Kategorie Innovation & Technologie - 3. August 2017
„Der Mensch ist die wichtigste Ressource“
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran, die vierte industrielle Revolution ist (medial) längst eingeläutet, in smarten Fabriken hat man sich an das Neben- und Miteinander von Mensch und Maschine gewöhnt. Bestimmen künftig Algorithmen, welchen Fragen sich Forscherinnen und Forscher widmen? APA-Science hat Expertinnen und Experten aus Wissenschaft, Bildung und Wirtschaft dazu befragt.
Und das meinen sie: Big Data, Open Data und künstliche Intelligenz werden zu einem interdisziplinären und partizipativen Umgang führen, unkonventionelle Analysen ermöglichen und neue Jobs begründen. Gefragt seien Teamplayer mit Spezialwissen – mit der Gefahr, dass dabei mittelmäßig ausgebildete Menschen auf der Strecke bleiben. Womöglich biete die Entwicklung aber sogar eine Chance, die Arbeitswelt völlig neu zu denken.
Unsere Fragen an die Community
1. Was wird sich Ihrer Meinung nach in den nächsten Jahren in Ihrem konkreten Fachbereich bzw. beruflichen Umfeld am stärksten verändern – und wie?
2. Welche Berufsfelder könnten sich in näherer Zukunft neu ergeben, welche werden wegfallen – und welche Chancen und Herausforderungen gehen damit einher?
Ludovit Garzik, Geschäftsführer Rat für Forschung und Technologieentwicklung (RFT):
1.
In der Forschung erleben wir in vielen Bereichen bereits heute eine auf dem technologischen Fortschritt basierende Revolution, die dazu führt, dass wissenschaftliche Forschung immer effizienter wird. Nur ein Beispiel: Die Entschlüsselung des ersten menschlichen Genoms dauerte 13 Jahre und kostete insgesamt über drei Milliarden US-Dollar. An dem internationalen Forschungsprojekt waren über 1.000 Wissenschafterinnen und Wissenschafter aus 40 Ländern beteiligt. Heute kann ein menschliches Genom für ca. 1.000 USD in wenigen Stunden von einer autonom operierenden Sequenziermaschine analysiert werden. Durch den technologischen Wandel werden in vielen Forschungsbereichen völlig neue Möglichkeiten geschaffen. Ein wesentliches Merkmal, das die wissenschaftliche Forschung in zunehmendem Ausmaß prägen wird, ist die verstärkte Kooperation von Forscherinnen und Forschern mit intelligenten Robotern, Maschinen oder Algorithmen.
2.
Wir stehen an der Schwelle zu einer vierten industriellen Revolution. Durch die zunehmende Digitalisierung und Automatisierung werden sämtliche Arbeitsbereiche unseres heutigen Wirtschaftssystems berührt und verändert werden: von der landwirtschaftlichen Produktion über Medizin und Pflege bis hin zur industriellen Produktion – Stichwort „Digitale Fabrik“ oder „Smart Factory“ – und zum Dienstleistungsbereich, etwa dem Finanz- und Bankwesen, sowie allen möglichen kreativen und wissensintensiven Berufen. Das hat einerseits positive Effekte, denn unsere Arbeit wird dadurch effizienter. Es birgt aber auch Herausforderungen, denn es ist durchaus möglich, dass aufgrund der Substitution menschlicher Arbeitskraft durch intelligente Algorithmen oder smarte Roboter immer größere Teile der Bevölkerung schlichtweg keine Arbeit mehr haben werden. Bereits heute ist fast die Hälfte aller Tätigkeiten automatisierbar. In der Automobilerzeugung übernehmen Maschinen schon jetzt 80 Prozent der anfallenden Arbeit.
Kurt Koleznik, Generalsekretär Fachhochschulkonferenz (FHK)
1.
