25. November 2024
COP29 – Einigung auf höhere Klimafinanzierung – und viel Kritik
Für Klimaschutz und Anpassung an – Späte Einigung hinter den Forderungen der Entwicklungsländer – Gewessler: „Klimakrise braucht Fortschritt und dieser fehlt hier“
Kurz nach Mitternacht, am frühen Sonntagmorgen ließ COP29-Präsident Mukhtar Babayev die finale Sitzung der 29. Weltklimakonferenz in Baku einläuten. Um 2:38 Uhr fiel dann der Hammer das entscheidende Mal und langer Applaus brandete im Plenum auf. Damit war klar: Die COP29 findet doch noch zu einer Einigung. Es kommt jedoch einem kleinem Wunder gleich, dass die Weltgemeinschaft aus rund 190 Staaten überhaupt zur Einigung auf ein gemeinsames Abschlussdokument gefunden hat.
Beschlossen wurde in der Nacht zum Sonntag etwa ein neuer Rahmen für die internationale Finanzierung von Klimaschutz und Anpassung an Klimafolgen. Demnach soll der jährliche Beitrag in erster Linie der Industriestaaten bis 2035 auf mindestens 300 Milliarden Dollar erhöht werden. Dies bleibt weit hinter den Forderungen von Entwicklungsländern zurück, ist aber eine Verdreifachung der aktuellen Verpflichtung von jährlich 100 Milliarden Dollar.
Für Klimaschutzministerin Leonore Gewessler „kein Fortschritt und kein Rückschritt“. Für sie eindeutig zu wenig, „aber es ist heuer auch alles, was möglich war. Die Aufgabe werde dadurch „nicht kleiner, sondern größer“, wie sie nach dem Beschluss kundtat. „Aber wir lassen uns unsere Hoffnung nicht nehmen. Wir können den Kampf gegen die Klimakrise gewinnen. Und wir werden weitermachen“, zeigte sich Gewessler entschlossen.
Um die Entscheidung war zuvor auf der COP29 in Baku erbittert gerungen worden, auch das Abschluss-Plenum wurde mehrfach unterbrochen. Vertreterinnen und Vertreter besonders verletzlicher Länder wie der kleinen Inselstaaten verließen zwischendurch aus Protest die Verhandlungen. Industriestaaten drangen auf eine Einbeziehung auch wirtschaftlich starker Schwellenländer wie China, was nur sehr begrenzt gelang. Entwicklungsländer, zu denen formal weiterhin auch China zählt, wurden „ermutigt“, auch „auf freiwilliger Basis“ Beiträge zu leisten.
Fehlende Bekräftigung zur Abkehr von fossilen Brennstoffen
Die Notwendigkeit der Senkung der Treibhausgasemissionen sowie das 1,5-Grad-Ziel werden wiederholt benannt, eine Bekräftigung oder gar Fortschreibung der Entscheidungen der UN-Klimakonferenz 2023 in Dubai fehlt jedoch. Dabei geht es um die Abkehr von fossilen Brennstoffen sowie die Verdreifachung erneuerbarer Energien bis 2030.
Lediglich in einem Beschlussentwurf von Baku, dem „Vereinigte-Arabische-Emirate Dialog über die globale Bestandsaufnahme“ fand sich versteckt ein Verweis auf den betreffenden Beschluss von Dubai sowie auf die Ergebnisse der Bestandsaufnahme, des „Global Stocktake“. Nach Einsprüchen mehrerer Delegationen, die eine klarere Sprache wünschten, wurde die Entscheidung über diesen Text jedoch auf das kommende Jahr vertagt.
Regeln für Kohlenstoffmärkte beschlossen
Beschlossen wurden neue Regeln für den Handel mit Emissionszertifikaten nach Artikel 6 des Pariser Klimaschutzabkommens. Kritiker befürchten durch die Kohlenstoffmärkte ein „Greenwashing“ durch Staaten mit hohem CO2-Ausstoß und warnen vor Manipulationsmöglichkeiten. Befürworter argumentieren, dass das Verfahren Klimaschutzinvestitionen in Entwicklungsländern fördere.
