbesondere Nahrungs- und Futtermittelproduktion) benötigt. Auf der einen Seite gibt es also häufig leere Parkflächen und auf der anderen Seite werden ökologisch wertvolle Flächen für die Erzeugung erneuerbarer Energien herangezogen.

Die Skills der Algen

Aber könnte man nicht beide Probleme mit einem Schlag lösen? Daran arbeitet das Forschungsprojekt „The Green Parking Space“. Projektleiter Klaus Lichtenegger hat eine interessante Idee: In Zukunft könnten Mikroalgen (Erklärung: Was sind eigentlich Mikroalgen?) Österreichs Parkplätze erobern und zur Produktion von Biomasse beitragen. Diese Biomasse kann in weiterer Folge etwa zur Energiegewinnung genutzt werden. „Die Flächen sind bereits verbaut und wir wollen zumindest versuchen, das Maximum aus diesen Parkflächen herauszuholen. Außerdem soll unser Ansatz die Augen öffnen“, so Lichtenegger.

Man glaubt es kaum, aber die unscheinbaren grünen Algen können nicht nur als Biomasse zur Energiegewinnung dienen. Sie sind wahre Alleskönner. So können sie – insbesondere wegen des enthaltenen Phosphors – als Basis für Düngemittelproduktion genutzt werden. Auch die Gewinnung von Wertstoffen aus Ihnen ist eine Option. Das könnten beispielsweise Omega-3-Fettsäuren, Farbstoffe oder Grundsubstanzen für Bio-Kunststoffe sein.

Algen auf Parkplätzen – das klingt erst einmal nicht gerade naheliegend und bisher wurde auf diesem Gebiet auch wenig geforscht. Und trotzdem gibt es bereits Ideen, wie es funktionieren könnte. Genauer gesagt beschäftigt sich das Forschungsprojekt mit drei Möglichkeiten.

Wie Algen Parkplätze grüner machen könnten

Die für das Auge wohl interessanteste Idee würde sich unter der Parkfläche abspielen. Die Parkplätze wären transparent und darunter würden die Algen in sogenannten Photobioreaktoren „wohnen“. Ein Photobioreaktor ist hier im Wesentlichen ein System aus Rohren. In diesem System werden die Algen im Kreis gepumpt, sind dabei dem Sonnenlicht ausgesetzt, es wird be- und entlüftet, Nährstoffe werden zugeführt und im besten Fall können die Algen sogar Schadstoffe der Autos neutralisieren.

 

Algenzuchtanlage der Firma "ecoduna", ein Entwicklungsunternehmen das ein biotechnisches Verfahren für die Produktion von Mikroalgen im industriellen Maßstab erfunden, zur Reife geführt und patentiert hat. © ecoduna

Algenzuchtanlage der Firma „ecoduna“, ein Unternehmen, das ein biotechnisches Verfahren für die Produktion von Mikroalgen im industriellen Maßstab entwickelt hat. © ecoduna

Variante zwei wäre einfacher umzusetzen. Dafür müssten die Parkplätze überdacht werden und die Mikroalgen würden auf dem Dach, im Sonnenlicht wachsen, auf schrägen Flächen hinunterrutschen, wieder hochgepumpt werden, um anschließend wieder hinunterzurutschen. Übrigens: Algen fühlen sich bei Zimmertemperatur besonders wohl. Diese Überlegungen muss man ebenfalls bedenken. Im Winter könnten die Algen im Freien, ob der Kälte und des fehlenden Sonnenlichts, weniger oder gar keine Biomasse produzieren. Auch im Sommer können hohe Temperaturen das Algenwachstum einschränken – hier hilft bei dieser „offenen“ Variante aber die Verdunstungskälte, die nebenbei dazu beiträgt, die Temperatur der darunterliegenden Parkplätze erträglich zu halten. Nachteilig dabei ist der dadurch erhöhte Wasserbedarf.

Bei der dritten Möglichkeit kommt die sogenannte Lichternte ins Spiel. Die Algen wären nicht direkt auf den Parkflächen zuhause. Sie würden in großen Tanks wohnen und wachsen. Das Licht würde am Parkplatz eingefangen und über Lichtleiter zu den Algen transportiert werden. Deswegen auch der Name: Das Licht wird vorab geerntet und erst dann an die Algen „verfüttert“.

An erster Stelle der Überlegungen des Teams um Lichtenegger stehen Faktoren wie Ertrag, Wirtschaftlichkeit und generelle Machbarkeit. Dafür ziehen sie Daten zur Flächennutzung, Wetterdaten sowie bisherige Erkenntnisse zu bekannten Eigenschaften der Mikroalgen heran. Am Ende des einjährigen Forschungsprojekts wollen sie abschätzen können, ob die Vision und ihre abgeleiteten Varianten Zukunft haben. Bestehen die Algen den Theorietest, sollen sie im nächsten Schritt in einer Demo-Anlage in der Praxis ihre Stärken zeigen.

Netzwerk Algen

Im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Techno­logie (bmvit) wurde das Netzwerk Algen ins Leben gerufen. Das Ziel ist, die österreichischen Akteurinnen und Akteure im Bereich Mikroalgen miteinander zu vernetzen und die entsprechende Forschung, Entwicklung und auch Umsetzung zu stärken.

Video: Algen als wahre Multitalente

INFObox: Das Forschungsprojekt „The Green Parking Space“ wird im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“ vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit) gefördert und unter der Leitung der Bioenergy2020+ GmbH umgesetzt. Das Forschungs- und Technologieprogramm „Stadt der Zukunft“ strebt die Erforschung und Entwicklung von neuen Technologien, technologischen (Teil-)Systemen und urbanen Dienstleistungen für die Stadt der Zukunft an.