Kategorie Innovation & Technologie - 21. Oktober 2015

Ein Spielplatz für Forschung

Wenn eine Kür „Glück Auf“ wünscht und ein Pucher auf taubes Gestein stößt, dann befinden wir uns mitten im Berg. Und zwar im Bergbau am steirischen Erzberg, dem größten Erztagebau Mitteleuropas. Hier wird seit 1.300 Jahren Bergbau betrieben. Und hier, auf und unter einigen der charakteristischen 44 terrassenartigen Etagen, die sich auf eine Höhe bis zu 1466 Metern verteilen, entsteht in stillgelegten Tunnel- und Stollensystemen des Erzbergs, ein neues Forschungs- und Technologiezentrum. Das „Zentrum am Berg“ – kurz ZaB.

ZAB_Erzberg

Am steirischen Erzberg entsteht das neue Forschungs- und Technologiezentrum © Research@ZaB

Im Zentrum am Berg wird schon bald unter realen Bedingungen wissenschaftliche und angewandte Forschung betrieben werden. „Alle Geobereiche – Tunnelbau, Erdölwesen, Geowissenschaften, Geophysik; also jene, die mit der Erdkruste zu tun haben – können hier arbeiten und dabei das Gebirge fühlen und spüren lernen“, erklärt Robert Galler von der Montanuniversität Leoben. „So entsteht am Erzberg ein Spielplatz für Forschung.“

Das Projekt umfasst zwei Autobahn- und zwei Eisenbahntunnel, je ca. 400 Meter lang. In Brand- und Sicherheitsstollen können Übungen an Güter- und Personenwaggons sowie mit Bussen, LKWs und Autos durchgeführt werden. „Das Thema Tunnel und Tunnelsicherheit lässt sich aus den verschiedensten Blickwinkeln betrachten“, sagt Galler. „Es beginnt beim Verhalten von Materialien, geht über Tunnelstatik, Aerodynamik und endet beim Training und der Weiterbildung von Einsatzorganisationen und Tunnelnutzern.“ Tunnelbetreiber können in diesen Tunnelabschnitten unter Echtbedingungen neue Sicherheitstechnologien testen. Der Erzberg verhält sich in Zukunft auch wie eine große Übungslandschaft, die die akademische Ausbildung im Berg- und Tunnelbau in der Praxis unterstützt. So können auch Studierende im Zentrum am Berg Stollen-Luft schnuppern.

 

Österreich ist im Tunnelbau weltweit führend und verfügt in diesem Bereich über sehr großes international anerkanntes und gefragtes Know-how. Das ZaB soll mit seiner Spezialisierung auf Forschung, Training und Entwicklung diese Führungsrolle weiter stützen und ausbauen und zugleich einen kräftigen wirtschaftlichen Impuls für die Steiermark und ganz Österreich bringen. In einer traditionellen Industrie- und Bergbau-Region wird Hightech-Forschungsinfrastruktur geschaffen. Mit dem Zentrum am Berg hat Österreich die Chance, ein neues Technologie-Zentrum von internationalem Format zu schaffen, wie es etwa beim „Klima-Wind-Kanal“ der Rail Tec Arsenal in Wien schon gelungen ist.

Die Vorarbeiten für das ZaB sind bereits im Gange: Mitte 2016 starten die Bauarbeiten, 2018 wird man in den Vollbetrieb übergehen. Schon jetzt wurden EU- Forschungsprojekte an Land gezogen, die sich unter anderem mit der Untertage-Speicherung von Solar- und Windenergie beschäftigen.

INFObox: „Zentrum am Berg“ ist ein von der EU gefördertes Projekt. Die Errichtungskosten von 30 Millionen Euro teilen sich Bund – das Bundesministerium für Verkehr, Innovation, und Technologie (bmvit) sowie das Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (bmwfw) – das Land Steiermark und die Montanuniversität Leoben. Der laufende Betrieb des ZaB soll sich durch Aufträge aus der Wirtschaft finanzieren.

Glossar:

Glück Auf – Bergmannsgruß

Kür – Arbeitsmannschaft im Bergbau

Pucher – schwerer Schlägel zum Zertrümmern größerer Erz-/Gesteinsbrocken

Taubes Gestein – Gestein ohne Wertmineralinhalt

Untertagebau – die Herstellung unterirdischer Hohlräume (Tunnel, Stollen, Schächte, Kavernen u. ähnl.) im Gebirge