Kategorie Innovation & Technologie - 8. Januar 2020

2 Jahre ALP.lab: Auf 400 km zur optimalen Konzeption selbstfahrender Autos

Die steirische Testregion ALP.Lab für autonomes Fahren hat nach zwei Jahren Bilanz gezogen: Seit der Gründung Ende 2017 ist das Kompetenzzentrum zu einem international gefragten Partner für die Auto- und Mobilitätsindustrie geworden.

Gegründet wurde ALP.Lab im September 2017 von AVL List, Magna Steyr, dem Kompetenzzentrum Virtual Vehicle, Joanneum Research sowie der TU Graz und wird maßgeblich durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) und der FFG unterstützt.

Österreichs spielt auch mit ALP.Lab in der Entwicklung autonomer Fahrsysteme global in der 1. Liga. © waymo

Zu den Netzwerkpartnern zählen die ASFINAG, der ÖAMTC, das Land Kärnten und Bosch. ALP.Lab ist Österreichs Grundlage für fokussierte Forschung im Bereich des autonomen Fahrens. Inzwischen stehen für die Forschungseinrichtung 400 Kilometer Teststrecke in Österreich, Deutschland, Ungarn und Kroatien zur Verfügung.

Herzstück ist die 23 Kilometer lange Fahrbahn der Südautobahn zwischen Graz West und Laßnitzhöhe, die dicht mit Sensorik der ASFINAG bestückt ist. „Eine in Europa bislang einzigartige Teststrecke“, sagt Jost Bernasch, Geschäftsführer von ALP.Lab (Austrian Light Vehicle Proving Region for Automated Driving), das in 40 unterschiedlichen EU-Projekten zum Thema involviert ist. Große Teile der 400 Kilometer langen Teststrecke stehen zudem als digitaler Zwilling für virtuelle Tests auf Simulations- und Prüfständen zur Verfügung.

Sieben Mitarbeiter kümmern sich um die Betreuung zahlreicher nationaler und internationaler Projekte und die involvierten Kunden. „Damit die Vision autonomen Fahrens Realität werden kann, ist vor allem eines wichtig: Testen, testen und testen – in allen Dimensionen“, so Bernasch. Jüngster Erfolg: Ende November wurde ALP.Lab (Austrian Light Vehicle Proving Region for Automated Driving) für das Projekt Autobahn als Sensor zusammen mit der ASFINAG mit dem österreichischen Staatspreis Mobilität 2019 ausgezeichnet.

Sehr wichtig für die autonome Mobilitätszukunft ist hochgenaues und aktuelles Kartenmaterial, das auf den ALP.Lab Teststrecken bei Fahrten mittels präzisen GPS-Systemen sowie dem hochgenauen Pegasus Kamerasystem von Joanneum Research erfasst wird. Die ganze Teststrecke wird damit sozusagen zu einem „digitalen Zwilling“, der laufend aktualisiert wird. Mit diesem können anhand real aufgezeichneter Fahrten zahlreiche virtuelle Simulationen in verschiedensten Situationen sehr schnell und kostensparend durchlaufen werden.

Robuste und zuverlässige Systeme nötig

Das wichtigste bei automatisierten Fahrzeugen ist, dass alle Systeme robust und zuverlässig funktionieren und sie untereinander und mit der Infrastruktur perfekt kommunizieren. Von ALP.Lab werden Funktionen und Services für eine durchgehende digitale Testkette angeboten. Dabei werden zunächst Fahrmanöver und Szenarien virtuell auf Prüfständen und Simulationen geprüft, um anschließend mit den Fahrzeugen auf Testgelände und öffentlichen Straßen zu gehen. Die Ergebnisse dieser Realtests gelangen dann gleich wieder über die ALP.Lab Data Cloud zu den virtuellen Testsystemen am Simulator, um die autonomen Fahrfunktionen weiter zu optimieren.

