Kategorie Innovation & Technologie - 2. Mai 2018
Wie sich der Schulweg geändert hat. Österreich unterwegs Teil 4
Wie sich der Schulweg geändert hat!
Tobias Flink ist leidenschaftlicher Fußballer. Er kommt dabei ganz nach seiner Mutter Andrea, die früher ebenfalls dem Ball nachgejagt ist. Allerdings einem etwas kleineren. Sie war Handballerin. Jeden Mittwoch fährt er direkt von der Schule mit dem Rad weiter zum Sportplatz. Heute regnet es aber und Mama Andrea hat ihm angeboten, ihn mit dem Auto zu führen.
Sie nutzt die Trainingszeit ihres Sohnes und geht in der Zwischenzeit einkaufen. Sie kauft auch gleich für die Nachbarin ein, die schon älter und nicht mehr so mobil ist und ab und zu von Frau Flink auf diese Weise unterstützt wird.
Andrea Flink ist froh, dass ihr Sohn sportlich ist. Mit zwölf Jahren bewältigt Tobias die meisten Wege schon alleine, bei weiteren Strecken unterstützt sie aber gerne. „Ja“, denkt sie, „früher, als die Kinder kleiner waren, war es schon mühsam sie dauernd herumzuführen.“ Eigentlich möchte sie gar nicht so oft mit dem Auto fahren, aber seit sie einen Zweitwagen angeschafft haben und dieser jederzeit zur Verfügung steht, nutzt sie ihn schon gerne. Sie hat das Gefühl damit auch schneller zu sein.
Offensichtlich ist sie nicht die einzige, wie sie am Parkplatz vor dem Fußballplatz bemerkt. „Bei mir war das damals nicht so, heute werden mehr Kinder mit dem Auto gebracht„, denkt sie sich.
Größere Familie und mehr Fahrräder
Tobias ist nicht nur am Sportplatz flott unterwegs, sondern auch auf der Straße. Er fährt am liebsten mit seinem Rad, hin und wieder mit dem Scooter. Er hat ja auch die Wahl. Besonders gerne fährt er mit seinem Mountainbike. In der Garage der Familie stehen insgesamt sechs Räder. Aber auch die Öffis spielen eine wichtige Rolle. In öffentlichen Verkehrsmitteln kann er ungestört mit seinen Freunden tratschen, nach der Schule mit ihnen blödeln und mit dem Handy spielen. Darum fährt er auch gerne mit den Öffis in die Schule. Dass er jetzt öfter mit dem Auto geführt wird, gefällt ihm nicht wirklich, aber Mama meint, das sei praktischer und schneller.
Vor zwanzig Jahren, als die Nachbarskinder noch klein waren, sind diese meist zu Fuß gegangen. Weite Wege wurden vorwiegend mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewältigt. Ihre Nachbarn, die Familie Huber, hatten auch nur ein Auto, mit dem der Vater in die Arbeit fuhr. Die Mutter war zu Hause bei den Kindern. Das war damals nicht abwegig und Frau Huber hat auch keinen Führerschein. Auch Tobias findet den Führerschein nicht so wichtig. Ihm sind Handy und neue Medien wichtig. Irgendwann möchte er schon den Führerschein machen, aber nicht gleich mit 17 Jahren. Da wird er das dafür nötige Geld lieber für Reisen und Unternehmungen mit seinen Freunden nutzen.
Viel unterwegs, aber kaum bewegt
Als sie am späten Nachmittag zu Hause ankommen, ist Frau Flink müde. Sie hat heute wirklich viel erledigt. In der Früh war sie noch für ihren Mann in der Apotheke, dann fuhr sie schnell zum Bahnhof und mit der Bahn weiter in die Arbeit. Dann noch Tobias kutschieren und einkaufen. Neulich hat sie im Radio gehört, dass 35 % der Frauen Betreuungstätigkeiten für Kinder oder andere Erwachsene durchführen. Obwohl sie müde ist, möchte sie sich heute noch auf den Hometrainer setzen. Schließlich hat sie sich noch fast gar nicht bewegt.
Wussten Sie, dass…
… SchülerInnen, StudentInnen und Lehrlinge ein deutlich anderes Mobilitätsverhalten als der Durchschnitt der Bevölkerung hat? Sie benutzen öffentliche Verkehrsmittel deutlich öfter und dieser Wert konnte in den letzten beiden Jahrzehnten weitgehend gehalten werden, obwohl die Verfügbarkeiten für das private Bringen mit dem PKW gestiegen sind (Führerscheinbesitz bei Frauen sowie PKW-Besitz bzw. Zweitauto-Besitz sind gestiegen) – siehe Grafik oben.
