Koralmbahn wird erste Flüsterstrecke in Österreich
Physikalische Gesetze lassen sich leider nicht einfach außer Kraft setzen: Rollende Räder auf Schienen erzeugen Schall. Dieser kann für Anrainer von Bahnstrecken mitunter auch zur Belastungsprobe werden. Auch wenn die ÖBB Geräusche im Betrieb nicht gänzlich unterbinden können, unternehmen sie vieles, um Schallemissionen einzudämmen und zu verringern. Schallschutzwände beispielsweise sind dort besonders wirksam, wo keine ausreichenden Abstände zur Wohnbebauung vorhanden sind. Diese sorgen idealerweise für eine Halbierung der Schallemissionen – natürlich je nach örtlichen Gegebenheiten und dem Abstand zwischen Lärmquelle und Einwirkungsort.
Daran anknüpfend soll die Koralmbahn nach ihrer Fertigstellung die erste Flüsterstrecke in Österreich werden. Auf der gesamten Länge von 130 Kilometern setzen die ÖBB Schallschutzmaßnahmen nach dem neuesten Stand der Technik um. Bei Neu- und Ausbaustrecken sind solche Lärmschutzmaßnahmen übrigens obligat und bereits als Bestandteil der jeweiligen Projektplanung integriert.
Grüntunnel sind hier eine weitere von vielen Maßnahmen: Für diese wird die Bahnstrecke zuerst in offener Bauweise hergestellt und dann mit Erdmaterial abgedeckt. Wie bei einem Tunnel „verschwindet“ die Strecke unter der Erde. Entlang der Koralmstrecke wurden in Kärnten (in Kühnsdorf und Peratschitzen) Grüntunnel errichtet (siehe auch Text weiter unten). Um Erschütterungen und damit auch Schall zu reduzieren, kommen in den Tunneln innovative Masse-Feder-Systeme zum Einsatz. Zwischen dem Schienenoberbau und der Tunnelsohle werden elastische Elemente eingebaut, die dafür sorgen, dass weniger Erschütterungen aus dem Zugverkehr übertragen werden und damit die Lautstärke reduzieren. Im Bereich der Tunnelportale kommen schallabsorbierende Verkleidungen zum Einsatz.
Ein Großteil des Ausbruchmaterials auf der Koralmbahn wird als Schüttmaterial für Schallschutzwälle und Bahndämme wiederverwendet. Das hilft der Umwelt doppelt: Zum einen entsteht durch die ortsnahe Verwendung weniger Transportlärm, zum anderen wird Material gespart.
Mehr als 20 Millionen Euro pro Jahr hat die ÖBB-Infrastruktur in den vergangenen zehn Jahren in Lärmschutzmaßnahmen investiert. 900 Kilometer Lärmschutzwände entlang ihrer Bahnstrecken bringen den Bewohnern mehr Ruhe und Lebensqualität. Bei bestehenden Bahnstrecken verfolgt die ÖBB-Infrastruktur das Ziel eines effizienten Lärmschutzes, gemeinsam mit Land, Städten und Gemeinden.
Auch auf den Gleisen arbeiten die ÖBB bereits mit möglichst lärmvermeidenden Technologien. Dabei sind leise Bremsen im Schienengüterverkehr die wichtigste Maßnahme zur Eindämmung der Schallemissionen: So können Geräusche unmittelbar an ihrer Quelle bekämpft werden: Je glatter die Räder und Schienen, umso leiser die Rollgeräusche.
Bisher kamen Grauguss-Bremsen im Güterverkehr zum Einsatz. Diese haben allerdings den Nachteil, dass sie beim Bremsvorgang die Räder aufrauen. Neu entwickelte Flüsterbremsen mit Bremsbelägen aus Kunststoff oder Keramik tut dies nicht und kann damit helfen, die Rollgeräusche der Wagons um etwa 10 dB zu reduzieren, was für das menschliche Ohr einer Halbierung des Lärms entspricht.
Bis 2021 sollen alle in der ÖBB-Gütertochter Rail Cargo Group in Betrieb befindlichen österreichischen Güterwagen, mit leisen Bremsen ausgestattet werden, derzeit sind bereits 72 Prozent umgerüstet. Der Tausch erfolgt während der laufenden Instandhaltung. Das verlangt den Güterwagen-TechnikerInnen viel ab: Pro Jahr werden rund 2.500 Wagen umgerüstet.
Auch die Europäische Union fördert die schallmindernden Bremsen für Güterwagen. Im Detail wurden durch die „Connecting Europe Facility“ (CEF) der EU-Kommission im Zeitraum von 2019 bis 2023 rund 3,3 Millionen Euro den beiden ÖBB-Konzerntöchtern Rail Cargo Austria und Rail Austria Hungary zur Verfügung gestellt. Die Mittel sollen die Umrüstung von 11.200 Waggons unterstützen.
EU-Milliarden für den Ausbau der Bahn Die EU fördert den Ausbau und die Verbesserung der Bahnverbindungen quer durch Europa. Von 2014 bis 2019 wurden rund 23 Milliarden Euro aus der sogenannten Connecting Europe Facility in Verkehrsprojekte investiert. Rund 70 Prozent davon, 16 Milliarden Euro, gingen in den Bahnsektor. Österreich erhielt 742 Millionen Euro an Förderungen für den Ausbau des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene. Unterstützt wurden beispielsweise die Koralmbahn als Teil der Baltisch-Adriatischen Verkehrsachse, der Brennerbasistunnel und die Nachrüstung von Güterwaggons mit sogenannten Flüsterbremsen zwecks Reduktion der Lärmbelästigung. Auch im kommenden Finanzrahmen von 2021-2027 spielt klimafreundliche Mobilität und damit der Ausbau der Bahn eine zentrale Rolle. Die Europäische Kommission regt zudem an, 25 Prozent der für 2021-2027 budgetierten EU-Mittel in den Kampf gegen den Klimawandel zu investieren.