Kategorie Innovation & Technologie - 30. Oktober 2015
3-D-Schnappschüsse von Atomen
Ein Röntgenbild zeigt eine zweidimensionale Projektion der menschlichen Anatomie, damit kann über die dreidimensionale Struktur des Körpers wenig gesagt werden. Erst die Computertomografie liefert weitere Informationen zum Zustand des Patienten. Dabei errechnen komplexe Algorithmen und Software die Darstellung in 3-D. Das befähigt den Arzt, über die weitere Behandlungen zu entscheiden.
Ob atomare Strukturen funktionieren, hängt von der chemischen Zusammensetzung und der Anordnung der Atome zueinander ab. Forscher des Instituts für Elektronenmikroskopie und Nanoanalytik der TU Graz entwickelten nun erstmals eine 3-D-Erkennung der Atomzusammensetzung – oder der Nanocluster. „Wir können diese Cluster nun mit unserem Elektronenmikroskop in drei Dimensionen darstellen. Mein Team hat die Möglichkeit gefunden, sie chemisch und strukturell abzubilden“, sagt Projektleiter Gerald Kothleitner. Zunächst ging es aber darum, Nanocluster, die auch untersucht werden können, überhaupt künstlich zu erzeugen. Das übernahm das Institut für Experimentalphysik. Die Physiker entwickelten ein Verfahren, bei dem Heliumtröpfchen Einzelatome auffangen. Diese formen dann in diesen Tröpfchen die zu untersuchenden Cluster.
Winzig kleine Cluster
Die Nanoanalytiker untersuchten diese unter ihrem Elektronenmikroskop, dem Austrian Scanning Transmission Electron Microscope (Astem). „Das Gerät ist das leistungsfähigste Österreichs“, sagt Kothleitner. Die Kosten: rund viereinhalb Millionen Euro. Bei der „seinerzeit größten Infrastrukturanschaffung eines Institutes“ haben Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) und die Austrian Cooperative Research (ACR), der Verbund wirtschaftsnaher Forschungsinstitute, zu dem auch das Grazer Zentrum für Elektronenmikroskopie gehört, „ganz massiv geholfen“.
Nur leistungsfähige Geräte sind in der Lage, atomare Strukturen überhaupt abzubilden, denn die 3-D-Bilder sind winzig kleine Cluster, die etwa vier Nanometer, also vier Millionstel Millimeter, lang sind. „Wenn in der Medizin ein schlechtes CT-Gerät verwendet wird, können 3-D-Strukturen auch nicht gut dargestellt werden“, sagt Kothleitner. Zudem muss nicht nur die Art der Aufnahme optimal sein, sondern auch die Errechnung der Messergebnisse. Dazu setzen die Nanoanalytiker selbst entwickelte Software ein, die ständig mathematische Verfahren berücksichtigt.
Nun präsentierten die Forscher ihre Ergebnisse im renommierten Wissenschaftsjournal „Nature Communication“. Hier zeigen sie ihre 3-D-Aufnahmen aus dem Elektronenmikroskop als Außenansicht: „3-D-Strukturen werden auf Papier häufig unzulänglich dargestellt, daher muss man sinnvolle Ansichten wählen“, sagt Kothleitner. Dort veröffentlichten sie ein Tomogramm, also den zweidimensionale Schnitt, der die Positionen von Gold- und Silberatomen im Nanocluster zeigt. Je nachdem, wie dieses gedreht wird, sieht man eher runde oder platte Bilder des Clusters. Die Atomstrukturen sehen daher einmal eher kugelförmig, einmal eher kartoffelförmig aus. In diesen Ansichten sind wabenförmig angeordnete winzige Punkte zu erkennen. Das sind einzelne Atome: „Das heißt, wir haben eine atomare Auflösung in 3-D. Das ist nicht selbstverständlich. Da sind wir in unserer Arbeit weltweit ganz weit vorn“, betont Kothleitner.
Strukturen ähneln dem Mond
Zudem erkennen die Forscher die chemische Zusammensetzung der Nanocluster. In diesem Fall sehen sie, wo Silber und Gold aggregieren, also sich anhäufen. Die Strukturen sehen ähnlich aus wie der Mond mit seinen hellen und dunklen Flecken an der Oberfläche. Diese zeigen, wo welche Materialien liegen, wobei beim Nanocluster Gold die hellen und Silber die dunklen Flecken darstellen.
Die 3-D-Bilder eröffnen praktische Möglichkeiten: „Wenn man weiß, wo sich Atome in den Nanoclustern befinden und wie sie sich mit anderen Atomen arrangieren, kann man Eigenschaften für spätere Anwendungen kontrollieren“, sagt Kothleitner. So können die Forscher Materialien optimal verändern. Das findet etwa in der Katalyse statt: Wenn ein chemischer Stoff A in einen chemischen Stoff B überführt wird, braucht es Katalysatoren. Das kann man ebenso in der Optik oder dem Magnetismus nutzen, wo man gezielte chemische Eigenschaften braucht – ein perfektes 3-D Bild vorausgesetzt. (von Ronald Posch, Die Presse)