… das Elterntaxi zunimmt? Der Anteil der MIV-MitfahrerInnen (motorisierter Individualverkehr) dieser Personengruppe im genannten Zeitraum um über 50 % gestiegen ist und derzeit bei 27 % liegt? Die Gründe: höhere Führerscheinbesitzquote bei den Betreuungspersonen, Wohlstandssteigerung und damit einhergehend eine höhere MIV-Verfügbarkeit bei den Betreuungspersonen, Zersiedelung und somit längere Wege. Gleichzeitig sank der Anteil der FußgängerInnen dieser Personengruppe (23 %) in den letzten zwanzig Jahren um rund ein Drittel.
…die Ausstattung der österreichischen Haushalte mit (funktionstüchtigen) Fahrrädern als gut eingestuft werden kann? 7 von 10 Haushalten verfügen zumindest über ein Fahrrad. Die Anzahl der Fahrräder pro Haushalt hängt dabei neben der Haushaltsgröße wesentlich von der Frage ab, ob Kinder im Haushalt leben und wie alt sie sind. Haushalte ohne Kinder verfügen zu 35 % über kein Fahrrad, Haushalte mit Kindern zwischen 6 und 17 Jahren nur zu 7 %. Im österreichweiten Durchschnitt sind es 29 % der Haushalte, die über kein Fahrrad verfügen. Weitere Einflussgrößen sind die räumliche Lage des Wohnortes (Kann man von der Haustüre weg losradeln?) und den dort verfügbaren sonstigen Mobilitätsoptionen – insbesondere vom Angebot an öffentlichem Verkehr.
…große Haushalte mit vier und mehr Personen über überdurchschnittlich viele Fahrräder verfügen? 58 % dieser Haushalte verfügen über mindestens vier Räder. Nur 9 % dieser Haushalte haben kein Fahrrad.
…der Führerscheinbesitz für junge Personen an Bedeutung verliert? Während in den Altersklassen von 35 bis 54 Jahren die Führerscheinbesitzquote bei 90 % liegt und damit höhere Werte als noch in den 90er Jahren aufweist, hat sich dieser Trend bei jüngeren Personen genau umgekehrt. In der Altersklasse der 20 bis 24-Jährigen sank dieser Wert von 90 % auf 78 %. Auch in der darüber liegenden Altersklasse der 25 bis 34-Jährigen sank dieser Wert von 91 % auf 89 %. Dieser Trend ist auch bei den Jugendlichen von 15 bis 19 Jahren erkennbar, auch wenn ein Teil dieser Gruppe noch keinen Führerschein machen darf: die Quote sank von 46 % auf 41 % – siehe Grafik Führerscheinbesitz nach Alter oben.
…sich die Bevölkerung und die (hauptsächlichen) Tätigkeiten in den letzten zwanzig Jahren stark verändert haben? Der Anteil der SchülerInnen, StudentInnen und Lehrlinge an der Gesamtbevölkerung hat von 20% auf 14 % abgenommen, das entspricht einem relativen Rückgang um 28 %. Eine weitere wesentliche Veränderung ist die Reduktion der ausschließlich im Haushalt tätigen Personen bei gleichzeitiger Steigerung der selbständig und unselbständig Erwerbstätigen. Ebenso ist der Anteil der PensionistInnen gestiegen.
… 31 % der erwachsenen Bevölkerung regelmäßig Betreuungspflichten übernimmt – gegenüber Kindern und/oder erwachsenen Verwandten sowie sonstigen Erwachsenen. Bei Frauen ist dieser Anteil deutlich höher als bei Männern. Bei Frauen liegt der Anteil der Personen mit Betreuungstätigkeit bei 35 %, bei Männern bei 27 % (Dauer und Intensität der Betreuungstätigkeit wurden hier nicht erhoben). Knapp ein Viertel der Bevölkerung betreut regelmäßig Kinder – siehe Grafik Modal Split und Betreuungspflichten oben.
…Erwachsene mit Betreuungspflicht gegenüber Kindern oder anderen (älteren) Personen den mIV (motorisierter Individualverkehr) deutlich öfter als der Durchschnitt der Bevölkerung (55 % versus 47%) benutzen. Dies bestätigt sich auch darin, dass die betreuten Kinder deutlich öfter mIV-MitfahrerInnen sind, als der Durchschnitt der Bevölkerung. Diese Erwachsenen benutzen weniger häufig die Öffis und sind weniger als mIV-MitfahrerInnen unterwegs als die übrige Bevölkerung.
Vergleicht man die Mobilitätsindikatoren von Personen OHNE und MIT Betreuungsaufgaben im österreichweiten Durchschnitt an Werktagen so ergibt sich folgendes Bild: Die Anzahl der Wege je mobiler Person steigt bei Personen mit Betreuungstätigkeit um 15 % von 3,2 auf 3,7 Wege pro Werktag. Die Tageswegdauer je mobiler Person (Summe aller Wege an einem Werktag) verlängert sich um 12 % von 83 Minuten auf 93 Minuten pro Werktag bei Erwachsenen mit Betreuungstätigkeit. Die Tagesweglänge je mobiler Person (Summe aller Weglängen an einem Tag) erhöht sich um 17 % von 42 km pro Werktag auf 49 km bei Personen mit Betreuungstätigkeit.