Kategorie Innovation & Technologie - 4. März 2016
Smart leben auf engem Raum
Die Stadtteile von morgen sollen einen niedrigen Energie- und Ressourcenverbrauch haben, unterstützt durch Fotovoltaikanlagen. Sie sollen gemischt, also von alten wie jungen Leuten als Wohn- und Arbeitsbereich genutzt werden.
Sie sollen an bestehende Verkehrsnetze, etwa an Straßenbahnlinien, angeschlossen werden. Autos passen nur mehr bedingt ins neue Stadtbild. Man setzt auf die gemeinsame Nutzung von Fahrzeugen, also auf Sharing-Modelle, und auf das Fahrrad. Ausnahmen sind Elektroautos, für die die neuen Stadtteile Ladestationen brauchen.
Grünflächen sollen als Naherholungsgebiete dienen. Generell sollen alle benötigten Dinge des Alltags fußläufig erreichbar sein. Autarke Inseln innerhalb der Stadt sollen die Lebenswelten vieler Menschen werden: hehre Ziele für die Stadtplaner.
Graz setzt auf Industriegebiete
Auch Graz setzt auf das Stadtinsel-Modell. Die zweitgrößte Stadt Österreichs vergrößert seine Einwohnerzahl seit Jahren um etwa 4000 bis 5000 Haushalte jährlich – Tendenz mindestens gleich bleibend. Wie sehr sich das bislang 285.000 Einwohner zählende Graz in den nächsten Jahren um Bürger vermehren wird, ist kaum zu prognostizieren. Sicher ist, dass der Zuzug aus den übrigen strukturschwachen steirischen Gebieten anhält. Die Stadt befindet sich in einer Kessellage. Der Ausbau ist nur nach Süden möglich, das reicht aber nicht aus.
Eine Verdichtung ist daher nur im Stadtgebiet selbst geeignet. Das soll aber intelligent und energieeffizient gelöst werden. Nachhaltige Stadtteile – sogenannte Smart Cities – sollen entstehen, die zur Wohn-, Lebens- und Arbeitswelt werden. Das ist nicht billig. Der Klima- und Energiefonds von Technologie- und Lebensministerium unterstützt das Grazer Vorhaben daher mit 4,2 Millionen Euro.
Die beiden im Grazer Westen gelegenen Projekte, Smart City Graz Mitte: Waagner-Biro und die Reininghausgründe, gehören dabei zu den aktuell größten Stadtentwicklungsprojekten der steirischen Landeshauptstadt und zu den Vorzeigeunternehmungen des Klima- und Energiefonds. Hier sollen bis 2025 neue Stadtteile für knapp 10.000 Menschen entstehen.
Noch sind die Flächen großteils Brachland. In der Waagner-Biro-Straße hinter dem Hauptbahnhof stehen auf dem ehemaligen Schwerindustriegelände bisher die List-Halle und der Rohbau des Science Tower. Erstere ist bereits fertig und dient als Konzerthalle. Letzterer soll Büros beherbergen, die Jungunternehmen anlocken, die zu nachhaltiger Energienutzung forschen. Noch steht nur das Betonskelett des 60 Meter hohen Turms. Dieser wird mit einer Haut aus färbig-transparentem Fotovoltaik-Energieglas ummantelt, das den Strom erzeugt.
Südlich davon befindet sich das Areal der ehemaligen Brauhaus-Familie Reininghaus. Es umfasst 100 Hektar, also eine Million Quadratmeter Grund. Der Bierriese Heineken stieß 2005 davon 54 Hektar ab. Diese Fläche soll in den kommenden zehn bis 15 Jahren ähnlich genutzt werden wie das Waagner-Biro-Gelände.
Urban Future Conference
Auch hier sind Wohneinheiten, Gewerbenutzung, ein öffentlicher Park und ein Anschluss an die Straßenbahnlinie geplant. Diese soll auch an den Wohnhäusern vorbeiführen, die bereits jetzt in Blickweite der Reininghausgründe, in der Peter-Rosegger-Gasse, stehen und auf einer ehemaligen 18 Meter tiefen Schottergrube gebaut wurden.
Graz veranstaltete bis zum 3. März die Urban Future Global Conference, bei der Vertreter von Wirtschaft, Politik und Wissenschaft über klimaschonende Entwicklungsmodelle diskutierten. Die Nutzung ehemaliger Industriegelände wurde hier als Vorbild präsentiert. Weitere Projekte sind aber nötig, bedenkt man, dass die „smarten“ Grazer Stadtteile für etwa genauso viele Menschen Platz bieten werden, wie wegen des Zuzugs jährlich neue Haushalte entstehen. (Von Ronald Posch, Die Presse)