Leider wurden die nächsten Schritte zur Emissionsminderung vertagt – es gibt hier also weder Rückschritte noch Fortschritte. Das ist zu wenig – aber es ist alles, was in diesem Jahr möglich war. Uns ist bewusst: Die Aufgabe wird dadurch größer und nicht kleiner. (2/3)
— Leonore Gewessler (@lgewessler) November 24, 2024
Das Lima Work Program zu Gendergerechtigkeit im Klimaschutz wird um zehn Jahre verlängert. Hintergrund ist, dass Frauen Studien zufolge wesentlich stärker von Folgen der Erderwärmung betroffen sind als Männer. Zudem spielten sie auf lokaler Ebene eine wichtige Rolle für nachhaltige Lebensweisen.
Beschluss für Gewessler Pflichtprogramm ohne Kür
„Dieser Beschluss ist das Pflichtprogramm, die Kür fehlt aber“, sagte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler in einer ersten Reaktion. Es sei gelungen, in schwierigen Zeiten den Kurs zu halten und beim Finanzierungsziel einen notwendigen Beschluss zu fassen. „Ja, wir fallen nicht hinter den Abschied von fossilen Energien zurück, der Kampf gegen die Klimakrise braucht jedoch Fortschritt und dieser fehlt uns hier“, resümierte Gewessler.
Die Entwicklungsländer hatten während der Konferenz Beiträge von 1,3 Billionen Dollar jährlich bis 2035 gefordert, mindestens aber bis 2030 eine Erhöhung der Beiträge der Industriestaaten auf 500 Milliarden Dollar. Die Summe von 1,3 Billionen Dollar wird nun auch in dem Beschluss zwar als Zielgröße genannt, jedoch ohne nähere Angaben zur Herkunft der Mittel. Allerdings wurde ein Prozess beschlossen, die „Baku to Belem roadmap“, um Möglichkeiten dafür auszuloten. Das Wort „mindestens“ vor der 300-Milliarden-Dollar-Vorgabe wurde noch in letzter Minute in den Beschlusstext eingefügt. Die nächste COP findet im kommenden Jahr im brasilianischen Belem statt.
UN-Klimasekretär Simon Stiell räumte ein, der Beschluss sei kein Grund für Siegesfeiern. „Kein Land hat alles bekommen, was es wollte, und wir verlassen Baku mit einem Haufen Arbeit, die noch erledigt werden muss“, sagte er. EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra verteidigte dagegen den Beschluss. Es breche eine „neue Ära in der Klimafinanzierung an“ und die EU werde weiterhin eine Führungsrolle übernehmen, versprach der Niederländer. Die neuen Ziele seien ehrgeizig, aber auch realistisch.
Durchgehend Enttäuschung bei den NGOs
„Die Welt hat die Chance verpasst, endlich die notwendigen Geldhähne zu öffnen, um der Klimakrise weltweit die Stirn zu bieten. Das ist eine bittere Enttäuschung für alle, deren Existenzen und Heimat schon heute von der Klimakrise zerstört werden“, sagte Jasmin Duregger, Klima- und Energieexpertin bei Greenpeace in Österreich und vor Ort in Baku in einem ersten Statement. Ein Hoffnungsschimmer sei aber die „Baku to Belem roadmap“.
Enttäuscht über das neue Klimafinanzierungsziel zeigte sich auch Martin Krenn, Klima-Experte der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO). Die angebotenen 300 Milliarden Dollar pro Jahr würden nicht ansatzweise ausreichen, „um auch nur die notwendigsten lebensrettenden Anpassungsmaßnahmen in den ärmsten Ländern des Globalen Südens sicherzustellen“, kritisierte Krenn das Ergebnis.
„Es fehlen entscheidende Elemente wie die Verdreifachung der erneuerbaren Energien, die Verdoppelung der Energieeffizienz und die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Hier haben sich die fossilen Lobbys durchgesetzt, was eine katastrophale Nachricht ist“, ergänzte WWF-Klimasprecher Reinhard Uhrig.
Die Menschenrechtsorganisation Südwind nannte die COP29 „aus entwicklungspolitischer Sicht“ eine Farce. Das Ergebnis nehme die reichen Länder des Globalen Nordens weitgehend aus ihrer Verantwortung. „Menschenrechte, Gendergerechtigkeit und die Förderung der am stärksten betroffenen Communities waren nicht mehr als eine Randnotiz“, kritisierte Angelika Derfler, Sprecherin für Klimagerechtigkeit bei Südwind.
apa/red