Kategorie Innovation & Technologie - 20. Juli 2018
Beheizbarer Lack soll Hubschrauber vor Vereisung schützen
Weltweit erstes System zur Enteisung kleinerer und mittlerer Hubschrauber in Entwicklung – Hubschrauber im Wiener Klima-Wind-Kanal
Die Flugrettung fliegt jährlich rund 18.000 Einsätze in Österreich und hilft tausenden Menschen in Notlagen aus der Luft. Besonders im Alpenraum gibt es eine hohe Dichte an Notarzthubschraubern, die oft in schwierig zu fliegenden und meterologisch unbeständigen Gefilden zu Einsätzen aufbrechen.
Take Off: Heli im Eiskanal
Fliegen Hubschrauber nämlich durch Wolken laufen sie Gefahr, zu vereisen. Für große Helikopter gibt es bereits Enteisungssysteme, für kleine und mittelgroße wird derzeit das weltweit erste derartige Gesamtsystem entwickelt. Ein beheizbarer Lack soll unter anderem davor schützen, das empfindliche Gefüge eines Helikopters aus dem Gleichgewicht zu bringen. Im Wiener Klima-Wind-Kanal wurden dafür bei der Vereisung eines Hubschraubers fleißig Daten gesammelt. Das Bundesministerium Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) fördert dieses Projekt im Rahmen des Programms Take Off.
Seit 2014 fungiert der weltweit größte Klima-Wind-Kanal in Wien-Floridsdorf auch als überdimensionale Vereisungs-Maschine, mit der getestet werden kann, wie Fluggeräte reagieren, wenn sie mit hoher Geschwindigkeit und bei extremen Temperaturen durch Wolken fliegen. Im Rahmen des von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG unterstützten, auf drei Jahre ausgelegten österreichisch-deutschen Projekts macht man sich am Prüfstand von Rail Tec Arsenal (RTA) erstmals daran, einen ganzen Hubschrauber unter kontrollierten Bedingungen dem künstlichen Wind und Wetter auszusetzen, wie RTA-Projektleiter Otto Bucek erklärte.
Zur Realisierung maßgeblich beigetragen hat das Verbundprojekt der Programme Take Off des BMVIT gekoppelt mit dem Luftfahrtforschungsprogramm (LuFo) der deutschen Bundesregierung. Es ist eines der ersten gemeinsamen Förderprojekte seit Unterzeichnung einer bilateralen Absichtserklärung zwischen dem deutschen Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) und dem BMVIT.
Gefährliche Wolkenschichten
Der Airbus EC135-Helikopter aus der Christophorus-Flotte des ÖAMTC durchfliegt im Laufe der mehrtägigen Tests bei Windgeschwindigkeiten von rund 90 Stundenkilometern verschiedene Wolkenarten. Einerseits sind das die lockeren Stratuswolken, die bei längeren Flügen zu leichter bis mittelstarker Vereisung führen können, andererseits geht es um die dichten Cumuluswolken, in denen kurzer Zeit dicke Eisschichten entstehen können.
„Für uns ist es neu, zu schauen, wie sich ein komplettes Luftfahrzeug in dem Vereisungs-Windkanal verhält“, ungekehrt erhofft sich der Aerodynamikspezialist auch neue Erkenntnisse über die Möglichkeiten der Anlage. Da Flugrettungen, wie die des ÖAMTC mittlerweile durchgehend und auch bei schlechtem Wetter im Einsatz sind, sind Flüge durch Wolken oft unvermeidbar. Enteisungssysteme für kleinere Hubschrauber „gibt es aber weltweit noch nicht“, sagte Projektkoordinator Markus Villinger, Geschäftsführer des auf Vereisungsschutz spezialisierten Tiroler Unternehmens Villinger GmbH. Die Systeme, deren Entwicklung die Projektpartner Villinger, CEST GmbH, Heli-Air Transportation GmbH, Österreichisches Institut für Vereisungswissenschaften (AIIS) und RTA anstreben, sollen vor allem „das Einsatzspektrum erweitern“.
Lack als Wärmeleiter
Einerseits brauche es eine Lösung für das Enteisen der gefährdeten Rotoren. Andererseits möchte man im Klima-Wind-Kanal herausfinden, „wo der Hubschrauber an der Kabine Eis ansetzt. Das lässt sich eigentlich nicht errechnen. Im Windkanal kann man das sicher testen, ohne sich der Gefahr in der Wolke auszusetzen“, so der Projektkoordinator. So wird analysiert, welche Bereiche des Helikopters neben den Rotoren noch zusätzlich enteist werden müssen.
Grund dafür ist, dass die Fluggeräte sensibel auf Gewichtszunahme durch das Eis reagieren, wenn es zu Veränderungen des Schwerpunkts kommt. „Wir haben eine Technik entwickelt, die zum Teil auf elektrisch heizbaren Lacken besteht“, so Villinger. Am Ende soll ein „hochgradig vereinfachtes System für die Enteisung von so einem Flugzeug“ stehen. „Sobald wir sehen, dass das möglich sein sollte, was wir eigentlich jetzt schon glauben, gehen wir in die Produktentwicklung“, sagte Villinger.
Neben dem österreichischen Konsortium, das seinen Teil des Vorhabens mit einem Budget von rund 1,5 Millionen Euro vorantreibt, arbeiten auf deutscher Seite unter anderem Airbus Helicopters, das Deutsche Zentrum für Luft-und Raumfahrt (DLR) oder die Technische Universität Braunschweig mit an dem Forschungsprojekt.