Wissenschaft und Bildung werden die Zukunft der Arbeit maßgeblich beeinflussen bzw. wird diesen beiden Bereichen generell bei der künftigen Entwicklung unserer Gesellschaft eine Schlüsselrolle zukommen. In der Wissenschaft und Bildung ist die wichtigste Ressource der Mensch mit all seinen Fähigkeiten und Begabungen. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Kommunikation und Interaktion sowie ein partizipativer Umgang miteinander wird in der Arbeitswelt der Zukunft wesentlich sein. Die Arbeitsplätze der Zukunft werden im Dienstleistungs- und Hochtechnologiebereich liegen. Um in diesen Bereichen Innovationen hervorzubringen, Lösungen zu finden und Produkte zu entwickeln, braucht es Teamplayer, die über das relevante Expertenwissen verfügen. Auch in der Wissenschaftspolitik ist wahrzunehmen, dass eine Entwicklung weg von einer hoheitlichen Einflussnahme hin zu mehr Partizipation stattfindet. Politiker hören heute verstärkt auf die Expertise der Gesellschaft im Sinne einer Einbindung und Rückkoppelung. Diese Entwicklung kommt mir bei meiner Arbeit als Vertreter von Wissenschafts- und Bildungsanliegen sehr entgegen.
2.
Die digitalisierte Verarbeitung unserer Daten ist schon heute für jeden von uns in allen Lebensbereichen eine Selbstverständlichkeit. Wir haben mit der Umsetzung all der uns zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten begonnen, ohne uns über die Folgewirkungen im klaren zu sein. Langsam stellen wir aber fest, dass es sinnvoll gewesen wäre, sich auch über Data Security, Rechtssicherheit und mögliche Missbrauchsszenarien Gedanken zu machen. In diesem Bereich werden in der Zukunft zahlreiche neue Berufsfelder entstehen, da es Menschen braucht, die hier sowohl technisch als auch juristisch über das nötige Expertenwissen verfügen. Generell werden sich neue Berufsfelder und Jobs vor allem in den Bereichen der großen gesellschaftlichen Herausforderungen entwickeln. Expertenwissen werden wir in der Zukunft beispielsweise in den Bereichen Energieversorgung, Ernährung, Gesundheit, Informationstechnologie und Mobilität brauchen.
Karl-Heinz Leitner, Senior Scientist am Austrian Institute of Technology (AIT), Innovation Systems Department
1.
Die Digitalisierung wird zukünftig auch die Art und Weise, wie wir forschen und entwickeln, verändern. Open Data, Big Data und Open Access beeinflussen die tägliche Arbeit von Forscherinnen und Forschern und ermöglichen die Nutzung und Kombination neuartiger Datenquellen und die raschere Publikation von Forschungsergebnissen. Immer bessere Algorithmen und die Verfügbarkeit von großen Datenmengen machen den Weg frei für unkonventionelle Analysen und die Identifikation von Mustern und Zusammenhängen. Neben der klassischen hypothesengetriebenen Forschung werden datengetriebene Forschungsmethoden an Bedeutung gewinnen.
2.
Durch die Verfügbarkeit von Daten werden Data Scientists in vielen Disziplinen an Bedeutung gewinnen und in Forschungsteams eingebunden werden. Neue Potenziale ergeben sich hier vor allem in den Sozial- und Geisteswissenschaften. In den technischen Wissenschaften wird immer stärker ein inter- und transdisziplinärer Forschungs- und Entwicklungszugang an Bedeutung gewinnen, denkt man etwa an die Entwicklung von Produktionstechnologien unter Einbindung der späteren Nutzerinnen und Nutzer. Hier muss immer stärker ein partizipativer Designprozess verfolgt werden. Neben der fachlichen Spezialisierung müssen Forscherinnen und Forscher ein gewisses Breiten- und Systemwissen haben, häufig auch als „T-shaped-Professional“ bezeichnet.
Clemens Zierler, Geschäftsführer Institut für Arbeitsforschung und Arbeitspolitik an der Johannes Kepler Universität Linz
1.