© JOANNEUM RESEARCH

„Bei den Tests geht es nicht darum, 200 Millionen Kilometer mit automatisierten Fahrzeugen zurückzulegen“, sagte Bernasch. „Besser ist, wichtige Schlüsselszenarien von wirklich relevanten und kritischen Ereignissen beispielsweise auf 10.000 Kilometern durchzuspielen.“ Für den Aufbau der Testregion, die alle Aspekte an Testmöglichkeiten – real, virtuell und kombiniert – zur Entwicklung automatisierter Fahrzeuge abdeckt, wurden Straßenabschnitte auf der A2, A9, die S35 Graz-Bruck/Mur und die S6 Bruck-St. Michael mit modernsten Mess- und Kommunikationssystemen ausgestattet sowie eine hochgenaue Karte erstellt. Diese HD-Karte enthält alle Straßenobjekte wie Bodenmarkierung, Fahrspuren, Verkehrszeichen, Streckenbegrenzungen oder Kanaldeckel auf zwei Zentimeter genau.

„Das Ziel ist es, Kunden bestens bei ihren Tests zu unterstützen. Dazu wollen wir auch alle Teilbereiche einzeln als Service anbieten können“, wie Bernasch betont. Dabei kooperiert ALP.Lab auch mit zahlreichen weiteren Proving Grounds wie etwa Allhaming und St. Valentin, ZalaZone in Ungarn, Rijeka in Kroatien und mit zwei Zentren in Deutschland.

Das Aktionspaket Automatisierte Mobilität

„Automatisierte Mobilität ist ein Teil der Mobilität der Zukunft“, so Michael Nikowitz, Koordinator für Automatisiertes Fahren im BMVIT. Gemeinsam mit der Elektrifizierung, der gemeinsamen Nutzung und der Vernetzung stellt sie so eine der wichtigen Säulen auf diesem Gebiet. Seit 2016 beschäftigt sich das BMVIT intensiv mit dieser Thematik. Der unglaublich rasche Technologiefortschritt bedarf hierbei ebenso schneller Reaktionen auch von Seiten der öffentlichen Hand. „Es ist ganz essentiell, dass wir uns mit der Thematik möglichst breit und interdisziplinär beschäftigen, um sicherzustellen, dass wir als Ministerium die richtigen Fragestellungen und Themen adressieren“, so Nikowitz weiter.

Die Austria Tech ist die Kontaktstelle zum Automatisierten Fahren des BMVIT. Gemeinsam hat man das Aktionspaket Automatisierte Mobilität sowie das Forum Automatisierte Mobilität ins Leben gerufen, einem jährlichen Symposium, welches die Entwicklung automatisierter Mobilität bestmöglich abbilden und als Dialogveranstaltung dienen soll, um von allen Akteuren von der Industrie, über Verwaltung und Wissenschaft bis zu Start-ups sowohl den neuesten Stand zu bekommen als auch kritisches Hinterfragen der Entwicklungen zu ermöglichen, wie Nikowitz betont.

Für ihn ist ein transparenter und objektiver Wissensaustausch unumgänglich, damit im Falle der Automatisierung nicht vergeblich an der Entwicklung von Lösungen gearbeitet und erst im Nachhinein erkannt wird, dass Best-Practice-Beispiele bereits verfügbar gewesen wären.

Neue automatisierte Mobilitäts-Services gelten als eine der Tech-Revolutionen im 21. Jahrhundert, die neben anderen Zweigen fortschreitender Digitalisierung von großem Einfluß auf unseren Alltag sein wird. Entwicklungen auf dem Gebiet der automatisierten Mobilität – seien es Assistenzsysteme in privaten Pkw, sogenannte Robo-Taxis oder fahrerlose öffentliche Verkehrsmittel werden unsere Mobilität und die Möglichkeiten des [Vor]Ankommens in Städten und auch im ländlichen Raum stark verändern.

Service:

Verordnung zum automatisierten Fahren

Aktionspaket Automatisierte Mobilität

INFObox: Automatisiertes Fahren kann für mehr Verkehrssicherheit sorgen und ist zugleich ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Schon jetzt sind österreichische Autozulieferbetriebe in vielen Bereichen des automatisierten Fahrens international gefragt. Das neue Aktionspaket Automatisierte Mobilität für den Zeitraum 2019-2022 setzt den Fokus auf Straße, Schiene und Luftfahrt (Drohnen). 65 Millionen Euro an Förderbudget stehen zur Umsetzung von 34 Maßnahmen im Bereich Technologieförderung, legislativer Anpassung, gesellschaftlicher Dialog, Einbindung der öffentlichen Hand und Aufbau der Kompetenz im Bereich der Mensch-Maschine-Interaktion bereit.