16. November 2022

Artemis-Mission: Mit Technologie aus Österreich am Weg zum Mond

Lange Zeit stand diese Mission unter keinem guten Stern: Nach etlichen Verschiebungen – unter anderem wegen zwei aufeinanderfolgender Stürme und technischer Probleme – ist Artemis I am Mittwoch endlich gen Mond gestartet. Mit der Rakete Space Launch System (SLS) hob die unbemannte Kapsel Orion vom Weltraumbahnhof Cape Canaveral in Florida ab. Rund drei Wochen lang soll Orion in einer Umlaufbahn um den Mond herum unterwegs sein, bevor die Kapsel am 11. Dezember zurück auf der Erde erwartet wird.

Artemis soll in eine verlängerte Umlaufbahn um den Mond einschwenken, angetrieben vom Europäischen Servicemodul (ESM), das auch Strom, Wasser und Luft liefert und das Raumschiff auf der richtigen Temperatur hält. Die Antriebs- und Versorgungseinheit soll bei der Rückkehr vom Besatzungsmodul abgetrennt werden und in der Atmosphäre verglühen.

Ziel ist es vor allem, die neu entwickelten Systeme im Zusammenspiel zu testen. Erprobt wird auch die Manövrierfähigkeit im Mondorbit, der Wiedereintritt in die Erdatmosphäre wird die Bewährungsprobe für das Hitzeschild.

Mit dem nach der griechischen Göttin des Mondes benannten Programm Artemis sollen in den kommenden Jahren wieder Astronauten auf dem Mond landen, erstmals auch eine Frau und eine nicht-weiße Person. Der jetzt erfolgte Artemis-Start soll diese bemannten Flüge vorbereiten. Die Europäische Raumfahrtagentur ESA und Raumfahrtagenturen mehrerer anderer Länder sind ebenfalls an der Mission beteiligt.

Mit dem Start der neuen Trägerrakete SLS und der Orion-Raumkapsel ist auch österreichische Technologie zum Mond gestartet. Das Wiener Unternehmen TTTech und Magna in Graz haben Komponenten für Orion und dessen europäisches Versorgungsmodul ESM geliefert. Von TTTech kommt Technologie für die Datennetzwerke von Orion und ESM, von Magna Hochdruckleitungen für die Flüssigtanks der Rakete.

„Wir freuen uns sehr über den erfolgreichen Start von Artemis I und wir sind sehr stolz darauf, als eines von nur zwei österreichischen Unternehmen mit an Bord zu sein“, erklärte Christian Fidi, vom Bereich Aerospace der TTTech. TTTech produziert u.a. Steuerungssoftware und Netzwerkplattformen für die Auto- und Flugzeugindustrie.

Ausfallsichere und zuverlässige Übertragung

Die Stärke der Technologie liegt darin, Daten basierend auf Standard-Ethernet höchst ausfallsicher und zuverlässig zu übertragen – und das Time-Triggered (TT), also zeit-gesteuert. Die Daten werden dabei genau zur richtigen Zeit geliefert, und zwar bis zu einer Millionstel Sekunde genau. Das ist bei der Steuerung eines Flugzeugs oder beim autonomen Fahren notwendig, entscheidet aber auch in der Raumfahrt über das Gelingen einer Mission.

„Wir liefern sowohl für das Orion Crew Modul als auch für das European Service Modul die Technologie für die Vernetzung der Avionik Computer und der Kontrollsysteme, ein speziell ausfallsicheres und skalierbares Ethernet“, erklärte Kurt Doppelbauer von TTTech gegenüber der APA. Das „TTEthernet-Netzwerk“ verbindet quasi als Nervensystem der Module zahlreiche Sensoren, Computer und antriebstechnische Bauteile (Aktuatoren) miteinander, die für verschiedene sicherheitskritische Funktionen wie Flugsteuerung oder Lebenserhaltungssysteme zuständig sind. Über das Netzwerk können aber auch nicht-kritische Aufgaben ablaufen, etwa Videokommunikation, womit eine separate Verkabelung und damit Gewicht eingespart wird.