Die Zukunft der Arbeit kann man nicht erforschen, weil man nichts erforschen kann, was es noch nicht gibt. Man kann den kontinuierlichen Wandel der Arbeitswelt beobachten und sich dann mit möglichen Konsequenzen und Auswirkungen der Umsetzung verschiedener Konzepte und Ideen auseinandersetzen. Hier betritt man aber oft das Reich der Spekulation. Was im Bereich der Arbeitsforschung, welche sich mit dem Wandel der Arbeitswelt auseinandersetzt, zu beobachten ist, ist ein Erstarken interdisziplinärer Forschungsansätze. Arbeit ist kein Konzept, welches sich aus nur einer Disziplin heraus erklären lässt. Es wird von technischen, juristischen, aber auch von medizinischen, sozialen und betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen mitbeeinflusst, um nur einige zu nennen. Forscher sollten demnach öfter auch über die Grenzen der eigenen Disziplin hinausblicken und verstärkt Projekte mit Kolleginnen und Kollegen anderer Wissenschaftsbereiche forcieren. Wünschenswert in der Debatte über zukünftige Arbeitswelten wäre überdies eine Aufwertung der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften gegenüber den Technikwissenschaften. Die Antworten für eine erfolgreiche Gestaltung zukünftiger Arbeitswelten liegen nämlich nicht nur in der Entwicklung neuer Technologien, sondern vor allem in deren menschengerechter Entwicklung und Anwendung, im Design neuer Arbeitskonzepte und Geschäftsmodelle sowie in neuen gesetzlichen Rahmenbedingungen.
2.
Wir stehen momentan an einem Punkt, an dem durch größere Veränderungen in den Bereichen Technologie, Demografie und gesellschaftlicher und generationenbedingter Werte neue Möglichkeiten zur Gestaltung unserer Arbeitswelten entstehen. Durch die Globalisierung erhalten diese Veränderungen noch zusätzlichen Schub. Häufig wird der Begriff einer bevorstehenden Revolution in den Mund genommen. Wir stehen vor der großen Herausforderung, diese Veränderungen in konstruktive Bahnen zu lenken. Mahnenden Studien zu bevorstehenden negativen Beschäftigungseffekten kann entgegengesetzt werden, dass vergangene Revolutionen der Arbeitswelt selten zu Massenarbeitslosigkeit führten, sondern häufiger Massenbeschäftigung unter schlechten Bedingungen induzierten. Es ist die Aufgabe der Unternehmen und Betriebe in unserem Land, sich konstruktiv diesen Veränderungen zu stellen und sie im Sinne eines doppelten Nutzens für Arbeitnehmer- und Arbeitgeberschaft zu gestalten. Aufgabe der Politik ist es, dafür einen geeigneten arbeitspolitischen Rahmen für die neuen Anforderungen zu finden. Das Zeitfenster für entsprechende Veränderungen ist offen, es sollte mit Nachdruck genützt werden.
Isabella Meran-Waldstein, Bereichsleiterin Forschung, Technologie & Innovation der Industriellenvereinigung (IV)
1.
Insbesondere vor dem Hintergrund der voranschreitenden Digitalisierung – Stichwort Industrie 4.0 – stellt für die Industriellenvereinigung die Sicherung des MINT- und Innovationsnachwuchses (MINT = Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) eine Schicksalsfrage für den Standort dar, besonders für die innovative Industrie. Die Digitalisierung der Wirtschaft wird dabei aus Sicht der heimischen Industrieunternehmen zu einer weiteren Zuspitzung der Rekrutierungssituation führen.
Für die Unternehmen wird künftig ein Mix aus fachlichen und überfachlichen Kompetenzen immer wichtiger werden. Gefragt sein werden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Methodenkompetenz (Systemwissen, Technik und IT, E-Skills, fachspezifisches Wissen, Beherrschung komplexer Arbeitsinhalte) ebenso wie Mitwirkungskompetenz (Kombination aus Fachkenntnissen und kaufmännischer Kompetenz, Problemlösungskompetenz, Innovationskraft und Verantwortungsbereitschaft, Lernbereitschaft).
