Kategorie Innovation & Technologie - 28. Juni 2017

Die Welt durch die Augen von RadfahrerInnen sehen

Jede Radfahrerin und jeder Radfahrer kennt sie, die eine Stelle auf dem täglichen Weg, die man gerne meiden würde, bei der es immer wieder zu brenzligen Situationen kommt. Eine enge Gasse, mangelnde Seitenabstände überholender Autos, abrupt geöffnete Autotüren. Eine Kreuzung und plötzlich ist der Radweg aus: Trotz dichten Verkehrs auf der Straße weiterfahren oder illegalerweise den Gehweg befahren?

Alltagssituationen. Und genau solche alltäglichen Situationen haben Salzburger Forscherinnen und Forscher im Projekt Bikealyze untersucht. Das IT-Forschungsinstitut Salzburg Research hat eine Naturalistic-Cycling-Studie, also eine Radfahrstudie unter natürlichen Fahrbedingungen, durchgeführt. Im Gegensatz zu Laborstudien stehen hier Radfahrerinnen und Radfahrer auf ihren alltäglichen Wegen im Straßenverkehr im Mittelpunkt.

In den letzten Jahren wurde diese Methode in mehreren Ländern erprobt, um die Interaktionen von Radlerinnen und Radlern mit ihrer Umgebung zu analysieren. Nun erstmals in Österreich: Zwölf Testpersonen in Wien und zwölf in Salzburg wurden bei ihren täglichen Ausfahrten „begleitet“. Sowohl die Routen der Radfahrerinnen und Radfahrer als auch ihr Verhalten auf der Strecke wurden aufgezeichnet.

Datenerhebung per Handy und Helmkamera

Die Aufzeichnung der Daten erfolgt mit allgemein gebräuchlichen Geräten: Das Smartphone mit der entsprechenden App ermittelt mittels GPS die Standortdaten, misst die Geschwindigkeit und die Beschleunigung. Anhand der Daten werden starke Schläge und Unebenheiten auf der Strecke ebenso erkannt wie abrupte Brems- und Lenkmanöver. Gleichzeitig zeichnet eine Go-Pro-Kamera, die am Helm befestigt ist, die Perspektive der Testperson und die Gründe für schnelle Stopps oder waghalsige Manöver auf. Für ausgewählte Strecken bzw. Situationen kam zusätzlich Mobile-Eye-Tracking zum Einsatz, um das Blickverhalten zu analysieren.

 

Im nächsten Schritt werden die einzelnen Ereignisse mit dem digitalen Wegenetz (GIP) in Verbindung gebracht. Die Betrachtung der vorhandenen (Rad-)Infrastruktur ermöglicht es, die lokale Infrastruktur in Bezug auf Fahrradfreundlichkeit, -nutzbarkeit und -sicherheit zu bewerten.

Das Ziel der Pilotstudie war es in erster Linie, die Möglichkeiten der vorhandenen Technik und ihre Eignung als Untersuchungsinstrument abzutesten. Mit den gewonnenen Erkenntnissen soll nun ein einfach bedienbares Produkt entwickelt werden, das Städte für regelmäßige Tests ihrer Radinfrastruktur einsetzen können.

INFObox: Die Pilotstudie Bikealyze wurde im Programm „Mobilität der Zukunft“ vom Verkehrsministerium gefördert. Die Fragen, wie wir uns heute und in Zukunft fortbewegen und was das für Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft bedeutet, eröffnen eine große Bandbreite an Forschungsfeldern. Um die Mobilitätsforschung zu stärken, setzte das Verkehrsministerium 2012 das Programm „Mobilität der Zukunft“ neu auf. Ziel ist eine nachhaltige Entwicklung von Mobilitätskonzepten bei gleichzeitiger Minimierung der negativen Auswirkungen des Verkehrs.