Die Wiener Technologie, die das Unternehmen an Honeywell lizensiert hat, erlaubt dabei mit Datenraten von bis zu einem Gigabit den Systemen, eintausend Mal schneller Daten an Bord zu übertragen, als beim Space Shuttle (1Mbit), betonte Doppelbauer. Bereits 2019 hat die NASA gemeinsam mit den Raumfahrtagenturen anderer Länder „TTEthernet“ als offenen Standard für On-Board-Avionik für Deep Space-Anwendungen definiert und diesen Standard auch für Ausschreibungen von Weltraummodulen verwendet. Daher müssen alle Module kompatibel zum „TTEthernet“ sein. Künftig können damit andere Raumfahrzeuge, Trägerraketen oder auch die geplante NASA Gateway Raumstation beim „Andocken“ problemlos miteinander kommunizieren.

Magna baute Druckleitungen für Trägerrakete

Während TTTech bereits seit dem Jahr 2000 in mehreren Projekten mit der NASA zusammenarbeitet, produzierte die Abteilung für Luft- und Raumfahrt von Magna erstmals Komponenten für ein NASA-Programm. Das Unternehmen baute für ihre an Boeing gelieferten Druckleitungen für die Trägerrakete SLS auf Technologien auf, die für den Treibstofftank der wasserstoffbetriebenen Limousine BMW Hydrogen 7 entwickelt wurden.

Die sogenannten „Tankbedruckungsleitungen“ (Pressurization Lines) sind für die Aufrechterhaltung des nötigen Drucks in den riesigen, 2,8 Millionen Liter fassenden Treibstofftanks für Flüssigwasserstoff und -sauerstoff ausgelegt. „Die Tanks brauchen einen bestimmten Druck, damit sie den Belastungen standhalten können, welche im Betrieb der Trägerrakete auftreten“, erklärte Armin Scheinost, Leiter von Magna Aerospace. Er vergleiche das immer mit einer Cola-Dose: „Wenn dies voll und unter Druck ist, kann man sich darauf stellen und sie wird nicht beschädigt. Ist sie allerdings leer und drucklos, so wird sie zerquetscht.“

Über die Druckleitungen von Magna wird bei der SLS dazu Wasserstoff und Sauerstoff in die jeweiligen Tanks zurückgeführt, und dadurch ein definierter Tankdruck sichergestellt. Die Leitungen befinden sich zum Teil an der Außenseite der Rakete und sind als dünne metallische Rohre an der Tankaußenseite gut sichtbar, wie Scheinost gegenüber der APA erklärte. Nähere Details zu den Druckleitungen, etwa die verbaute Länge, Größe, Druck, etc. dürfe das Unternehmen aus rechtlichen Gründen nicht geben.

Kein Oneway-Ticket zum Mond

„Artemis I wird bestimmt kein Oneway-Ticket zum Mond. Im Gegenteil. Die Mission stellt einen wichtigen Meilenstein für die weitere Erforschung des Weltraums dar, und zwar nicht nur in technischer Hinsicht, sondern auch in der internationalen Zusammenarbeit von NASA und ESA“, berichtet Klaus Pseiner, Geschäftsführer der FFG über das Ereignis.

Für Pseiner sind diese österreichischen Beiträge „rot-weiß-rote Rocket Science“. Dies zeige einmal mehr, dass „die heimische Weltraumtechnik international wettbewerbsfähig ist und Österreich ein gefragter Partner bei Weltraummissionen ist“, so der Geschäftsführer der Forschungsförderungsgesellschaft FFG mit ihrer Agentur für Luft- und Raumfahrt. Die „beeindruckende Beteiligung von Magna und TTTech basiert insbesondere auf unseren langfristig und konsequent ausgerichteten Technologiestrategien“, sagte Pseiner zur APA. Die Grundlagen dafür seien mit der österreichischen Beteiligung an den Wahlprogrammen der ESA und begleitenden Förderungen aus dem nationalen Weltraumprogramm geschaffen worden.