Doch auch Sozialkompetenz (Teamwork, Kommunikation, Führungskompetenz, Stressresistenz, Resilienz), Fremdsprachen- und interkulturelle Handlungskompetenz sowie die Bereitschaft zu Auslandsaufenthalten und Wissen über ausländische Märkte und Kunden werden zu den essenziellen Eigenschaften der für die Digitalisierung optimal gerüsteten Fachkräfte zählen.
2.
Gemäß einer IV-Mitgliederumfrage haben noch immer acht von zehn Industrieunternehmen Rekrutierungsprobleme in Zukunftsbereichen wie Technik, Produktion oder Forschung und Entwicklung. Daher sind aus Industriesicht technische Ausbildungen an Universitäten, Fachhochschulen und Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) in den kommenden drei Jahren am chancenreichsten. Mehr als die Hälfte der Unternehmen plant hier, verstärkt Absolventen aufzunehmen. Die Top-Studienrichtungen der Industrie sind vorwiegend Technikdisziplinen: Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurwesen, Elektrotechnik/Elektronik, Betriebswirtschaft/Wirtschaftswissenschaften, Verfahrenstechnik, Mechatronik/Telematik/Nachrichtentechnik sowie Informatik/Wirtschaftsinformatik. Darüber hinaus wird Industrie 4.0 in den kommenden fünf Jahren zu einer Beschäftigungsausweitung in den technischen Ausbildungs- bzw. Berufsfeldern führen sowie erhöhte Kompetenzanforderungen für Beschäftigte nach sich ziehen.
Heidrun Strohmeyer, Leiterin der Gruppe Informationstechnologie und Medien, Bundesministerium für Bildung (BMB)
1.
Die Digitalisierung stellt das Bildungswesen vor große Herausforderungen und bietet für die Zukunft des Lernens viele Chancen. Dabei müssen wir im Bildungsministerium für die Schulen einen geeigneten Rahmen schaffen, um das pädagogische Potenzial digitaler Technologien auszuschöpfen und die Kinder und Jugendlichen optimal auf das Leben und Arbeiten in einer digitalen Welt vorzubereiten. Zukünftig sollen alle Schülerinnen und Schüler am Ende der Pflichtschulzeit über umfassende digitale Kompetenzen verfügen. Auch passen wir die Weiterbildung der Lehrerinnen und Lehrer an: Etwa werden eLectures und MOOCs künftig eine wichtige Rolle spielen. Digitale Tools und Lernmaterialien, unter anderem in Form von Open Educational Resources, werden verstärkt zum Einsatz kommen. Die Digitalisierung bringt auch neue Formen des Lehrens in innovativen Szenarien mit sich, etwa in Form des Flipped-Classroom-Prinzips oder durch kollaboratives Lernen in Lernplattformen. In Zukunft wird hier auch Augmented Reality innovative pädagogische Möglichkeiten bieten und das Lernen viel anschaulicher machen.
2.
Digitale Kompetenzen sind eine vierte Kulturtechnik geworden. Es gibt praktisch keinen Beruf, in dem sie nicht gefordert sind. Darauf muss die Schule vorbereiten. Manche Berufsbilder werden sich ändern, manche auch neu dazukommen. Viele einfache Jobs werden schon jetzt von Maschinen erledigt. Menschen mit geringen Qualifikationen und niedrigen Bildungsabschlüssen haben es in einer digitalen Arbeitswelt bereits sehr schwer. Dieser Trend wird sich durch Industrie 4.0 und die damit verbundene Automatisierung noch verstärken. Daher muss das Bildungssystem für alle, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, optimale Chancen bieten und die Entstehung digitaler Gaps verhindern. Ein spezieller Schwerpunkt des Bildungsministeriums liegt hier auch darauf, noch mehr junge Menschen, insbesondere Mädchen, für naturwissenschaftliche Ausbildungen zu gewinnen. In Zeiten des lebensbegleitenden Lernens spielen auch die Möglichkeiten zur Weiterbildung und das Nachholen von Bildungsabschlüssen eine wichtige Rolle.
