Kategorie Innovation & Technologie - 19. Oktober 2017
Grüne Energie: Mit der Kraft von Hühnermist und Klärschlamm
Wieselburg – Einer der Hoffnungsträger im Bereich der alternativen Energieformen ist die Umwandlung von biologischen Abfällen in Gas, die sogenannte Biomassevergasung. Sie unterscheidet sich von Biomasseheizkraftwerken, bei denen Holz oder andere Reststoffe verbrannt werden, um Wärme- oder elektrische Energie zu erzeugen, genauso wie von Biogasanlagen, in denen Pflanzenreste und Tierexkremente zu Biomethan vergärt werden.
In der Biomassevergasung werden die biogenen Ausgangsstoffe in speziellen Reaktoren bei sehr hohen Temperaturen von etwa 800 Grad Celsius thermisch zersetzt und in Gas umgewandelt, erklärt Markus Luisser, der seit Mitte des Jahres als Areamanager am Forschungszentrum Bioenergy 2020+ in Wieselburg in Niederösterreich für die Weiterentwicklung des Verfahrens zuständig ist. Das Zentrum ist Teil des Kompetenzzentrenprogramms Comet von Verkehrs- und Wissenschaftsministerium.
Endprodukte des Prozesses sind – im Gegensatz zum Vorgang der Verbrennung, bei dem Kohlendioxid entsteht – im wesentlichen Kohlenmonoxid und Wasserstoff. Mit dem entstandenen Produktgas lässt sich aus Luissers Sicht einiges anstellen. Zum einen könne man es in Gasmotoren einsetzen, um Elektrizität zu erzeugen. Zum anderen könnte es als Synthesegas dienen, aus dem eine ganze Bandbreite von Produkten, von speicherbaren Kraftstoffen bis zu speziellen Wachsen, hergestellt werden kann.
CO2-Recycling
Es könnte etwa Wasserstoff daraus gewonnen oder in Methan umgewandelt werden, um ins Erdgasnetz eingespeist zu werden. In der Verarbeitung zu synthetischen Kraftstoffen könnte es dabei helfen, das klimaschädliche CO2 zu recyceln. Selbst Kerosin, also Treibstoff für Flugzeuge, kann daraus destilliert werden. Mit dem in diesem Feld zentralen Fischer-Tropsch-Verfahren, das auch der Verflüssigung von Kohle dient, werden auch Inhaltsstoffe für Kosmetika und Klebstoffe produziert.
Bisherige kommerzielle Anwendungen der Biomassevergasung beschränkten sich auf vergleichsweise hochwertige Ausgangsstoffe wie Hackschnitzel oder Holzpellets. Luisser sieht gute Chancen, dass man künftig auch bisher wenig nutzbare Biomassevarianten wie Klärschlamm oder Hühnermist in Gas verwandeln könnte. Das wäre auch ein wirtschaftlicher Gewinn: „Anstelle mit Kosten für den Rohstoff kalkulieren zu müssen, bekommt man vielleicht noch Geld, um den Klärschlamm zu entsorgen“, sagt der Forscher.
Langzeiterfahrung fehlt
In Laboranlagen lassen sich die Reaktoren mit diesen Ausgangsstoffen durchaus für einige Stunden stabil betreiben. „Es fehlt aber noch an der Langzeiterfahrung. Man muss bedenken, dass so eine Vergasungsanlage 15, 20 Jahre stabil laufen sollte“, erläutert Luisser. Man müsse etwa mit Korrosionsproblemen in den Reaktoren fertig werden, in den sich durch inhomogene Brennstoffe je nach Temperaturverteilung verschiedene Teere anlagern und ölige Stoffe die verbauten Wärmetauscher verschmutzen. Die Forschung sei aber weit genug, um mit einem Wirtschaftspartner eine größere Versuchsanlage zu bauen, betont Luisser.
Ein Teil des Rohstoffes wird beim Vergasungsprozess dazu verwendet, Wärme zu erzeugen. Der Wirkungsgrad der Anlage liegt laut Luisser somit bei 85 Prozent, im Produktgas selbst landen 60 Prozent der ursprünglichen Energie. Als einziger Abfallstoff bleibt Asche zurück – im Fall von Hühnermist sind es etwa 20 Prozent des Ausgangsstoffes. Die Forscher arbeiten gerade an Konzepten für eine Weiterverwendung dieser Reste.
In Zusammenhang mit Klärschlamm könnte sich hier ein zusätzlicher Vorteil ergeben. Die Reserven an Phosphor, ein wichtiger Bestandteil von Düngemittel, werden über kurz oder lang zu Ende gehen. In Deutschland gibt es bereits eine Verordnung zur Rückgewinnung des Rohstoffes aus Klärschlamm. Luisser ist zuversichtlich, die phosphorhaltige Klärschlammasche für eine Wiederverwertung aufbereiten zu können. (pum, 20.10.2017)