Kategorie Innovation & Technologie - 13. November 2015
Kein Rohr hält für die Ewigkeit
Man sieht sie nicht, und doch sind sie überall. Weit verzweigte Netze von unterirdischen Rohren, die die Versorgung mit Gas und Wasser in Stadt und Land sichern. Denn meist fallen sie erst auf, wenn etwas nicht funktioniert: Die Folgen lecker Gasleitungen sind gefürchtet, zerborstene Wasserleitungen können Versorgung und Verkehr ganzer Stadtviertel lahmlegen. Steirische Forscher arbeiten an Methoden, mit denen sich die Lebensdauer von Kunststoffrohren vorhersagen lässt. Kürzlich wurde nun ein am Polymer Competence Center (PCCL) Leoben entwickeltes Verfahren als ISO-Norm veröffentlicht.
Der Hauptaugenmerk der Forscher liegt auf Polyethylen, kurz PE, einem der industriell am häufigsten eingesetzten Kunststoffe. Als Plastiksackerl, Müllkübel, Getränkekiste, Ketchup-Flasche, Wäschekorb oder eben als Wasserleitung durchdringt der Massenkunststoff mit den vielfältigen Anwendungen das tägliche Leben.
„Wasserleitungen aus Polyethylen haben eine Mindestlebenszeit von 50 Jahren“, sagt Andreas Frank, Leiter der Rohrgruppe am PCCL. Freilich ist das nur eine Größenordnung: Auch 60 Jahre alte Rohre können noch Jahrzehnte halten. Bilden sich allerdings erste Risse, gilt es, rasch zu reagieren.
Abgeschätzt wurde das bisher mit aufwendigen Methoden, das Material im Labor dazu regelrecht gemartert: Das Rohr wurde unter Innendruck gesetzt und in einem warmen Wasserbad 10.000 Stunden lang über rund 13 Monate getestet. „Bildete sich in dieser Zeit kein Riss, ging man davon aus, dass das Rohr hält“, sagt Frank. Das Verfahren dauerte aber nicht nur lange, es erlaubte auch keinen Vergleich zwischen unterschiedlichen Werkstoffen.
Kerben machen Material müde
Die Leobener Forscher entwickelten daher basierend auf bruchmechanischen Konzepten den sogenannten „Crack Round Bar“-Test. Geprüft wird bei Raumtemperatur. Das liegt nahe an den 15 Grad Celsius, die das Erdreich hat, in dem Rohre liegen. Damit das Material schneller ermüdet, bekommen die Prüfkörper Kerben. „Durch den Anfangsdefekt konzentriert sich die Spannung auf eine Stelle“, so der Forscher. Bereits nach wenigen Tagen entsteht ein Riss, dann bricht das Material. Die Forscher dokumentieren die Daten bei verschiedenen Belastungen. Das Ergebnis ist eine Versagenskurve.
Der neue Test erlaubt nun eine schnelle Analyse von Materialien und auch Vergleiche zwischen Werkstoffen. So lassen sich alte Rohre genauso bewerten wie neue. Der Leobener Test ist damit interessant für Materialhersteller, Rohrproduzenten und Netzbetreiber: „Sie alle brauchen rasche und verlässliche Ergebnisse für ihre Qualitätskontrolle“, sagt Frank. Der Test wurde in mehreren, vom Wissenschafts- und Technologieministerium geförderten Comet-Projekten gemeinsam mit der Rohrindustrie entwickelt und selbst zunächst eingehend geprüft. (Die Presse, Alice Grancy)