3. Mai 2023

Was gibt es Neues in der Alpenkonvention? Suchmaschine verknüpft Öffis & Bergtouren

Der Schutz und die nachhaltige Entwicklung des Alpenraums sind ohne die Alpenkonvention kaum mehr vorstellbar. Als sie in den 1990er-Jahren gegründet wurde, war sie noch das weltweit erste internationale Abkommen, das eine transnationale Bergregion als Ganzes, als eine geographische Einheit betrachtete. Unterzeichnet wurde die Konvention von den acht Alpenländern Österreich, Deutschland, Italien, Frankreich, Schweiz, Liechtenstein, Slowenien und Monaco sowie der Europäischen Union. Die Alpenkonvention liefert dabei die rechtliche Grundlage für den Schutz des alpinen Ökosystems und beinhaltet Leitprinzipien für ein nachhaltiges Leben in den Alpen. Sie schützt auch die regionalen kulturellen Identitäten, sowie das Erbe und die Traditionen der Alpen, damit diese für die kommenden Generationen erhalten bleiben.

Besonderes Augenmerk richtet die Konvention aber auf den Klimaschutz in den Alpen, ist diese Region laut aktueller Daten wohl überdurchschnittlich vom menschengemachten Klimawandel betroffen. In den Alpen steigen die Temperaturen demnach fast doppelt so schnell wie im Rest der nördlichen Hemisphäre und der Temperaturanstieg um fast zwei Grad Celsius seit dem späten 19. Jahrhundert wirkt sich bereits deutlich auf die alpine Umwelt aus: Rückgang der Lebensräume einheimischer Tier- und Pflanzenarten, Veränderungen in der Wasserverfügbarkeit (einschließlich Schnee), Stress für den Wald, erhöhtes Risiko und Unvorhersehbarkeit von Naturgefahren – mit Auswirkungen die deutlich machen, dass die Bewohner:innen des monumentalen Hochgebirges aber auch der Metropolregionen in den Ausläufern der Alpen ganz und gar von der Klimakrise erfasst sind.

Aus dem jährlichen Bericht des Klimawandel-Dienstes des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus geht zudem hervor, dass im vergangenen Jahr so viel Gletschereis geschmolzen ist wie nie zuvor. Die Gletscher der Alpen verloren mehr als fünf Kubikkilometer Eis. Zum Vergleich: Würde man diese Eismasse in Würfelform pressen, wären die Kanten des Würfels rund fünfeinhalbmal so hoch wie der Eiffelturm.

Die Alpenkonvention hat sich aus diesem Grund einen aktualisierten Klimaaktionsplans (Climate Action Plan 2.0) verpasst, dem in den kommenden Jahren ganz konkrete Schritte folgen, um die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels in den Alpen wo es nur geht abzufedern. Orientierung dabei bieten die vom Alpinen Klimabeirat (ACB) unter österreichischem Vorsitz skizzierten Umsetzungspfade, die wichtige Prozesse zur Erreichung des Klimazielsystems in Bewegung bringen sollen.

Suchmaschine für öffentlich erreichbare Bergtouren

Darin skizziert ist auch ein klares Bild von nachhaltiger Mobilität in den Alpen. Nach wie vor leidet der Alpenraum besonders stark vom (Güter-)Transitverkehr, aber auch touristisch hängt die Mobilität in den Alpen immer noch viel zu sehr am Auto. Neun von zehn Wander:innen oder Bergsteiger:innen fahren laut einer Umfrage des Alpenvereins primär mit dem Pkw zum Ausgangspunkt ihrer Touren. Die Anreise mit den Öffis gilt vielen noch immer als unattraktiv und umständlich. Wie also ohne Auto in die Berge? Wie geht es per Zug, per Bus, per Fahrrad, zu Fuß, mit möglichst wenig motorisiertem Individualverkehr zum Berg? In Zeiten der Klimakrise müssen diese Fragen ohne Zweifel am Anfang der Tourenplanung ganz ohne Vorurteil stehen.

Wie einfach und unkompliziert Touren mit Bahn und Bus sein können, zeigt etwa Zuugle, eine Plattform, die Informationen über die Erreichbarkeit von Bergtouren im Alpenraum mit den Öffis bietet und vom Klimaschutzministerium (BMK) im Rahmen der Alpenkonvention gefördert wird. Ende April 2022 ging die erste, reduzierte Zuugle Version online und ermöglicht es Bergsportler:innen seitdem, von ihrem Startbahnhof ausgehend nach öffentlich erreichbaren Touren zu suchen.

