Kategorie Energie - 26. Januar 2023
AHEAD: Dampferzeugende Wärmepumpe als Chance für eine nachhaltigere Industrie
AHEAD – also voraus, heißt ein neues Forschungsprojekt, das beim Biopharma-Unternehmen Takeda in Wien erstmals eine dampferzeugende Wärmepumpe im industriellen Betrieb integriert. Nomen est omen, wie man meinen könnte. Mit AHEAD (Advanced Heat Pump Demonstrator) sollen mittels erdgasfreier Dampferzeugung eine CO2-Reduktion von bis zu 90 Prozent an einem der größten Arzneimittelproduktionsstandorte des Unternehmens erreicht und dabei ausschließlich natürliche Kältemittel werden. Gemeinsam mit dem Klima- und Energiefonds und dem AIT Austrian Institute of Technology konnte das BMK dieses neue New Energy for Industry (NEFI)-Projekt der Forschungsinitiative „Vorzeigeregion Energie“ initiieren.
Das technologische Vorzeigeprojekt untermauert die führende Rolle Österreichs in der Hochtemperatur-Wärmepumpenforschung und soll als Praxisbeispiel für die gesamte pharmazeutische Industrie und auch für viele andere Industriebetriebe und Branchen dienen, die ihre Prozesse CO2-frei gestalten möchten. Allein in diesem Fall entspricht die CO2-Reduktion von bis zu 90 Prozent im Produktionsprozess etwa 1.900 Tonnen CO2 pro Jahr.
Österreich hat sich dazu verpflichtet bis 2040 klimaneutral zu werden. Dieser wichtige Schritt bedarf auch einer gemeinsamen Anstrengung mit Österreichs Industrie, die für diesen Schritt ein ganz zentraler Akteur ist. Volker Schaffler, Leiter der Abteilung Energie- und Umwelttechnologien des Klimaschutzministerium (BMK) sieht als große Herausforderung jedoch, „dass noch nicht in allen Bereichen der nachhaltigen Produktion, der Erzeugung, Speicherung und Umwandlung von erneuerbarer Energie fertige Lösungen erprobt sind“.
Dafür brauche es Forschung, Entwicklung und vor allem diese Art Demonstration unter Realbedingungen – eben so, wie es Takeda hier am Standort in Wien umsetzt. „Industrie, Forschung und Verwaltung müssen Hand in Hand an den Lösungen, Umsetzungen aber auch den dafür notwendigen Rahmenbedingungen arbeiten, die es braucht, um die Klima- und Energieziele zu erreichen. Die Förderangebote des BMK sind hierbei ein zentraler Hebel diese Herausforderungen zu bewältigen“, so Schaffler.
Kälte zu Wärme & Wärme zu Dampf
Die Neuartigkeit dieses Projektes ist die dampferzeugende Wärmepumpe, die ausschließlich mit 100 Prozent natürlichen Kältemitteln betrieben und mit Dampfverdichtern kombiniert wird, um die bisher höchsten Wärmenutzungstemperaturen zu erreichen. Das AHEAD-System kann Temperaturen von 200-260°C erreichen. Diese Wärmepumpe wird nun für den Einsatz natürlicher Kältemittel adaptiert, um so das Heizungswasser zuerst von 65 auf etwa 130°C zu erwärmen und dabei zu verdampfen. Dieser Dampf wird auf 11 bar verdichtet und dabei auf über 184°C erhitzt, so wie es für die Arzneimittelproduktion erforderlich ist.
Die Arzneimittelproduktion ist sehr energieintensiv, um Rohstoffe, Zwischenprodukte und Medikamente zu kühlen und gleichzeitig bedarf es Wärme und Dampf, um chemische und biologische Prozesse in Gang zu setzen oder ein steriles Produktionsumfeld zu gewährleisten. Mit einem hohen Bewusstsein für den Umweltschutz erfordert dies eine bewusste Entscheidung für die jeweils nachhaltigsten Energieträger (z.B. Strom statt Gas) und die Verwendung von Hilfsmitteln mit der jeweils besten CO2-Bilanz (z.B. natürliche Kältemittel).
Dass die Industrie einer der zentralen Hebel für das Erreichen der europäischen und nationalen Klimaziele ist, liegt für Bernd Vogl, neuer Geschäftsführer des Klima- und Energiefonds, auf der Hand: „Rund ein Drittel der gesamten Energie wird hier verbraucht, der Sektor zeichnet für knapp 50 Prozent der heimischen Treibhausgasemissionen verantwortlich.“ Um klimaneutral zu werden, brauche es daher eine umfassende Transformation. Eine Mammutaufgabe, die „einzelne allein nicht stemmen können“.
Das Forschungsprojekt AHEAD übernimmt dabei eine Vorreiterrolle und liefert eine umweltfreundliche Lösung für die Dampfversorgung industrieller Prozesse. Ein großer Teil des Prozesswärmebedarfs in der Arzneimittelproduktion wird bis dato hauptsächlich durch Erdgas gedeckt. Hier ist das nun nicht mehr nötig. Mit dem Forschungsprojekt wird dieses Potenzial auch für andere wichtige Industriesektoren mit hohem Energieaufwand, wie Papier-, Chemie- und Lebensmittelindustrie, in Österreich untersucht.
Wärmepumpen werden in Zukunft ein wichtiger Faktor der Energieinfrastruktur sein, vor allem auch im industriellen Kontext. „Die Entwicklung einer dampferzeugenden Wärmepumpe ist ein echter Meilenstein“, so Wolfgang Hribernik, Head of Center for Energy, AIT Austrian Institute of Technology und NEFI Verbundkoordinator.
Im Temperaturbereich unter 200°C hat seiner Meinung nach der Einsatz von industriellen Hochtemperaturwärmepumpen enormes Potenzial, „denn in diesen Bereich fallen 37 Prozent des Prozesswärmebedarfs der europäischen Industrie“. Mit dem Innovationsnetzwerk NEFI gäbe es nun die Möglichkeit neue Schlüsseltechnologien wie diese bei industriellen Anwendern wissenschaftlich zu begleiten und zu testen, was gleichzeitig das technische und wirtschaftliche Risiko der Betriebe am Weg zur Abkehr von fossilen Brennstoffen reduziert.
Mit der Zentralisierung der Kühlung des Standorts wurde auch die Möglichkeit geschaffen, diese gleichzeitig für eine Wärmerückgewinnung zu nutzen. Dabei wird die Abwärme der Kälteanlage weiterverwendet und mit einer Wärmepumpe auf 65 bis 70°C erwärmt. Diese wird bereits jetzt für das Heizungswasser des Standorts verwendet. So kombiniert Takeda heute schon Wärme und Kälte für eine effizientere Nutzung.
AHEAD wird voraussichtlich Ende 2024 in Betrieb gehen und Ende 2025 soll die finale Auswertung stattfinden. Das Forschungsprojekt wird aus Mitteln des Klima- und Energiefonds gefördert und im Rahmen der Forschungsinitiative „NEFI – New Energy for Industry“ als Teil der österreichischen Innovationsoffensive „Vorzeigeregion Energie“ durchgeführt.