Kategorie Innovation & Technologie - 3. Juni 2016

Sanfte Kurven machen weniger Lärm

Leise gleitet der Zug durch die Landschaft. Der Passagier entspannt, während er Bäume und Häuser vorbeiziehen sieht. Doch in der Kurve kreischt und quietscht der Zug. Weil die Schiene, auf der die Wagen rollen, starr ist, beginnt das Material zu schwingen und gibt Schall ab. In Gleisbögen passiert das besonders häufig. Bahnlärmforscher untersuchen in verschiedenen Projekten, wie der Lärm entsteht. Die neuen Erkenntnisse sollen direkt in die Praxis einfließen und dort für Ruhe sorgen.

Denn ein kurzer Moment reicht aus, um Fahrgäste und Anrainer zu stören. Eine Schnellbahn mit 100 km/h braucht etwa drei Sekunden zum Vorbeifahren, bei einem Güterzug sind es immerhin 35 Sekunden. Güterzüge produzieren auch mehr Lärm als die deutlich leichteren Personenzüge. Je nach Zug liegt die Lärmbelastung direkt neben dem Gleis zwischen 75 und 100 Dezibel.

An der Quelle bekämpfen

„Wir müssen die Maßnahmen dort setzen, wo der Schall entsteht“, sagt Günter Dinhobl von der ÖBB-Infrastruktur. Dort liegt der Fokus aber nicht auf den Fahrzeugen, sondern auf der Wechselwirkung zwischen Rad und Schiene sowie der Infrastruktur, die vor Schall schützt, wie etwa Lärmschutzwände (siehe auch Beitrag links).

Im vom Technologieministerium geförderten Projekt „Begel“ suchten die Techniker und Ingenieure der Bahn gemeinsam mit Forschern der TU Wien nach Ursachen für das sogenannte Bogenquietschen. Sie gingen auf Strecken mit kleineren und größeren Kurvenradien mit einer breiten Palette an Messgeräten ins Feld: So wurden etwa bei Schwechat, Eichgraben und Spital am Semmering Schallmessanlagen platziert sowie Sensoren auf den Schienen befestigt, die deren Bewegung messen.

Ließe sich das nicht im Labor einfacher abbilden? Dort lasse sich alles nur unter Idealbedingungen zeigen. Die Realität sähe aber meist etwas anders aus, so Dinhobl. Und so staunten die Forscher schließlich selbst nicht schlecht über ihre Ergebnisse. „Was wir gemessen haben, stimmt teilweise nicht mit der geltenden Lehrmeinung überein“, sagt Dinhobl. „Wir waren überrascht zu sehen, welche Vielfalt doch möglich ist.“

Was sich dennoch zeigte, war, dass bei sanften Kurven der Lärmpegel beim Vorbeifahren des Zuges geringer war. Bei Messungen in Kurven mit einem Radius von 440 Metern entsprachen die Pegel von Güterzügen bereits dem Niveau einer geraden Strecke. Diese Erkenntnisse fließen in die Berechnung der neuen europäischen Lärmkarten ein. Bereits jetzt kann jeder die Lärmbelastung in seiner Umgebung unter www.laerminfo.at nachsehen, bis 2018 soll es verbesserte Karten geben.

Wetter wirkt sich aus

Sonst schienen aber so viele Fragen offen, dass die Forscher parallel dazu ein zweites Projekt starteten. In „ESB“ untersuchen sie nun in weiteren Langzeitmessungen auch, wie sich das Wetter auf die Lärmentwicklung in Gleisbögen auswirkt. Was bewirkt Regen? Wie verändert die Luftfeuchtigkeit den Geräuschpegel?

Überprüft wird weiters die Wirkung konkreter Maßnahmen. Mit der sogenannten Schienenkopfkonditionierung lässt sich Bogenquietschen vermeiden. Der Schienenkopf ist die Fahrfläche der Schiene, ein dort aufgetragener Belag soll helfen, den Reibwert zu regulieren. Bis nächstes Jahr vorliegende Forschungsergebnisse sollen helfen, diese Maßnahme noch gezielter einzusetzen.

Eine Lärmquelle fällt in Österreich übrigens weg: Geschwindigkeit. Ab 250 km/h bildet die Aerodynamik das dominante Geräusch. Hierzulande fahren Züge aber nicht mehr als 230 km/h. [Foto: ÖBB, Von Alice Grancy]

IN ZAHLEN: 62 Prozent des Umgebungslärms entsteht durch Verkehr. Der Anteil des Bahnlärms daran (ohne Straßenbahn) liegt bei 8,4 Prozent.

75 bis 100 Dezibel (dB) erzeugt ein Zug beim Vorbeifahren. Zum Vergleich: An einer stark befahrenen Straße misst man etwa 75 dB.