Martin Janda, Bereichsleiter Personal und Recht, Verwaltungsbereich Wirtschaft, Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW)
1.
Aufgrund der jahrelangen Personaleinsparungen in der allgemeinen Verwaltung werden wir in den nächsten Jahren mit einem weiteren Anstieg des Durchschnittsalters der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (derzeit 48 Jahre im BMWFW) konfrontiert sein. In Zukunft sind daher der Know-how-Erhalt und die Sicherstellung des Wissenstransfers als große Herausforderungen zu nennen. Unterstützend wirken könnten hier die Spezifizierung des Aus- und Fortbildungsangebots in Richtung Verantwortungskultur, Managementtechniken, Informations- und Wissensaustausch, aber auch Maßnahmen der Gesundheitsvorsorge wie Untersuchungen und Impfungen sowie Unterstützung auch bei psychischer Arbeitsbelastung. Weiters hilfreich wäre eine Konzentration der begrenzten Personalzugänge auf die oberen Qualifikationsebenen, die Reduzierung des Back-Office Bereiches und hier Konzentration auf die Rekrutierung von Lehrlingen. Last but not least würde auch eine Anpassung der Organisationsstruktur an die Bedürfnisse einer intensiven Vernetzung sowie einer möglichst ausgeglichenen Aufgabenverteilung und Reduzierung von Doppelgleisigkeiten dazu beitragen, künftige Aufgaben zu meistern.
2.
In der allgemeinen Verwaltung nehmen konkrete Vollzugsaufgaben ab und werden zunehmend an neu gegründete Agenturen, Gesellschaften, Spezialbehörden und -gerichte ausgelagert. Diese Tendenz wird im Einklang mit der Entwicklung im gesamten EU-Raum als bürokratische Kettenreaktion auch in Zukunft verstärkt fortschreiten. Die Behördendystrophie führt zu einem schlechteren Zusammenwirken der einzelnen Verwaltungsbereiche, die in eine gesamthafte Wahrnehmung von öffentlichen Aufgaben weniger integrierbar sind. Das Berufsbild in der Ministerialverwaltung wird daher verstärkt durch eine Konzentration auf strategische und planende Aufgaben definiert sein. Vernetztes Denken, strategische Orientierung sowie Koordinationsfähigkeit sind wesentliche Bestandteile des Anforderungsprofils für die Tätigkeit in einem Bundesministerium. Eine besondere Herausforderung ist der Erhalt der Realitätsnähe durch Einbeziehung von Erfahrungswerten, die aus dem Vollzug von Rechtsvorschriften gewonnen werden.
Christoph Schwald, Corporate Innovation Manager, TÜV AUSTRIA
1.
Speziell die rasch fortschreitende Digitalisierung wird die Arbeitsweise zukünftig intensiv beeinflussen: Ein „analoger TÜV AUSTRIA“ mit digitalen Elementen wie z.B. optimierten rechnergestützten Arbeitsläufen wird zu einem „digitalen TÜV AUSTRIA“ mit analogen Elementen transformieren. Als Beispiel: Sensorik in Kombination mit kontinuierlicher Datenerhebung wird immer mehr rein analoge Prüfprozesse ablösen. Dabei wird es auch zu einer Zweitnutzung der Daten kommen, was wiederum neue Geschäftsmodelle zur Folge haben wird: durch Big Data-Analytik und Machine Learning werden Anomalien früher erkannt werden. Allerdings werden dadurch auch Themen wie Cybersecurity und Datenschutz eine viel größere Rolle spielen als heute. Assistenzsysteme werden dem Prüfinspektor der Zukunft zur Verfügung gestellt werden, um z.B. durch Nutzung von Virtual und Augmented Reality-Technologien die Vor-Ort Prüfungen effizienter zu gestalten. Alle Arten von Mobile Devices werden in der Zukunft genutzt, um Daten noch schneller zu erheben, zu verarbeiten und Zertifikate und Prüfbescheinigungen automatisiert auszustellen.