Fünf Kandidaten für mittelgroße ESA-Mission

Im Rahmen ihres wissenschaftlichen Langzeitprogramms will die Europäische Raumfahrtbehörde ESA im Jahr 2037 eine Mittelklasse-Mission (Medium-Size-Mission) ins All schicken. Im Vorjahr hatte sie zu Vorschlägen aufgerufen, von den 15 verbliebenen kamen fünf Konzepte in die engere Auswahl. An drei ist das Grazer Institut für Weltraumforschung (IWF) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften beteiligt, wie die ÖAW am Montag bekannt gab.

„Calico“, „M-Matisse“, „Plasma-Observatorium“, „Haydn“ und „Theseus“ sind im Rennen – am Schluss wird nur eine M-Mission übrig bleiben. Bei den ersten drei genannten Missionen hat auch das Grazer IWF die Hand im Spiel. Die Ziele dieser Missionen reichen vom erdnahen Weltraum (Plasma Observatory), über Mars (M-Matisse) bis zum Zwergplaneten Ceres (Calico). Zweimal ist das IWF mit Hardware, einmal rein wissenschaftlich (Calico) beteiligt.

„Es ist großartig, dass es drei Missionen mit IWF-Beteiligung in die Top-5 geschafft haben und sie damit eine Runde weiter sind“, freute sich IWF-Direktorin Christiane Helling über diesen Zwischenschritt im mehrteiligen Auswahlverfahren.

Für das IWF am Start

Für die aktuell ausgewählten Missionskonzepte ist das IWF zweimal mit Hardware, einmal rein wissenschaftlich beteiligt. Die Missionsziele reichen vom erdnahen Weltraum, über den Mars bis zum Zwergplaneten Ceres.

CALICO soll In-situ-Untersuchungen der organischen und ammoniakhaltigen Materialien und Salzablagerungen auf dem Zwergplaneten Ceres durchführen, die möglicherweise Aufschluss darüber geben, ob Ceres die Voraussetzungen für Leben bietet oder bot. Das IWF steuert seine wissenschaftliche Expertise im Bereich der Charakterisierung von Mineralien und Eisen im Labor, der Exosphärenbildung im Sonnensystem sowie Studien über den Wasseranteil des Zwergplaneten bei.

M-MATISSE will den Mars als globales dynamisches System mit Hilfe einer 2-Satelliten-Konfiguration untersuchen. Im Mittelpunkt stehen dabei die Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre, Ionosphäre, Magnetosphäre und Sonnenwind. Die beiden Satelliten Henri und Marguerite, benannt nach Matisse und seiner Tochter, sollen die räumlichen und zeitlichen Auswirkungen auf verschiedene Prozesse entschlüsseln, die das Marssystem antreiben. Das IWF liefert den Bordcomputer für das Ionen-Massenspektrometer M-MAS und ist wissenschaftlich beteiligt.

Das Plasma Observatory ist eine Multi-Satelliten-Mission (eine Mutterraumsonde, sechs Tochterraumsonden) zur Untersuchung der Wechselwirkungen zwischen lokalen Teilchen (Ionen) und großräumigen Flüssigkeiten (Plasma) im erdnahen Weltraum, die das Wissen über Beschleunigungs- und Heizungsprozesse im astrophysikalischen Plasma erweitern soll. Das IWF ist im wissenschaftlichen Core Team vertreten und baut Magnetometer und Bordcomputer für die Tochtersonden.

Die Beteiligung des IWF an den ESA-Missionen wird von der Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) finanziert. Neben der ÖAW sind aus Österreich die Universität Wien bei ARRAKIHS und HAYDN sowie Joanneum Research bei CALICO vertreten.

APA / Red