 

„Wenn man Menschen fragt, ob sie öffentliche Verkehrsmittel nutzen, um in die Berge zu fahren, wandern zu gehen, dann hört man häufig: Das geht doch gar nicht! Wir bei Zuugle wissen aber: Das geht bei vielen Touren sehr gut“, so Martin Heppner, Projektleiter und Kopf von Zuugle. Das funktioniert folgendermaßen: Im Hintergrund von Zuugle werden Tourenportale durchforstet und per Logarithmus mit Fahrplandaten verknüpft. So erhält man eine quasi Suchmaschine für öffentlich erreichbare Bergtouren. „Wir machen also sichtbar, wie vielfältig die Möglichkeiten sind, Bergtouren mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Aktuell können wir 10.000 Touren anzeigen, die von Bahnhöfen in Österreich, Südbayern und Südtirol aus machbar sind.“

Sucht man auf Zuugle nach einer Tour mit einem bekannten Ausflugsziel, werden einem gleich auf der Überblicksseite die Ergebnisse mitsamt der Dauer der Fahrtzeit sowie die Anzahl der notwendigen Umstiege angezeigt. So lässt sich auf den ersten Blick feststellen, ob eine Tour etwa auch für Familien infrage kommt. Außerdem hervorgehoben ist  die Dauer der Tour, der Schwierigkeitsgrad, der Höhenunterschied und die Länge in Kilometern. Klickt man auf eine Tour, bekommt man Details angezeigt – etwa Vorschläge zu den Abfahrzeiten mit den Öffis. Unter „Beste Anreise“ werden Zug- und Busverbindungen angezeigt – aus Wien etwa vor allem die Bahnhöfe Meidling und Hauptbahnhof – und die jeweils letzte Verbindung zurück zum Ausgangsort. Die Plattform wird zudem sukzessive weiter ausgebaut. Noch viel mehr Touren sollen es werden, wenn das Portal auf den gesamten Alpenraum, von Monaco bis Slowenien, ausgeweitet wird.

Auch die Wissenschaft ist beim Projekt mit an Bord. Parallel zur technischen Weiterentwicklung wurde das Institut für Verkehrswesen der Universität für Bodenkultur (BOKU) Wien mit einer wissenschaftlichen Begleitforschung beauftragt. Dort wird untersucht, welche Hürden die Planung öffentlich erreichbarer Bergtouren aus Sicht der Bergsportler:innen mit sich bringt und wie diese überwunden werden können. Dafür wurden 39 teilnarrative Interviews in Zügen und auf Wanderwegen in Niederösterreich, Salzburg und der Steiermark durchgeführt und systematisch ausgewertet. Die Studienergebnisse wurden anschließend beim “Journal of Outdoor Recreation and Tourism” zur Veröffentlichung eingereicht und fließen direkt in die Weiterentwicklung von Zuugle ein, um noch mehr Bergsportler:innen fürs Zugfahren zu gewinnen und zu begeistern. „Die neuen Erkenntnisse aus dieser Studie stellen unser Team vor neue, interessante Aufgaben. Es bleibt auf jeden Fall spannend“, so Heppner zu der Zusammenarbeit mit der BOKU.

Was ansonsten in der Alpenkonvention passiert:

