Kategorie Innovation & Technologie - 17. August 2018

Tierbeobachtung als Frühwarnsystem: Icarus auf der ISS montiert

Können Tiere Katastrophen voraussehen? Diese und andere Fragen etwa zur Tiermigration sollen mithilfe der Antenne Icarus beantwortbar werden

Mit der erfolgreichen Montage einer Antenne an der Internationalen Raumstationen ISS haben zwei russische Kosmonauten in der Nacht auf Donnerstag ein deutsch-russisches Projekt zur Tierbeobachtung entscheidend vorangebracht. Bei dem mehr als siebenstündigen Einsatz montierten die Raumfahrer Oleg Artemjew und Sergej Prokopjew eine Antenne an der Außenhülle der ISS.

In den nächsten Jahren können mit der auf der Raumstation ISS zu installierenden Antenne mehr als 15 Millionen Tiere rund um den Globus beobachtet werden. © DLR

Frühwarnsystem

Sie ist entscheidend für das sogenannte Icarus-Projekt – ein wissenschaftliches Mammutvorhaben, mit dem die Forscher das Leben auf der Erde ganz neu verstehen wollen. Ziel dieses Projektes ist es, Bewegungen von Tieren auf der Erde besser zu erfassen. Forscher wollen die Tiere mit daumennagelgroßen und nur fünf Gramm schweren Mini-Sendern ausstatten und mit Hilfe der ISS beobachten. Davon erhoffen sie sich Aufschluss etwa über Wanderungen von Zugvögeln, was zum Artenschutz beitragen soll. Zudem soll Icarus in der Zukunft als Frühwarnsystem etwa für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche dienen.

Die Antenne ist das Herzstück der Icarus-Projekts, bei dem Bewegungen von mehreren tausend Tieren erfasst werden sollen. Dabei wollen Forscher Tiere mit Mini-Sendern ausstatten und mit Hilfe der ISS beobachten. Davon erhoffen sie sich Aufschluss etwa über Wanderungen von Zugvögeln, was zum Artenschutz beitragen soll. Zudem soll Icarus in der Zukunft als Frühwarnsystem etwa für Naturkatastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche dienen.

Die Hoffnung stützt sich auf Berichte, dass Tiere vor solchen Ereignissen unruhig werden – sich etwa Ziegen am Ätna vor Eruptionen auffällig bewegen. Diesen vermeintlichen siebenten Sinn wollen Forscher nutzen. „Das System erlaubt uns nicht nur zu beobachten, wo ein Tier ist, sondern auch, was es gerade tut“, erläuterte Projektleiter Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. „Wir könnten ein globales System intelligenter Sensoren einsetzen, um die Welt zu beobachten.“

Testphase nach Montage

Nach der Montage der Antenne ist zunächst eine Testphase geplant, dann soll der Betrieb starten. Icarus steht als Abkürzung für International Cooperation for Animal Research Using Space. Beteiligt sind neben der russischen Weltraumbehörde Roskosmos vor allem die Max-Planck-Gesellschaft, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Universität Konstanz.

150 Forschungsprojekte weltweit warten schon darauf, von den neuen technischen Möglichkeiten Gebrauch zu machen. Für den deutschen Ornithologen Wikelski steht auf der Prioritätenliste eine Frage ganz oben: „Die Zahl der Zugvögel nimmt weltweit gerade so dramatisch ab, und wir wissen oft weder, wohin sie verschwinden, noch warum. Wenn wir hier nicht schnell Antworten bekommen, damit wir Gegenmaßnahmen ergreifen können, wird es für viele Arten zu spät sein.“ Ähnliches gelte für die massiv ausgebeuteten Fischbestände sowie viele Meeressäuger in den Ozeanen.

Ein weiterer Fragenkomplex, der mithilfe von Icarus auf neue Weise erforscht werden soll, betrifft die Verbreitung von Krankheitserregern durch Tiere: Die Forscher wollen aus dem All die Flugrouten unter anderem von Wasservögeln in Asien und Flughunden in Afrika verfolgen. Das soll Aufschluss darüber geben, wie sich die Vogelgrippe über den Globus verbreitet oder welche Tiere das Ebola-Virus in sich tragen.

Vorhersage von Erdbeben und Vulkanausbrüchen? Ziegen bewegen sich am Ätna auffällig, wenn eine Erruption bevorsteht. © MaxCine/ MPI für Ornithologie

Überprüfung des Tiergespürs

Wikelski kommt aber auch noch auf eine weitere spannende Frage zu sprechen und macht zugleich eine Versprechung: „Wir werden in zehn Jahren wissen, welche Tierarten Naturkatastrophen vorhersagen können. Erste wissenschaftliche Daten von Erdbeben und Vulkanausbrüchen legen nahe, dass verschiedene Tiere solche Ereignisse Stunden vorher spüren. Wenn wir diese Fähigkeiten hieb- und stichfest belegen können, würde dies in Zukunft hunderttausenden Menschen das Leben retten.“

Um seine Vermutung zu stützen und die Technik zu testen, versah Wikelski Ziegen am Ätna mit GPS-Halsbändern und zeichnete die Aktivität der Tiere mehrere Jahre lang über Satelliten auf. Die Bewegungsmuster sind eindeutig: Die Ziegen waren vor späteren Ausbrüchen schon nervös, lange bevor die Instrumente der Vulkanforscher anschlugen.

Möglich werden diese detaillierten Tierbeobachtungen aus dem All durch die leistungsstarken Empfangsantennen, die weltweit die Daten von 15 Millionen und mehr Sendern an jedem Ort auf der Erde empfangen. Dafür wurden eigens Geräte entwickelt, die mit einer neuen Technologie ausgestattet sind und die gerade einmal fünf Gramm leicht sind. Damit können selbst kleine Tiere wie Zugvögel ausgestattet werden.

LEXIKON: Das Ziel der ICARUS–Initiative (englisch International Cooperation for Animal Research Using Space) ist die Errichtung einer Fernerkundungsplattform im Weltraum, um die Bewegungen von Organismen global beobachten zu können. Am 15. August 2018 haben die Kosmonauten Oleg Germanowitsch Artemjew und Sergei Walerjewitsch Prokopjew das ICARUS-Experimentalsystem (Fernerkundungsplattform) auf der ISS durch einen Außenbordeinsatz installiert. Der Onboard-Computer und die ICARUS-Antenne wurden bereits im Oktober 2017 bzw. Februar 2018 zur ISS transportiert.