Kategorie Innovation & Technologie - 7. August 2015
Ein österreichischer Baustein zum Marsflug
Ein „Spaziergang“ auf dem Mars ist mühsam. Immer wieder müssen die Astronautin Carmen Köhler aus Berlin und ihr spanischer Kollege, Iñigo Muñoz-Elorza, eine Pause einlegen. Die Ventilation in seinem Raumanzug funktioniert nicht einwandfrei, und das Visier seines Helms beschlägt immer wieder. Das macht das Gehen auf dem steinigen Untergrund schwierig, wenn nicht sogar gefährlich.
Bei Köhler drückt dafür der Anzug. Unter dem Geröll zu ihren Füßen befindet sich Wassereis, in dem eventuell Mikroorganismen überlebt haben könnten. Diese zu suchen wird eine der Aufgaben dieser Mission sein.
Doch was ist das? Eine ganze Kolonne von Fotografen, Kameraleuten und Touristen, teils in kurzen Hosen und T-Shirts, folgt den Astronauten in ihren silbernen Anzügen. Das ist dem Umstand geschuldet, dass das Österreichische Weltraumforum (ÖWF) seine jüngste Marssimulation, Amadee 2015, am Rand des Kaunertaler Gletschers in Tirol durchführt. Auf 2700 Metern Seehöhe.
Seit Montag, den 3. August, wird dort durchgespielt, was wäre, würde man in 20 oder 30 Jahren einmal auf dem Planeten Mars landen.
„Analogastronauten“
Nach zwei Stunden ist der erste Marsgang beendet, die beiden sogenannten Analogastronauten kehren in ihre Station, das „Habitat“, zurück, die Fotografen und Touristen sind mehr oder weniger verschwunden. Analogastronauten heißen die speziell ausgebildeten Raumanzugtester, die in „Analogie zu“ künftigen bemannten Expeditionen arbeiten.
Jetzt geht es wirklich an die Arbeit. Und die besteht hauptsächlich darin, so zu tun, als befände man sich auf dem Mars.
Gernot Grömer, Vorsitzender des ÖWF, erklärt, was dies bedeutet: „Amadee 2015 ist eine Marssimulation, wie es sie hier in Österreich noch nicht gegeben hat. Wir sammeln hier Daten, wie gut und effizient wir auf dem Mars forschen können. Wir müssen jetzt schon lernen, die richtigen Fragen zu stellen.“
Dies allerdings unter den erschwerten Bedingungen einer Weltraumexpedition. Dazu gehört etwa das Problem der Kommunikation. So vergehen wegen der großen Entfernung zwischen Erde und Mars je nach Position mindestens zwanzig Minuten.
Bei der diesjährigen Simulation wird diese Zeitverzögerung durchgespielt. Anweisungen aus dem Mission Support Center, das in Innsbruck aufgebaut wurde, müssen detailliert und weit vorausschauend gegeben werden. Denn ein rasches Nachfragen, wie das denn gemeint gewesen sei, funktioniert nicht.
Norbert Frischauf war Analogastronaut der ersten Stunde und arbeitet dieses Mal im Support Center. Dort wird der sogenannten Feld-Crew während des Arbeitstages in 15-Minuten-Schritten vorgegeben, was sie zu machen hat. Sicherheit geht allerdings immer vor, beteuert Frischauf: „Wir arbeiten nach dem 3-S-Prinzip: Safety-Science-Simulation. Also Sicherheit-Wissenschaft-Simulation. Wenn die Sicherheit gefährdet ist, brechen wir sofort ab.“
Darum werden auch vitale Funktionen der Analogastronauten, die in ihren 48 Kilo schweren Anzügen stecken, in Echtzeit von einem Arzt im Habitat überwacht. In diesem Fall vom deutschen Anästhesisten Christian Lüthen. Er sitzt vor Monitoren, die unter anderem die Herzfrequenz von Köhler und Muñoz-Elorza anzeigen. Sollte dort etwas auftreten, was dem Mediziner nicht gefällt, greift er ein.
Was oft nicht ganz einfach ist, wie Lüthen erzählt: „Wir haben ein hoch motiviertes Team, das sagt: Wir können, wir wollen! Da muss man sie manchmal bremsen.“
Das Team auf dem Gletscher besteht aus 15 Leuten, davon sind sechs trainiert und ausgewählt, sich im Raumanzug aus der „sicheren Zone“ des Habitats hinauszubegeben und Übungen und Experimente durchzuführen.
Anzug mit Exoskelett
Der Anzug, den sie dabei an haben, wäre nicht dazu geeignet, von Menschen im All getragen zu werden. Aber er simuliert die Erschwernisse eines Marsganges. So befindet sich im Anzug ein sogenanntes Exoskelett, das den Träger in seiner Beweglichkeit einschränkt. Allein das Anziehen dauert drei bis vier Stunden. Der Steirer Stefan Dobrovolny ist seit heuer Analogastronaut. Er wird im Lauf der zwei Wochen dauernden Amadee 2015 zuweilen auch in den zweifelhaften Genuss kommen, in dem Anzug zu stecken, und schildert den Tragekomfort: „Der Schwerpunkt im Anzug ist sehr hoch. Man kann sich also nicht einfach hinunterbeugen. Außerdem wird es sehr warm. Man kann das eher mit einer Sauna vergleichen.“ Doch die Beteiligten, die das allesamt mit großer Begeisterung, unbezahlt und in ihrer Freizeit machen, wollen ihr Scherflein zum Gelingen des ersten Marsfluges beitragen.
ÖWF-Vorsitzender Grömer schildert die Motivation, von der alle angesteckt werden: „Wir können hier wichtige Forschungsbausteine liefern, und ich behaupte, wir sind relativ weit vorn mit dabei. Und wenn einmal Menschen auf den Mars fliegen werden, dann wird dieser Flug auch ein kleines bisschen rot-weiß-rot eingefärbt sein.“
(Von Uwe Schwinghammer, Die Presse)