Kategorie Innovation & Technologie - 5. Juni 2019
Astronomen empört: Geht SpaceX mit Starlink-Flotte zu weit?
Erste Tranche von insgesamt etwa 12.000 geplanten Minisatelliten für globales Internet aus dem All
Die private US-Raumfahrtfirma SpaceX hat die ersten 60 Satelliten für ein geplantes weltumspannendes Internet namens Starlink im All ausgesetzt. Eine Falcon-9-Rakete von SpaceX brachte sie letzte Woche in die Umlaufbahn.
Es ist nicht das erste Vorhaben mit diesem Anspruch – bereits im März wurden in einem Gemeinschaftsprojekt zwischen Airbus und US-Telekommunikationsunternehmen der Grundstein zur OneWeb Flotte gelegt. Dazu wurden die ersten sechs Satelliten für ein weltweites, lückenloses Internet an Bord einer Sojus-Rakete ins All geschickt.
Der Umfang von Starlink allerdings sprengt alles Vorangegangene bei weitem. Während das US-amerikanische Unternehmen OneWeb für sein Weltnetz samt kostengünstigem und schnellem Internet ein Netzwerk von etwa 648 erdnahe Minisatelliten veranschlagt, sollen beim Starlink-Projekt an die 12.000 Satelliten in den kommenden Jahren folgen und in den entlegensten Ecken der Erde mobiles High-Speed-Internet zugänglich machen.
Viele sehen diesem Plan mit Besorgnis entgegen. Kurz nach dem Start war das von den ersten 60 Satelliten reflektierte Sonnenlicht mit bloßem Auge am Nachthimmel zu erkennen. Bei besten Bedingungen sind rund um die Erde in allen Richtungen weniger als 10.000 Sterne zu sehen. Wären Andromeda, Sommerdreieck oder Großer Wagen überhaupt noch mit bloßem Auge sichtbar, wenn dazwischen mehr als 12.000 Starlink-Satelliten herumfliegen?
„Der Albtraum wäre, dass man irgendwann fern aller Städte unter einem dunklen Nachthimmel steht und mehr Satelliten als Sterne sieht“, sagte besipielsweise Carolin Liefke vom Max-Planck-Institut für Astronomie in Heidelberg der SZ. „Aber ob es wirklich so kommt, muss sich erst zeigen.“
Feindliche Übernahme?
Astronomen sind schockiert, wie hell die ersten 60 Satelliten des Starlink-Systems sind. Es besteht die Sorge, die künstlichen Objekte könnten Forscher bei der Arbeit stören und den Nachthimmel verunstalten.
Verdeutlicht wird das Ausmass durch die Aufnahmen von Hobby-Astronomen, die in schneller Abfolge die hellen Punkte am Firmament zeigen. Ist das der Beginn einer feindlichen Übernahme des Sternenhimmels? Astronominnen und Astronomen in aller Welt sind jedenfalls besorgt, was Starlink künftig anrichten könnte – für Profis ebenso wie für all jene, die einfach nur nachts in Sterne blicken wollen.
Die jeweils über 200 Kilogramm schweren Satelliten sollen in ihrer Umlaufbahn Daten von Bodenstationen bekommen und untereinander mit Hilfe von Lasern weiterleiten. Sie sollen in relativ niedrigen Umlaufbahnen fliegen und im Vergleich zu klassischer Satelliten-Kommunikation deutlich kürzere Verzögerungszeiten gewährleisten. Die ersten 60 Satelliten können noch nicht untereinander kommunizieren, sondern nur mit Bodenstationen.
Am Ende wären somit die meisten dieser Satelliten in einem niedrigen Orbit unterwegs. Wahrscheinlich ist, dass man diese wohl eher nur in der Dämmerung sehen kann, weil sie nachts im Schatten der Erde liegen. Wissenschaftler werden dennoch ziemlich sicher gestört sein, sagt Astronomin Liefke. Etwa bei der Arbeit mit dem Weltraumteleskop Hubble, das in rund 570 Kilometer Höhe kreist. „Schon heute sind immer wieder Daten unbrauchbar, weil ein Satellit durch die Aufnahme geflogen ist“, sagt Liefke. Wenn sich die Zahl dieser Objekte vervielfacht, dürfte das entsprechend häufiger vorkommen.
Herkömmliche Kommunikationssatelliten befinden sich in der Regel in sogenannten geostationären Umlaufbahnen. Das bedeutet, dass sie in der Geschwindigkeit der Erdrotation fliegen und sie dadurch stets in der gleichen Position zur Erdoberfläche sind. Diese Satelliten sind in großen Höhen von zum Teil mehreren Zehntausend Kilometern – das sorgt für längere Verzögerungen bei der Übermittlung von Signalen.
Da im Orbit neben Hunderten anderen Satelliten inzwischen auch viel Weltraummüll unterwegs ist, sollen die Starlink-Satelliten bekannten Objekten ausweichen. Sie selbst sollen beim Eintritt in die Atmosphäre komplett verglühen.
Andere Projekte wie Telesat-Leo vom kanadischen Konzern Telesat sind aktuell in Arbeit. Es gibt auch Start-ups wie die US-Firma Swarm, die Netze aus nur wenige Kilogramm schweren Mini-Satelliten aufbauen. Einige neue Player haben bereits wieder aufgegeben, so etwa Facebook mit seiner Internet-Drohne Aquila, die Signale von Satelliten zum Boden weiterleiten sollte.