  • Nicht nur im südlichen Europe, auch im Alpenraum ein dringendes Thema: Wasser. Bereits im Februar warnten Experten wegen einer geringen Schneedecke in den Alpen sowie der Regenarmut vor einer massiven Trockenheit, die auch durch die derzeitigen Regenmengen das Wasser-Defizit in der Alpenregion kaum auszugleichen sein dürfte. Der Schweizer Vorsitz der EU-Strategy for the Alpine Region (EUSALP) wird auch deshalb bei einer internationalen Konferenz zum Thema Wasser in Scuol (CH) einladen. Unter der Prämisse, dass der Alpenraum und damit auch der alpine Wasserkreislauf vom Klimawandel besonders betroffen sind, sollen dort anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen und Projektbeispielen aus den Bereichen Wasserenergie, Biodiversität und Tourismus unter anderem politische Rahmenbedingungen für ein erfolgreiches Wassermanagement in den Alpen angeregt werden.
  • Am 5. Juni (Weltumwelttag) haben die Mitarbeitenden des französischen Ministeriums für ökologischen Wandel und territorialen Zusammenhalt die Möglichkeit, an einem Klima-Fresk teilzunehmen, einem interaktiven Lernspiel zum Thema Klima. Die Teilnehmenden werden auch etwas über die Alpenkonvention erfahren und ein Exemplar der Broschüre „Die Umsetzungslücke beim Klimaschutz schließen“ des Alpinen Klimabeirats erhalten.
  • Der slowenische Vorsitz der Alpenkonvention wird das 17. Internationale Wildblumenfestival in Bohinj (SI) unterstützen. Das Festival findet vom 19. Mai bis zum 4. Juni statt. Während des Festivals werden auch zahlreiche kulturelle Veranstaltungen zu floralen Themen organisiert.
  • Euromontana hat die 2023-Ausgabe ihrer jährlichen Broschüre über bewährte Verfahren veröffentlicht. In dieser Publikation werden 11 inspirierende Initiativen aus ganz Europa (EU und Nicht-EU) vorgestellt, die den Wandel und die nachhaltige Transformation in Berggebieten vorantreiben.
  • Gewässerperle PLUS ist ein Label, das der WWF zum Schutz der letzten natürlichen Flussabschnitte in den Alpen empfiehlt. Das Label würdigt wertvolle Bäche und Flüsse und das Engagement der Menschen dahinter – zum Wohle von Mensch und Natur.
  • ALPARC organisiert mit deutscher Unterstützung am 13. Juli (und in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli) die neunte Auflage von Youth at the Top. Bei dieser Veranstaltung werden Hunderte junge Menschen gleichzeitig die Berge erleben. Schutzgebiete, Organisationen, Jugendverbände, lokale Fachleute und Schutzhütten aus den gesamten Alpen und den Karpaten sind eingeladen, eine Veranstaltung anzumelden.
  • ISCAR organisiert eine Diskussionsrunde im Rahmen der Mountains and Plains Conference in Bern (CH) vom 22. bis 26. August. Das Thema der Diskussion lautet „Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Bergforschungsnetzwerken“.
  • Junge Menschen, die sich für eine nachhaltige und gemeinschaftliche Entwicklung des Alpenraums begeistern, können sich noch bis zum 15. Mai für das Alpine Changemaker Basecamp bewerben, das von der CIPRA und ihren Partnern organisiert wird! Während fünf Tagen im Juli werden sie mit der Unterstützung von Mentorinnen und Mentoren sowie Gleichgesinnten im Vinschgau (IT) Projektideen entwickeln.
  • Die fünfte Ausgabe des Youth Alpine Interrail (YOALIN) hat am 1. April begonnen, und Bewerbungen sind bis zum 26. Mai möglich. YOALIN bietet 150 Interrail-Pässe für junge Menschen zwischen 18 und 27 Jahren, um klimafreundlich durch die Alpen zu reisen. Die Teilnehmenden werden zu einer Auftaktveranstaltung in Slowenien, drei Hub-Events während des Sommers und einer Abschlussveranstaltung in die Schweiz eingeladen. Das Projekt wird von den Vertragsparteien der Alpenkonvention Österreich, Liechtenstein, Slowenien und der Schweiz unterstützt und von der CIPRA sowie dem CIPRA-Jugendrat organisiert.
  • Allianz in den Alpen ist einer der Partner im Interreg-Alpenraumprojekt BeyondSnow. Es zielt darauf ab, kleine und mittelgroße Winterdestinationen dabei zu unterstützen, ihre Attraktivität für Bewohnende und Besuchende angesichts der abnehmenden Schneesicherheit aufgrund des Klimawandels zu erhalten und zu steigern.
  • Die Jugendbotschafter-Initiative ermöglicht es Vertretern des EUSALP-Jugendrates, sich an der Umsetzung von Interreg-Alpenraum-Projekten zu beteiligen – sie bringen die Ansichten und Positionen junger Menschen in die Diskussionen ein und fungieren gleichzeitig als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren, die in den sozialen Medien und bei Veranstaltungen über die Projekte berichten.

Constructive Alps Awards: Ökologisches Bauen unterm Alpenbogen