Kategorie Innovation & Technologie - 19. Juli 2022
Re-Use Wings: Neue Radbrücken aus alten Windrädern
Die schwer recycelbaren Rotorblätter von Windturbinen sollen in Österreich wiederverwertet und umfunktioniert werden.
Windräder in der grünen Landschaft sind ein Symbolbild für die Herstellung von Ökostrom. Was allerdings oft nicht bedacht wird, ist, dass die Rotorblätter der Anlagen selbst nicht grün sind. Derzeit gelten sie aufgrund ihrer Verbundwerkstoffe als nicht recycelbar.
Die in den Flügeln enthaltenen Materialien lassen sich aufgrund des glasfaserverstärkten Kunststoffs (GFK), der als eine Art Klebstoff fungiert, nur schwierig beziehungsweise äußerst energieintensiv voneinander trennen. Daher landen ausrangierte Windradflügel weltweit häufig auf Mülldeponien. Bilder in den USA zeigen etwa, wie alte Rotorblätter schlichtweg im Boden vergraben werden.
Wind turbine blades are buried at the Casper Regional Landfill in Wyoming.
> Photos: Benjamin Rasmussen.
The wind turbine blades can’t be recycled pic.twitter.com/Pn6j5pXDdK
— Lanternativa (@lanternativa) September 23, 2021
150 Tonnen Last
Um das zu vermeiden, werden in Österreich mehrere Forschungsprojekte der sogenannten „ReUse-Challenge“ durchgeführt. Das burgenländische Unternehmen Woschitz Engineering forscht an einer neuartigen ökologischen Radwegbrücke. Als primäres Tragelement sollen alte Flügel von Windrädern dienen, denn die Rotorblätter aus GFK zeichnen sich besonders durch eine extreme Robustheit und Langlebigkeit aus.
„Laut unseren Recherchen wurde etwa vor 30 Jahren begonnen, Windradparks im großen Umfang zu bauen. Diese Windräder werden zurzeit durch größere Windräder ersetzt. Deshalb sehen wir im Bereich der Ressource ein enormes Potenzial für die Verwendung von Windradflügeln als Tragelemente von Brücken“, sagt Christoph Bauer, Geschäftsführer der Woschitz Group, der futurezone.
Die Vorteile einer solchen Radwegbrücke liegen primär in der Verlängerung des Lebenszyklus der ausrangierten Rotorblätter. „Windradflügel beinhalten diverse unterschiedliche Materialien, beginnend bei Carbon bis hin zu Kupfernetz, Glasfaser und geschäumte Kunststoffe. Die hochwertigen Carbonfasern in den Flügeln haben aus unserer Sicht nach 30 Jahren noch lange nicht ihre Tragfähigkeit verloren“, sagt er. Unter anderem haben Versuche anhand eines 30 Jahre alten Windradflügels mit einer Länge von zehn Metern eine Traglast von 150 Tonnen ergeben.
Experimenteller Nachweis
Jedoch unterscheiden sich die Rotorblätter je nach Hersteller. „Dies stellt uns als Tragwerksplaner vor großen Herausforderungen für die Nachweisführungen.“ Aufgrund der als Industriegeheimnis geschützten Daten seitens der Produzenten sei es etwa nicht möglich, Kennwerte für Steifigkeiten und Festigkeiten zu erhalten.
Abhilfe schafft hier die experimentelle Nachweisführung, mit der diese Materialkennwerte in Kleinversuchen am Objekt selbst ermittelt werden können. „Diese Variante wird zurzeit parallel zur Finiten Elementmethode (FEM) geprüft und durchgeführt“, sagt Bauer. Bei der FEM handelt es sich um ein Verfahren, mit dem basierend auf den ermittelten Kennwerten das physikalische Verhalten unter Einwirkung von Kräften, Wärme oder Schwingungen des Flügels berechnet wird. Mithilfe der verfügbaren Daten kann in der Folge eine Simulation gestartet werden.
Geplant ist aktuell, dass die Windradflügel der Radwegbrücke durch ein Rohr-in-Rohr-System auch ausgetauscht werden können. „Dazu werden in den bestehenden Windradflügeln GFK-Rohre einlaminiert. Die Sekundärkonstruktion wird anhand dieser Punkte eingebunden“, ergänzt Bauer. Die Quertragkonstruktion soll außerdem aus ökologischen Gründen eine Holztragkonstruktion sein.
Rotorblätter abgebaut
Das Recyclingproblem könnte durch mehrere derartige Projekte zumindest teilweise gelöst werden. In Österreich werden die meisten Windenergieanlagen generell mitsamt der Rotorblätter abgebaut und verkauft. Sie finden ein zweites Leben im Ausland, wo sie weiter sauberen Strom produzieren, erklärt Jürgen Schwarz von Burgenland Energie. „Bei Anlagen, die nicht weiterverkauft werden, wird das Abbruchmaterial der Betontürme zerkleinert und Stahl und Beton getrennt.“ Das recycelte Material werde etwa für den Unterbau bei Wegen, für Zufahrtswege, neue Fundamente und Türme aufbereitet und so wiederverwendet.
Die Rotorblätter dieser Anlagen fänden Verwendung in zahlreichen Projekten der ReUse-Challenge. Umgesetzt wurden bereits Klettergerüste, Umkleiden, Haltestellen oder Kunstwerke. „Alle nicht-verwertbaren Reste der Rotorblätter, die anfallen, werden durch Fachfirmen geschreddert, entsprechend aufbereitet und in der Industrie weiterverwendet, u.a. für faserverstärkte Betonmischungen“, sagt Schwarz.
Mehrere Standorte
Das Brücken-Projekt wird von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) gefördert. Aktuell laufen laut Bauer die letzten Versuchsdurchführungen. In einem nächsten Schritt wolle man auf Basis der Versuchsdaten eine mögliche Umsetzung eines praktischen Projekts einer Radwegbrücke andenken. „Es gibt zur Zeit mehrere mögliche Standorte und mehrere Gespräche mit Bauherren. Die Brücke sollte in unterschiedlichen Radwegenetzen Anwendung finden.“
Generell soll das österreichische Radnetz ausgebaut werden. Ziel ist, den Anteil des Radverkehrs am Gesamtverkehr bis 2025 auf 13 Prozent zu verdoppeln. Neben einer klimaverträglicheren Mobilität können durch den Radverkehr auch gesundheitsschädliche Luftschadstoffe, wie Feinstaub und Stickoxide, verringert werden.
Andreea Iosa / futurezone