2.
Bei TÜV AUSTRIA entstehen neue Tätigkeitsfelder: Einerseits werden neue Fähigkeiten aufgrund der Digitalisierung analoger Prüfprozesse entwickelt werden, als Beispiel sei hier Big-Data-Analytik genannt. Andererseits werden sich die Wertschöpfungsketten unserer Kunden ebenso verändern und zunehmend digitalisieren. Sicherheit wird somit zunehmend zum Wettbewerbsvorteil von Unternehmen und der TÜV AUSTRIA wird die entsprechenden Dienstleistungen anbieten, um die nötigen Sicherheitsniveaus zu erreichen.
Ingo Hegny, Abteilung „Informations- und industrielle Technologien“, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT)
1.
Die Digitalisierung und Vernetzung von Produktionsanlagen wird zu gravierenden Veränderungen führen („vierte industrielle Revolution“). Bedürfnisse, Wünsche und Anforderungen von Kundinnen und Kunden können in höherem Ausmaß in die Produktgestaltung sowie die Produktion einfließen. Dies eröffnet vielfältige Möglichkeiten der Optimierung wie kürzere Lieferzeiten oder Verringerung von Ausschuss und Verschnitt und bietet darüber hinaus aber auch völlig neue Chancen für die direkte Kommunikation mit Kundinnen und Kunden. Innovative Bedienschnittstellen sowie Assistenzsysteme verändern die Arbeit an den Maschinen in den Fabriken, wenngleich hier in den letzten Jahrzehnten viel Optimierungspotenzial bereits im Zuge der Automatisierung gehoben wurde. Mit der Digitalisierung und Vernetzung können in Zukunft auch vor- und nachgelagerte Schritte in der Wertschöpfung, etwa im Verkauf, Einkauf oder in der Logistik, stärker automatisiert werden. Daher ist in sämtlichen produktionsbezogenen Tätigkeitsfeldern mit Veränderung zu rechnen. Der Erwerb zusätzlicher Kompetenzen und Qualifikationen wird vielfach als Erfordernis betrachtet.
2.
Es wird sicherlich Berufsfelder geben, die wir nun noch gar nicht kennen. Wer hätte Anfang der 90er-Jahre „Webdesigner“ vorausgesagt? Es wird in vielen der heute bestehenden Berufsfeldern zu Veränderungen kommen. Kompetenzen der Digitalisierung werden verstärkt nachgefragt. Eine Stärke des österreichischen Systems der dualen Ausbildung ist der hohe Praxisbezug in der Ausbildung der Facharbeiterinnen und Facharbeiter. Tiefes Prozesswissen bildet eine hervorragende Basis für die Weiterentwicklung zu einer digitalisierten Produktion. Es besteht ein großer Bedarf an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, und zwar auf allen Ausbildungsstufen. Zusätzlich erworbene Digitalisierungskompetenz und weitere Querkompetenzen wie z.B. Kommunikationsfähigkeiten und Systemverständnis ermöglichen den effektiven und effizienten Einsatz neuer Technologien. Somit kann die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen gestärkt und in weiterer Folge Wertschöpfung in Österreich erhalten bzw. nach Österreich zurückgeholt werden.
Service: Diese Meldung ist Teil eines umfangreichen Dossiers mit dem Titel „(Kein) Ende der Arbeit?“, das auf APA-Science erschienen ist: http://science.apa.at/dossier/arbeit.