Kategorie Energie - 20. Juli 2022

Europäischer Gas-Notfallplan: EU-Staaten sollen Gasverbrauch um 15 Prozent senken

Im Fall eines Gasnotstands sollen EU-Staaten auch zum Gassparen gezwungen werden können. Freiwillig sollen EU-Länder alles dafür tun, ihren Verbrauch in den kommenden Monaten um 15 Prozent im Vergleich zum Schnitt der vergangenen fünf Jahre zu verringern.

Konkret schlug die Brüsseler Behörde vor, dass verbindliche Reduktionsziele möglich sein sollen, wenn nicht genug gespart wird. Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen wäre, dass mindestens drei Staaten oder die EU-Kommission wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten.

EU-Notfallplan

Einem Entwurf zufolge enthält der geplante Notfallplan Vorschläge, welche Industrien neben den geschützten Haushalten im Ernstfall noch mit Gas versorgt würden. Auch jetzt schon ruft die Brüsseler Behörde zum Energiesparen auf – das Schlagwort heißt: „Solidarität“.

Entwürfe des Plans sehen unter anderem vor, dass öffentliche Gebäude, Büros und kommerzielle Gebäude bis maximal 19 Grad beheizt und mit Klimaanlagen auf nicht weniger als 25 Grad heruntergekühlt werden sollen, sofern das technisch möglich ist. Generell werden Verbraucherinnen und Verbraucher, wie auch andere Konsumenten von Gas zum Sparen aufgerufen.

Generell gibt es für den Fall einer Gasnotlage bereits einheitliche Regeln in der EU, die in der sogenannten SoS-Verordnung verankert sind. Diese regelt etwa, welche Kunden in einem Ernstfall noch mit Gas versorgt werden sollen. Haushalte und essenzielle soziale Dienste werden als geschützte Verbraucher besonders behandelt. Sie genießen eine besondere Stellung und ihnen kann von den Mitgliedsländern Vorrang eingeräumt werden.

Der Entwurf der Kommission sieht vor, dass Unternehmen ihren Gasverbrauch jetzt schon reduzieren, beziehungsweise auf andere Energieträger umsteigen sollen. Dafür könnten Firmen finanzielle Anreize erhalten. Nach den derzeit geltenden EU-Regeln gilt grundsätzlich die Industrie zum Beispiel in einem Notfall nicht als geschützter Verbraucher und ihre Versorgung würde im äußersten Fall eingestellt.

Verpflichtende Einsparziele

Schon jetzt gibt es Mitgliedsstaaten, die sich nicht an die Regeln halten wollen. So hat Ungarn vergangene Woche einen Notstand ausgerufen und angekündigt, dass es ab August kein Gas und andere Energieträger mehr an andere EU-Länder liefern will. Die EU-Kommission untersucht diesen Schritt gerade.

Einem Entwurf des neuen Notfallplans zufolge sollen – wenn freiwillige Maßnahmen nicht mehr ausreichen – im Zweifel Einsparziele verpflichtend vorgegeben werden können, um in allen EU-Staaten eine Versorgung von privaten Haushalten und anderen besonders zu schützenden Konsumenten – wie etwa Krankenhäusern – sicherzustellen.

Eine Voraussetzung für die Einführung von verpflichtenden Einsparzielen könnte laut dem Entwurf sein, dass mindestens zwei EU-Staaten wegen einer Unterversorgung mit Gas akute Notsituationen befürchten. Wie stark die EU-Staaten ihren Gasverbrauch reduzieren müssten, ließen die Autoreinnen und Autoren zunächst offen, im Gespräch waren zuletzt allerdings Zahlen von fünf bis 15 Prozent.

Aufruf zu Solidarität

Sollten die russischen Gaslieferungen über die Pipeline Nord-Stream-1 auch nach der Wartung ausbleiben, wird man laut Energieministerin Leonore Gewessler evaluieren müssen, ob die Gasspeicher bis zum Beginn der Heizsaison zu 80 Prozent befüllt werden können. Das sei das Kriterium für die nächste Stufe im Gas-Notfallplan, sagte Gewessler. Wenn dieses Ziel gefährdet sei, „dann werden auch bei uns die nächsten Schritte fällig, das heißt, auch die Alarmstufe“.

Die österreichischen Gasspeicher wird weiterhin befüllt, „wir können im Notfall auf alle Mengen zugreifen“, sagte Gewessler. Das könne im Zuge der Energielenkung per Verordnung mit einer Zweidrittel-Mehrheit im Hauptausschuss des Nationalrates erfolgen. Im Sinne der europäischen Solidarität würde sie das aber „nicht vorschlagen in einem ersten Schritt“, man werde vielmehr „darauf schauen müssen, dass wir unsere europäischen Verpflichtungen erfüllen“. So hätten auch österreichische Unternehmen Gas in der Slowakei, in Ungarn und in Deutschland eingespeichert. Auch Österreich sei bei der Gasversorgung auf andere Länder angewiesen, betonte Gewessler. So brauche man die Leitungskapazitäten anderer Länder, um von den niederländischen LNG-Terminals und aus Norwegen Gas nach Österreich zu transportieren. „Österreich ist ein Binnenland, ich kann keinen LNG-Terminal in den Neusiedler See stellen.“

Gasdiversifizierung: OMV sichert zusätzliche Kapazitäten für nicht-russisches Erdgas